Wie Hamas den Gazastreifen in den Ruin treibt

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Hamas-Chef Ismail Haniyya. Foto Shehab
Hamas-Chef Ismail Haniyya. Foto Shehab
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Als Alexander der Grosse von Syrien nach Ägypten marschierte, war seine Armee so gefürchtet, dass sich eine Stadt nach der anderen kampflos ergab. Eine Stadt aber kämpfte: Gaza. Die zwischen Ägypten und Israel versteckte Stadt wurde ohne Schwierigkeiten besiegt, ihre Führer an ein Pferd gebunden und durch die Strassen geschleift. So erinnerte Alexander Gaza daran, dass es keine Macht und nicht einmal ein Land ist, sondern die Türschwelle eines anderen Landes: Ägypten.

In späteren Jahrhunderten schien Gaza das verstanden zu haben und setzte seine Position zwischen Reichen und Kontinenten zu seinem Nutzen ein. In den Tagen Jesu etwa war es der Endpunkt einer Handelsroute, auf der Gewürze, Parfüms und Asphalt von Indien durch das nabatäische Königreich über Afrika nach Griechenland gebracht wurden.

Das heutige Gaza zieht seine Inspiration aus jenem Gaza, das den Krieg wählte; seine fundamentalistischen Führer provozieren Nachbarn, missbrauchen seine Ressourcen, verprellen Verbündete und führen den Streifen in den ökonomischen Ruin.

2005, nachdem Israel sich in einem einseitigen Schritt aus dem 365 km² grossen Streifen zurückgezogen hatte, fiel der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) die Chance zu, den mediterranen Küstenstrich zu stürmen und seine 1,8 Millionen Einwohner wohlhabend zu machen. Tragischerweise legte die PA für zwei Jahre die Hände in den Schoss, bis die islamistische Hamas in einem Putsch, der 160 Menschenleben kostete – darunter etliche PA-Offizielle, die von Gazas Dächern geworfen wurden – die Macht an sich riss.

Sprungbrett für Angriffe auf Israel

Die Hamas machte kein Geheimnis aus ihrer Entschlossenheit, den Streifen als Sprungbrett für Angriffe auf Israel zu nutzen, eine Strategie, die zu wiederholtem Raketenbeschuss israelischer Städte und zwischen 2008 und 2014 zu drei Kleinkriegen mit der IDF führte.

Die Konfrontationsstrategie der Hamas musste auf Kosten von Gazas Existenzgrundlage gehen, da sie Mittel von der industriellen Entwicklung und zivilen Diensten in nichtökonomische Anliegen wie die Herstellung von Raketen und das Graben von Tunneln nach Israel umlenkte.

Schlimmer noch, Gazas berufstätige Bevölkerung verlor israelische Arbeitgeber, sowohl innerhalb des Streifens, aus dem sich Israel zurückzog, als auch innerhalb Israels, wo Arbeiter aus Gaza verdächtigt werden, Terroristen zu sein.

Angesichts einer Führung in Gaza, die sich weigert, den jüdischen Staat anzuerkennen und offen sagt, dass sie auf dessen Zerstörung aus ist, suchte Israel nach einem Weg, Gazas Wirtschaft am Leben zu halten, ohne seine eigene Sicherheit zu gefährden.

Israel entschied sich dafür, dazu beizutragen, dass zivile Güter in den Streifen gelangen, gleichzeitig aber die Einfuhr von Waffen zu blockieren. Darum patrouilliert die israelische Marine Gazas Küste, während über den Landweg jeden Tag im Schnitt 175 LKWs Lebensmittel, Düngemittel, Haushaltsgeräte und andere Güter an der Grenzstation Kerem Shalom abladen.

Gazas anderes Tor für den Handel, in Rafah an der ägyptischen Grenze, ist seit 2015 die meiste Zeit geschlossen, da Ägypten die Hamas beschuldigt, mit dem Islamischen Staat in Sinai verbundene Terroristen zu beherbergen, die immer wieder ägyptische Soldaten und Zivilisten angreifen.

Hamas verliert Verbündete

Die Hamas hat Israel, Ägypten und die Palästinensische Autonomiebehörde provoziert. Unterdessen hat es eine Reihe von strategischen Verbündeten verloren.

Als 2011 der syrische Bürgerkrieg ausbrach, wettete die Hamas auf eine Niederlage von Bashar Assad und stellte sich offen auf die Seite der Fundamentalisten, die das Regime herausforderten. Assad vertrieb den Hamasrepräsentaten in der Folge aus Damaskus; zudem stellten die iranischen Gönner die Zahlung von jährlich 200 Millionen Dollar ein. Irans Zahlungen wurden kürzlich wiederaufgenommen, doch es ist nun weniger als die Hälfte der ursprünglichen Summe.

Zwei Jahre später musste die Hamas einen weiteren strategischen Schlag einstecken, als die ägyptische Muslimbruderschaft gestürzt wurde, zusammen mit dem wichtigsten diplomatischen Förderer der Hamas, Präsident Mohammed Mursi, der nun im Gefängnis sitzt.

