Nachrichten aus Nahost: Tausend und eine Falschmeldung

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Symbolbild. Foto CC0 Public Domain
Symbolbild. Foto CC0 Public Domain
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Die Debatte um die zensierte Fassung des Antisemitismusfilms von WDR und Arte ist noch nicht verstummt, da gibt es schon wieder merkwürdige Veröffentlichungen zu Nahost.

 

Darunter eine kleine, aber typische Notiz bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Unter der irreführenden Headline: “ Israelische Luftwaffe greift wieder syrische Ziele an“ wurde da ein Text rausgehauen, bei dem noch nicht mal das Gegenteil stimmt. So heisst es: „Wiederum seien zuvor fehlgeleitete Geschosse auf israelischem Gebiet niedergegangen, die bei Kämpfen in Syrien abgefeuert worden seien.“ Die vorausgegangenen „syrischen Angriffe“ werden also hier von FAZ via Deutsche Presse-Agentur (dpa) im Konjunktiv vermerkt. Israelische Angriffe auf Syrien sind jedoch bei der FAZ ein Fakt. Aber syrischer Beschuss auf Israel steht im Konjunktiv, als handle es sich um eine unbewiesene und deshalb von den deutschen Reportern angezweifelte Behauptung. Weiter schreibt die FAZ, als stünde ihr Reporter direkt an der Front: „Seit Jahren unterstützt Israel syrische Rebellen“. Diesen „Fakt“ gibt es exklusiv nur in der deutschen Presse. Er wird in britischen und anderen Medien als Spekulation mit vielen Fragen dargestellt und ist von Israel bislang nicht bestätigt worden. Ob man diese völlig ungesicherte Behauptung direkt im deutschen Nachrichten- Hauptquartier in Tel- Aviv als „fake news“ erfunden, oder als syrische Propaganda 1:1 übernommen hat, wird aus dem Text nicht klar.

Harte „Spielregeln“

Bisher hat sich Israel aus dem seit sechs Jahren tobenden Bürgerkrieg in Syrien weitgehend herausgehalten. Die Spekulationen blühen, aber Damaskus wie Jerusalem hüllten sich in Schweigen. Gemäss ausländischen Quellen habe Israel eine Atomfabrik im Norden Syriens zerstört. Hätte die eine oder andere Seite diesen Schlag zugegeben, wäre das eine klassische Kriegserklärung gewesen. Der Staat Syrien hätte militärisch antworten müssen, was sich Präsident Assad wegen der Kämpfe gegen eine Vielzahl Rebellen im eigenen Land gar nicht leisten kann. Mehrfach hat Israel bestätigt, Waffenlieferungen an die Hisbollah im Libanon bombardiert zu haben, ohne dass es zu einer syrischen Reaktion gekommen wäre. Das sind alles „diplomatische Spielregeln“ mit „Roten Linien“ und entsprechender gewaltsamer Reaktion, wenn wieder einmal Syrien als Plattform dient, um die libanesische Miliz mit Raketen zu bewaffnen. Diese Raketenstellungen stellen eine akute Gefahr für Israel dar.

Keiner hat Interesse an einem Krieg

Syrien, einer der schlimmsten „Erzfeinde“ Israels, hat seit 1974 strikt darauf geachtet, entlang der gemeinsamen Grenze auf den Golanhöhen keine Kriegsanlässe zuzulassen. Trotz der tiefen politischen Gegensätze haben beide Länder nicht das geringste Interesse an einem Krieg. Syrien wäre dazu heute kaum mehr fähig, und im demokratischen Israel wäre ein militärischer Feldzug gegen das Assad-Regime nicht zu rechtfertigen. Weder die Massenmorde des Assad-Regimes, der Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung, noch die Kooperation mit der Hisbollah oder mit Iran lieferten Israel bisher einen Vorwand, aktiv in das Geschehen im Nachbarland militärisch einzugreifen.

Israel greift nie von sich aus an 

Um die syrische Regierung an ihre Verantwortung zu erinnern, entlang der Grenze für Ruhe zu sorgen, reagierte Israel auf Querschläger oder eben Granatenbeschuss aus Syrien mit Angriffen auf Stellungen und Panzer der offiziellen syrischen Armee. Aus israelischer Sicht spielt es dabei keine Rolle, ob die Rebellen oder die syrische Armee für den Beschuss israelischen Territoriums verantwortlich waren.

Das alles ist ein delikates und diplomatisch kompliziertes Spiel mit festen Regeln. Deshalb ist es problematisch und sogar kriegsschürend, wenn eine der wichtigsten Zeitungen Deutschlands ungeprüft eine verfälschende dpa-Meldung übernimmt und mit dieser Überschrift veröffentlicht.

