“Sollte ein Film über Auschwitz das Leiden der SS-Wächter thematisieren?”

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Dr. Manfred Gerstenfeld. Foto Screenshot Youtube
Dr. Manfred Gerstenfeld. Foto Screenshot Youtube
Lesezeit: 5 Minuten

„Wenn ich einen Dokumentarfilm über Auschwitz mache, muss ich dann auch das Leid der Familien der SS-Wächter thematisieren?“ Das ist einer der Kommentare des Filmemachers Joachim Schröder zur fortlaufenden Geschichte um seine DokumentationAuserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ über europäischen Antisemitismus. Der Skandal muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass in Deutschland 41 % der Bevölkerung glauben, Israel verhalte sich gegenüber den Palästinensern wie die Nazis gegenüber den Juden.

 

von Manfred Gerstenfeld

Der Film von Joachim Schröder und Sophie Hafner wurde ursprünglich vom EU-subventionierten, französisch-deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Arte in Auftrag gegeben. Die Landesrundfunkanstalt WDR – Teil des bundesdeutschen ARD-Verbundes – war operativ für die Filmemacher zuständig. Diese lieferten ihre Endfassung beim WDR ab, wo sie kommentarlos angenommen wurde. Arte jedoch verweigerte aus undurchsichtigen Gründen die Ausstrahlung.

Daraufhin zeigte die grösste deutsche Tageszeitung Bild den Film 24 Stunden lang, obwohl sie nicht über die Urheberrechte verfügte. Dann strahlte die ARD eine verstümmelte Version aus, wobei der WDR behauptete, es gebe zahlreiche Fehler im Film. Es war eine beispiellose, erhebliche Verzerrung der Arbeit eines Filmproduzenten, dem eine ganzheitliche Ausstrahlung moralisch zusteht. Einige der Kritikpunkte des WDR waren unsinnig, andere sehr umstritten. Die israelische NGO-Monitor behauptete, einige dieser Einschübe verunglimpften den Film. Das führte zu einem ergebnislosen Austausch von E-Mails mit dem WDR.

Die Produzenten nahmen die Verunglimpfung und Verzerrung ihres Films nicht einfach so hin. Schroeder gab vor der ARD-Ausstrahlung einem amerikanischen Moderator ein Radio-Interview auf Englisch. Danach gab er der deutschen Website „Achse des Guten” ein 15-minütiges Interview. Seine Argumente verdienen grössere Beachtung als nur in der deutschsprachigen Öffentlichkeit. Sie werfen ein Licht auf die Neigung einiger öffentlicher Medien, wesentliche Aspekte des europäischen Antisemitismus zu beschönigen.

Schroeder teilte mit, dass er ein Jahr lang mit Arte verhandelt habe, um den Auftrag für die Dokumentation zu bekommen. Er sagte, er habe ihnen den Vorschlag „aufdrängen“ müssen und „musste viele, viele Papiere verfassen; sie mussten liberaler sein, schwammiger, am Ende offener, weniger scharf – das war, was der Sender im Grunde immer wollte.“ Der leitende Angestellte des Senders, der ihm den Auftrag erteilt hatte, sagte ihm, Antisemitismus sei ein heikles Thema, weil „sein Unternehmen zwischen den Lobbyisten der Muslime und der Juden eingezwängt sei.“ Schroeder hatte erfahren, dass das grosse Arte-Entscheidungsgremium nur mit einer Stimme Mehrheit für sein Projekt gestimmt hatte.

Nach Schroeders Ansicht hätte Arte es lieber gesehen, wenn sich der Film auf rechten Antisemitismus, Neonazis und Auschwitz konzentriert hätte. Ein solcher Ansatz, so sagte er, hätte niemanden gestört. Er und seine Koproduzentin hatten jedoch offengelegt, was lieber verborgen bleiben sollte: „Der linke Antisemitismus, der zum Mainstream geworden ist und der muslimische Antisemitismus, der in den Mainstream einsickert.“ Schroeder sagte, die Sender, die seinen Film ablehnten, würden gleichzeitig Dutzende Produktionen ausstrahlen, die total israelfeindliche und palästinenserfreundliche Ansichten vertreten, ohne dass dies jemals hinterfragt würde. Er stellte darüber hinaus fest, dass es unter den Auftraggebern des Films einen völligen Mangel an Empathie und Anstand im Hinblick auf die derzeitigen Sorgen von Juden gebe.

Schroeder sagte, sein Gegenüber beim WDR sei Professor Sabine Rollberg gewesen. Sie hat eine bemerkenswerte Karriere bei diesem Sender gemacht. Viele Dokumentationen, mit denen sie zu tun hatte, haben bei renommierten internationalen Festivals Preise gewonnen. Er hatte ihr die Endfassung vorgestellt. Sie genehmigte sie kommentarlos und die Produzenten wurden entlohnt. Schroeder enthüllte, Rollberg sei vorzeitig beim WDR ausgeschieden, wo sie wegen der Annahme des Films schikaniert worden sei.

