Die falsche Auslegung der deutschen Regierung von Frontorganisationen

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Foto Screenshot Youtube
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Während des jüngsten Besuchs des deutschen Aussenministers Sigmar Gabriel am Dienstag, dem 25. April, kam es zu einer ernsten diplomatischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Deutschland, als der Gastgeber, der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, darum bat, Gabriel möge sich nicht mit „Breaking the Silence“ treffen, einer Organisation, die angeblich Menschenrechte verteidigt. Als Aussenminister Gabriel die Bitte ignorierte, sagte Premierminister Netanjahu sein mit dem deutschen Gast geplantes Treffen ab. Dies führte zu grösseren diplomatischen Spannungen.

von Dr. Joel Fishman

Die israelische Presse beschuldigte den Premierminister, einen billigen Triumph anzustreben und Redefreiheit und Demokratie in Israel einzuschränken. Zwei offizielle deutsche Stellungnahmen sind bezeichnend. Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Es sollte für ausländische Besucher nicht problematisch sein, sich mit kritischen Vertretern der Zivilgesellschaft zu treffen.“ Und am Abend des 7. Mai sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in Israel: „In meinen Augen verdienen zivilgesellschaftliche Organisationen, die Teil einer gesellschaftlichen Debatte sind, unseren Respekt als Demokraten auch dann, wenn sie einer Regierung kritisch gegenüberstehen – in Deutschland, aber auch hier in Israel.“ Solche Aussagen mögen gut gemeint sein, spiegeln jedoch einen erheblichen Mangel an Verständnis der politischen Bedingungen in Israel wider.

Das Problem ist, dass unsere deutschen Freunde (und auch viele Israelis) den Unterschied zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Frontorganisationen nicht verstehen. Sie sind nicht das Gleiche und dienen unterschiedlichen Zielen. Gemäss dem New Fontana Dictionary of Modern Thought können Freiwilligenorganistaionen und Bürgervereinigungen etwa politische Parteien, Gewerkschaften, religiöse Organisationen sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen sein, wie man sie in liberalen Gesellschaften findet. Obwohl sie öffentlich sind, handelt es sich nicht um offizielle oder Regierungsstellen. Sie ermöglichen Bürgern, ohne staatliche Einmischung, Fragen von öffentlichem Interesse zu diskutieren und an der Zivilgesellschaft teilzuhaben.

Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen in einer Demokratie tatsächlich eine wichtige Rolle. Nach dem Untergang der Sowjetunion war eine der wichtigsten Entwicklungen die Wiedergeburt der Zivilgesellschaft im früheren Ostblock.

Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten nicht mit Frontorganisationen verwechselt werden, deren Ziele die Schwächung des bestehenden Systems und die Destabilisierung der Demokratie sind. Robert Conquest definierte die Frontorganisation wie folgt: „Eine Organisation, die als Deckmantel für Ziele und Aktivitäten dient, die sich von ihren offiziellen unterscheiden; insbesondere eine vordergründig nicht-kommunistische Organisation mit liberalen, religiösen oder anderen öffentlichen Personen guten Willens als führenden Figuren, die tatsächlich aber von den Kommunisten kontrolliert wird. Frontorganisationen in letzterem Sinn wurden in den 1930er Jahren vom Propagandagenie der Komintern [1.Kommunistische Internationale, abgekürzt Komintern (1919-1943) war eine internationale kommunistische Organisation welche die Idee des Weltkommunismus propagierte und verbreitete, vor allem durch die  Zusammenarbeit mit kommunistischen Parteien im Ausland. Sie beabsichtigte “mit allen Mittelen zu kämpfen, auch mit Waffen, für den Umsturz der internationalen Bourgeoisie und für die Erschaffung einer internationalen sowjetischen Republik als Übergangsstufe zur kompletten Abschaffung des Staates. Die Komintern hielt zwischen 1919-1935 sieben Weltkongresse und wurde offiziell im Jahr 1943 durch Joseph Stalin aufgelöst. (Durch den Autor leicht abgeänderte Wiki-Definition)], Willi Münzenberg, erdacht, mit Zielen wie der Unterstützung der spanischen Republik, der Rechtfertigung der Moskauer Prozesse und (in England 1940) der Befürwortung eines Friedens mit Deutschland.“

"Breaking the Silence“ mit Gästen auf Tour in Hebron. Foto „Breaking the Silence“ / Facebook
“Breaking the Silence“ mit Gästen auf Tour in Hebron. Foto „Breaking the Silence“ / Facebook

“Immer noch radikale Linke”

Die Komintern ist Geschichte und vergangen, aber die Frontorganisationen von heute verwenden immer noch die klassischen Methoden von Willi Münzenberg. Viele ihrer Organisatoren sind immer noch radikale Linke. Sie arbeiten mit Täuschung, wenn sie behaupten, sich für die hohen Ideale der Menschenrechte einzusetzen, in Wirklichkeit jedoch Staatsfeinde sind. Sie betreiben einen politischen Krieg, dessen Zweck es ist, den jüdischen Staat Israel zu delegitimieren und zu schwächen. Sie behaupten, „Whistleblower“ zu sein, versuchen aber, Missstände, die es in jeder Gesellschaft gibt und die tatsächlich bekämpft werden sollten, auszunutzen. Sie versuchen, solche Missstände im Bewusstsein der Öffentlichkeit wach zu halten und die Spaltung innerhalb der israelischen Gesellschaft zu vertiefen. Sie versuchen, das starke Solidaritätsgefühl und die Verantwortung, die man in Israel füreinander empfindet, zu untergraben. Mit ihren Aktionen versuchen sie, den israelischen Streitkräften und der Polizei den Einsatz von Gewalt zu versagen, wenn dies notwendig wäre, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Durch die Delegitimierung des Staates und die Behauptung, er habe grundsätzlich keine Werte, versuchen sie, die Öffentlichkeit zu demoralisieren und das Gefühl zu verbreiten, dieser Staat sei es nicht wert, für ihn zu kämpfen.

Die Minderheit einer Elite in Israel, die solche Frontgruppen organisiert, hat nicht die Unterstützung der Bevölkerung und könnte in freien demokratischen Wahlen niemals die Macht erringen. Das erklärt ihre Methoden, die auf der Behauptung beruhen, der Zweck heilige die Mittel. Dies ist auch einer der Gründe, warum Frontorganisationen in Israel zu ausländischer Einmischung in die israelische Innenpolitik einladen und ermuntern. Nicht zuletzt brauchen sie Geld und politische Unterstützung von aussen.

Abgesehen davon, dass es von entscheidender Bedeutung ist, den Unterschied zwischen zivilgesellschaftlichen und Frontorganisationen zu kennen, hätte dieser unerfreuliche diplomatische Vorfall vermieden werden können, hätte sich der deutsche Aussenminister als guter Gast verhalten und den grundlegenden Respekt gezeigt, den ein Diplomat auf Besuch seinem Gastgeber, in diesem Fall dem israelischen Premierminister, erweisen sollte.

Dr. Joel Fishman ist ein Historiker und Fellow des Jerusalem Center for Public Affairs. Er promovierte in moderner europäischen Geschichte an der Columbia University.