Und schliesslich verliert die Hamas jetzt die wichtigste finanzielle Unterstützung, nämlich die Katars, denn das Königreich ist unter panarabischer diplomatischer Belagerung. Man nimmt an, dass die Scheichs jährlich 100 Millionen Dollar nach Gaza transferiert haben, dazu ein 350 Millionendarlehen nach Mursis Sturz 2013.

Es ist vor diesem Hintergrund militärischer Provokation, wirtschaftlicher Vernachlässigung und diplomatischer Krisen zu sehen, dass Gaza in den letzten Monaten immer mehr an Strom und Licht eingebüsst hat.

Dass Gaza seine Ressourcen für militärische Zwecke einsetzte, hinderte es daran, angemessen in die Infrastruktur zu investieren. Die Folge ist, dass das Abwassersystem vor dem Kollaps steht; das Wassersystem macht zu grossen Gebrauch von einem schwindenden Aquifer und zu wenig von Meerwasserentsalzung – und die Elektrizität entstammt einem einzigen Kraftwerk, das nur die Hälfte des Bedarfs decken kann.

Der restliche Strom kommt aus Israel und Ägypten, die jeweils 35 bzw. 15 Prozent von Gazas Elektrizität liefern. Den israelischen Teil bezahlt die PA, die dafür wiederum von der Hamas bezahlt wird. In den letzten Monaten hat die Hamas es versäumt, die PA zu bezahlen, und seit April produziert das Kraftwerk keinen Strom mehr.

Die Elektrizitätsproduktion des Gazastreifens sank von acht Stunden pro Tag auf vier. Etliche Wochen später forderte die PA Israel dazu auf, die Stromversorgung einzustellen. Israel kam dem widerwillig nach; Gazas Stromversorgung ging in der Folge von vier auf drei Stunden zurück.

Israel möchte die Stromversorgung wiederherstellen, sagt aber, dass seine Neutralität im innerpalästinensischen Machtkampf nicht bedeutet, dass es umsonst Brennstoff liefern wird, noch dazu an den Erzfeind, der sein Geld dazu benutzt, Raketen zu bauen und Tunnel zu graben.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Katarer für die Zahlungen einstehen. Diese hatten noch im Januar 12 Millionen Dollar gezahlt um das Kraftwerk am Laufen zu halten und letztes Jahr im Sommer 31 Millionen überwiesen, als der Hamas das Geld ausgegangen war, um ihre Angestellten zu bezahlen. Wer zahlen könnte, sind die Ägypter – doch das werden sie nur zu einem von ihnen bestimmten Preis tun.

Der Preis wird sein, dass die Hamas 17 Terrorverdächtige aushändigt; eine verstärkte ägyptische Präsenz an Gazas Grenzübergängen; und die Einsetzung von Mohammed Dahlan, einem früheren palästinensischen Minister und Rivalen von PA-Präsident Mahmud Abbas, als Minister in der Hamas-Regierung.

Es wird eine Weile dauern, aber am Ende wird Gaza wieder das sein, was es für Alexander war: Ägyptens Türschwelle.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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1 Kommentar

  1. Eine sehr nützliche und klar präzisierte Übersicht der momentanen Zustände in Gaza
    und der Tatsache, dass die Menschen in Gaza NICHT unter Israel oder einer
    Naturkatastrophe wie Dürre zu leiden haben.

    Das Leiden in Gaza trägt eine nur zu bekannte Bezeichnung – menschliches Versagen,
    hier in Form der Hamas.

    Wann immer es heisst,
    die Menschen in Gaza würden leiden, so liegt dem ein Vergleich mit dem Leben in
    modernen Gesellschaften zugrunde.

    ABER …
    … moderne Gesellschaften haben eine moderne Infrastruktur mit ausgeprägten
    Fachbereichen wie Technik und Verwaltung.
    Die Hamas lässt in den Schulen den Hass auf Israel lehren und die Unterordnung
    der Frauen unter die Männer, es gilt die Scharia.
    Geneigter Leser,
    sehen Sie sich auf der Welt um – die erfolgreichen und hochentwickelten
    Industriestaaten haben alle ihre Frauen gleichberechtigt.
    Gaza fehlt es an Fachkräften wie Ingenieuren und den üblichen Garanten
    von Infrastruktur.
    Ist das die Schuld Israels?
    Hatte Israel die gottverfluchte Scharia in Gaza eingeführt?

    Nun, nach dem Bildungsstand der Bewohner Gazas sehen Sie, geneigter Leser,
    sich doch einmal die Führung der Hamas selber an:
    da gibt es keine modernen Denker, keine wohlstudierten Visionäre in der
    “zweiten Führungsebene”, der Ebene, die Entscheidungen von oben
    tatsächlich umsetzt!
    Vielmehr haben die Bewohner Gazas dort Führungskräfte,
    die wild mit Messern herumfuchteln und stolz Maschinenpistolen tragen.

    Und das Schlimmste in Gaza: die Menge jubelt!

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