Falsche Fakten bleiben deutschlandweit in Stein gemeisselt

Mehrere Anrufe bei der Redaktion der FAZ haben noch keine offizielle Reaktion und „Erklärung“ für diese „Falschmeldung“ ergeben, geschweige denn eine Korrektur. Ein „verantwortlicher“ Redakteur hatte eine Antwort für Freitag versprochen, war dann aber nicht mehr erreichbar. Ein anderer Redakteur bestätigte, dass die Schlagzeile dem Inhalt der Meldung widerspreche und dass es tatsächlich keine handfesten Beweise für eine Eingreifen Israels an der Seite der Rebellen gebe. Er erklärte, dass die dpa doch eine „angesehene“ Agentur sei und dass deren Meldungen ungeprüft übernommen würden. Doch sei er nicht befugt, diese kleine Meldung zur „fake news“ zu deklarieren. Deshalb könne er den Text, obwohl er ihn selbst als falsch erkannt hat, nicht entfernen. Inzwischen steht der Text seit einer Woche online. Und nicht nur bei der FAZ:

Screenshot Google
Screenshot Google

Meldungen aus dem Hause dpa werden üblicherweise sofort von Dutzenden Zeitungen aufgegriffen und ungeprüft veröffentlicht. Das Ergebnis des faktischen Meinungsmonopols der Nachrichtenagentur ist dann bundesweit eine verheerende Meinungsmache, die am Ende auch die Regierungen und Entscheidungsträger beeinflusst.

Drohnen-Deal mit Israel von SPD blockiert

Kaum beachtet wurde ein von der SPD im deutschen Bundestag eingelegtes Veto gegen den schon abgesprochenen Deal, mehrere israelische Heron-Drohnen für die Bundeswehr zu leasen.

Einige Abgeordnete hatten den israelischen Stützpunkt besucht, wo Soldaten der Bundeswehr an Simulatoren trainiert werden sollten, die ferngelenkten unbemannten Flugzeuge zu bedienen. Da bemerkten die SPD-Leute, dass die israelischen Geräte auch bewaffnet, also nicht nur mit Kameras zur Aufklärung, eingesetzt werden könnten. Ein kurzer Anruf in Berlin bewirkte die Stornierung des Geschäfts. In seiner letzten regulären Sitzung vor der Sommerpause – und damit vor der Bundestagswahl – hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die ersten bewaffnungsfähigen Drohnen für die deutschen Streitkräfte für diese Legislaturperiode endgültig gestoppt.

Dabei ist dieser Entscheid höchst fragwürdig und sogar inkonsequent.

Denn „bewaffnet“ sind nicht nur jeder Panzer und Soldat der Bundeswehr. Jedes Fahrgerät kann bewaffnet werden: Kinderwagen, Fahrräder, Autos und alle Fluggeräte. Offenbar glaubt die „friedliebende“ SPD, mit diesem Veto Wählerstimmen im kommenden September zu sammeln. So gesehen müssten die SPD Abgeordneten aber alles abschaffen und sogar Schuhe verbieten – siehe Schuhbomber – und uns alle barfuss herumlaufen lassen.

Eine Heron-Drohne beim Start. Foto PD
Eine Heron-Drohne beim Start. Foto PD

Hinzu kommt eine deutsche Ur-Angst vor Drohnen. Ähnlich wie Satelliten oder sehr hoch fliegende Aufklärungsflugzeuge, können Drohnen ohne jede Gefährdung des oft hunderte oder gar tausende Kilometer entfernten Lenkers Ziele des Feindes auskundschaften. Und wenn die Drohnen bewaffnet sind, können sie mit unglaublicher Zielgenauigkeit Panzer, Autos oder Kämpfer ausschalten, ohne die eigenen Soldaten zu gefährden. Die SPD Abgeordneten wollen wohl lieber ihre eigenen Soldaten in die Schlacht schicken. Sie scheinen dabei antiken Vorstellungen anzuhängen, als „echte Männer“ in Kriegen einander mit Schwertern umbrachten, man mit Rammbock und kochendem Pech hantierte und ganze Dörfer und Städte buchstäblich in Flammen aufgingen. Das war natürlich ritterlicher, männlicher und ehrenwerter. Aber diese Zeiten sind längst vorbei. Im Grunde schon seit der Erfindung von Kanonen, die Ziele jenseits des Horizonts zerstören können. Dank der Präzision der Drohnen können heutzutage auch zivile Opfer eher verhindert werden, als bei konventionellen Flächen- Bombardements aus der Luft oder beim Einsatz herkömmlicher Artillerie.

Der Widerstand der SPD gegen die israelischen Drohnen kann deshalb im Vorfeld der Neuwahlen in Deutschland ganz andere Hintergründe haben.

Israel-Bashing haben Spitzenpolitiker der SPD, darunter Aussenminister Sigmar Gabriel und der Bundespräsident gerade erst bei ihren letzten Besuchen in Israel vorexerziert. Die USA sind wegen Trump auch nicht populär, aber vielleicht akzeptabler, wenn deren Drohnen angeblich nicht bewaffnet werden können. In jedem Fall wäre das ein Eingriff in ein laufendes Gerichtsverfahren, das der Hersteller der US-Aufklärungsdrohne Triton angestrengt hat, um den Zuschlag zu seinem (unbewaffneten) Fluggerät zu erhalten und die israelische Konkurrenz auszuschalten. Das kann als Versuch der SPD betrachtet werden, mal wieder Israel auch wirtschaftlich zu schaden.