Schroeder sagte, der WDR habe ihn nicht einmal darüber informiert, dass er die Dokumentation sehr verzerrt ausstrahlen würde. Er nahm an, die Sender habe irritiert, dass sie den „sogenannten Friedensstifter“, den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas gezeigt habe, wie er im Europäischen Parlament antisemitische Anschuldigungen gegen Israel erhob.

Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass im Mittelalter falsche Anschuldigungen gegen die Juden, sie würden die Brunnen von Christen vergiften, zu Massenmorden geführt haben. Abbas hatte im Prinzip das Gleiche gesagt, als er die Aussage eines fiktiven Rabbi zitierte, der von den Palästinensern erfunden worden war. Die NGO „Palestinian Media Watch“ hat gezeigt, dass vom Fernsehsender der Palästinensischen Autonomiebehörde und auch anderswo von führenden Palästinensern regelmässig moderne Varianten des klassischen, antisemitischen Giftmotivs verbreitet werden. Ein umfassendes Beispiel für falsche Anschuldigungen durch die Palästinenser, man versuche sie zu vergiften, wird von Raphael Israeli in seinem Buch Poison; Modern Manifestations of a Blood Libel beschrieben.

„Ist das die neue Art, mit Antisemitismus in Deutschland umzugehen?“

Peter Grimm, der Schroeder auf der “Achse des Guten” interviewte, begann seine Sendung mit der Frage, ob Antisemitismus neutral zu betrachten sei und ob man auch Argumente erwähnen sollte, die den Antisemiten in die Hände spielten. Er fügte hinzu, diese Frage hätte vor wenigen Jahren als absurd gegolten. Dann fragte Grimm: „Sollte man heute die positiven Aspekte des Nationalsozialismus erwähnen, wenn man darüber schreibt?“

Grimm schloss seine Einführung in das Interview mit der Bemerkung Schroeders, dass man in der derzeitigen Atmosphäre Ärger riskiere, wenn man sich gegen Antisemitismus und antisemitische Risiken positioniere. Er fasste den Skandal mit den Worten zusammen, die Produzenten seien von den Leuten angegriffen worden, die sie mit der Produktion beauftragt hätten. Grimm schloss mit der Frage: „Ist das die neue Art, mit Antisemitismus in Deutschland umzugehen?“

Der Skandal rund um den Film wird sich wahrscheinlich ausweiten, wenn die englische Fassung verfügbar wird.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Publizist und ehemaliger Vorsitzender des Präsidiums des Jerusalem Center for Public Affairs. Auf Englisch zuerst erschienen bei Arutz Sheva.

3 Kommentare

  1. Mark Nu schreibt:
    Es sollte jemand den Herren dieser “Unternehmen” mal ins Bewusstsein
    zurückrufen,
    dass der einzige Auftrag Bildung und Information lautet
    und nicht:
    politische Agitation und Propaganda.
    Unter diesem Gesichtspunkt säße nämlich niemand bei arte zwischen den Stühlen,
    sondern hätte schlicht nach dem Grundsatz der Wahrheit und Klarheit
    den Lobbyisten der Muslime eine Abfuhr erteilen müssen und können und sollen!
    ———————
    Das genau ist es.
    Die vom Volk bezahlten Sender haben eine Auftrag der Information und Bildung.
    An diesem Punkt schlittern sie ,mit Bravur vorbei.
    Merci, Mark Nu für das Aufmerksam machen.

  2. Interessant,
    wie neutral Dr. Gerstenfeld über diese Thematik berichten kann
    – gut gemacht!

    Im Artikel fällt mir ein Satz auf, der uns alle zutiefst erschrecken müsste:

    “„sein Unternehmen zwischen den Lobbyisten der Muslime und der Juden eingezwängt sei.“

    Das Wort “Unternehmen” – was sucht das in diesem Satz?
    arte unterliegt als öffentlich-rechtlicher Sender
    – der von Steuergeldern (!) unterhalten wird –
    den Verpflichtungen für Körperschaften des öffentlichen Rechts,
    ist im Grundsatz aber an einen deutsch-französischen Staatsvertrag gebunden.
    Wie sieht denn dieser Verantwortliche von arte sein Leben auf Staatskosten
    und welche Verpflichtungen sieht er darin?
    Offenbar keine!

    Offenbar keine! … denn ansonsten würde er “sein Unternehmen” an einen
    generellen Bildungs- und Informationsauftrag des Staates gekoppelt sehen
    – was er nicht tut.
    “Sein Unternehmen” sitzt also nicht “zwischen den Stühlen” von Interessenverbänden,
    denen er als Unternehmer wirtschaftlich derart verbunden sein müsste,
    dass der Auftrag seiner Brötchengeber,
    der Bürger von Deutschland und Frankreich,
    darob verblassen dürfte!

    Es sollte jemand den Herren dieser “Unternehmen” mal ins Bewusstsein
    zurückrufen,
    dass der einzige Auftrag Bildung und Information lautet
    und nicht:
    politische Agitation und Propaganda.
    Unter diesem Gesichtspunkt sässe nämlich niemand bei arte zwischen den Stühlen,
    sondern hätte schlicht nach dem Grundsatz der Wahrheit und Klarheit
    den Lobbyisten der Muslime eine Abfuhr erteilen müssen und können und sollen!

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