Hinzu kommt, dass die SPD den Drohnen-Deal im Wahlkampf gegen die CDU und gegen die derzeitige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) benutzt. Dabei ginge es dann nur um Wählerstimmen und nicht um die Frage, welche Drohne gut für die Bundeswehr wäre. Die SPD hat schon gezeigt, dass eine anti-israelische Politik bei ihren Wählern populär zu sein scheint.

Nachdem von der Leyen im Januar 2016 dem Jahre zuvor geäusserten dringenden Wunsch der Bundeswehr gefolgt ist, die israelische Drohne zu beschaffen und das mehrfach im Bundestag ausgiebig beraten worden war, hat das telefonische Schnellschussveto der SPD beim Besuch ihrer Vertreter in Israel einen ähnlichen Beigeschmack wie Gabriels Aktion mit Breaking The Silence.

Palästinensische Geschichte – garantiert „fakefrei“

Der Judaistik-Dozent Assaf Voll von der Universität Haifa veröffentlichte eine „Geschichte der Palästinenser seit dem Altertum bis heute“. Bei Amazon erreichte das Buch innerhalb kürzester Zeit den Platz Nr. 1 in der Rubrik Nahöstliche Geschichte. Dennoch nahm der Internet-Grossbuchhändler nach wenigen Tagen schon das Buch aus dem Programm. Empörte Kunden hätten sich beschwert: Sie sprachen von „Betrug“. Denn neben dem Titelblatt und der üblichen Warnung, keinen Teil des Buches zu kopieren oder elektronisch zu verbreiten, enthielt das Werk in der Hebräischen Ausgabe 120 leere Seiten. Obgleich der Autor laut Vorspann bei Amazon jahrelang in aller Welt in Archiven und Bibliotheken geforscht habe, war es ihm nicht gelungen, das Buch mit Inhalt zu füllen. Denn nirgendwo konnte etwas zum „Beitrag der Palästinenser zur Menschheit“ in der alten Zeit finden. Bis in die Neuzeit seien die „Palästinenser“ nirgendwo erwähnt. Aber: Eine englische Fassung mit 132 Seiten gebe es schon, und eine deutsche Ausgabe sei in Vorbereitung!

Screenshot Amazon
Screenshot Amazon

Im Internet hat die Rücknahme des Buches durch Amazon widersprüchliche Reaktionen ausgelöst: Verärgerung bei pro-Palästinensern, die sich bei ihrer eigenen Propaganda und Geschichtsklitterung ertappt fühlten und Hohnlachen bei pro-Israelis. Ein Leser verlangte Übersetzungshilfe und einer kündigte sogar eine baldige „Lesereise“ des Autors an. Das Buch solle, so hiess es, einen Ehrenplatz im (noch leeren) Museum für palästinensische Geschichte in Bir Zeit bei Ramallah erhalten.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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3 Kommentare

  1. Herr Nu, Sie lümmeln sich nicht erst seid gestern hier herum und sollten
    somit wissen das ich in meinem Kommentar die deutschen, political
    correctness MSM, also die ARD German Television, Studio Tel Aviv
    andeutete. Eben weil diese “Qualitätsmedien“ mit deutschen GEZ-Zwangsgebühren als Staatssender selten genug, fair und neutral
    aus Israel berichten, und wenn dann nahezu ausschließlich nur pro
    palästinensisch. Nicht mehr und nicht weniger. Da Ihnen der Schuh
    offenkundig ganz wo anders drückt, sollten Sie sich korrekterweise
    direkt an Herr Sahm wenden.

  2. Ungeachtet der möglichen zweideutigen Auslegung Ihres Kommentars
    (könnte auch auf Herrn Sahm als Journalisten zutreffen)
    sei hier anzumerken,
    dass wohl ALLE “Protagonisten in Meinung” ihre kleinen Übertretungen
    begehen.
    Nehmen wir just diesen Artikel:
    Der werte Herr Sahm,
    (vielen Dank für die interessanten Infos ihrer letzten Deutschland-Tournee)
    kritisiert zu Recht die FAZ in ihrem Bemühen,
    mittels Konjunktiv und Behauptung die Wahrheiten um Geschehnisse in
    Nahost zu manipulieren.
    Er geht aber in ebendiesem Artikel hin und weiß entgegen jeder
    Logik und Wahrscheinlichkeit,
    dass das “Assad-Regime” Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung einsetzt.

    Nun, Herr Kirch,
    wollen Sie immer noch,
    dass westliche Journalisten für einseitige Berichterstattung
    “zur Rechenschaft gezogen” werden?

  3. Wann werden die in Israel ansässigen, westlichen Journalisten endlich mal für ihre einseitige palästinensische oder bewusst inkorrekte Berichterstattung zur Rechenschaft gezogen? :/

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