Israel, Prostatakrebs und Soft-Boykott

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Avigdor Scherz und Yoram Salomon vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot. Foto Weizmann-Institut
Avigdor Scherz und Yoram Salomon vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot. Foto Weizmann-Institut
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Nachdem die britische medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ Ende letzten Jahres über einen bahnbrechenden neuen Therapieansatz bei Patienten mit Prostatakrebs berichtet hatte, erfuhr auch die breitere Öffentlichkeit durch Artikel in Zeitungen, Wochenzeitschriften und dem Rundfunk davon. Doch dass diese in Israel entwickelt worden ist, wurde dabei zumeist verschwiegen.

Darauf macht der in London erscheinende „Jewish Chronicle“ in seiner jüngsten Ausgabe aufmerksam. Es sei „keineswegs das erste Mal, dass israelische Forschungsleistungen verschwiegen werden“ und werde „auch nicht das letzte Mal sein“, so der Autor des Beitrags, Stephen Pollard. „Über die riesige und in keinem Verhältnis [zur Grösse des Landes] stehende Menge der aus Israel kommenden wissenschaftlichen Durchbrüche wird berichtet, als wären sie einfach durch Zauberei entstanden, der israelische Ursprung wird ignoriert“, kritisiert Pollard.

Der medizinische Durchbruch, um den es hier geht, ist der folgende. Entdeckt der Arzt bei einem Patienten Prostatakrebs, dann wird heutzutage nicht immer sofort eine Tumorbehandlung (Operation, Bestrahlung) eingeleitet. Denn diese birgt für den Betroffenen das Risiko von Inkontinenz und Impotenz – Nebenwirkungen, die man einem Teil der Patienten zumindest eine Zeitlang ersparen kann. Zeigt der Tumor sehr geringe Aktivität, dann kann die Behandlung aufgeschoben werden oder wird vielleicht sogar niemals notwendig. Anstelle der oben genannten Therapien entscheidet sich der Arzt also in einem solchen Fall zunächst für das sogenannte „aktive Beobachten“.

Ergeben die Beobachtungen dann aber irgendwann, dass das Tumorwachstum voranschreitet, werden die aggressiveren Mittel fällig. Eine aus Israel stammende Therapie, die auf langjährigen Forschungen von Avigdor Scherz und Yoram Salomon vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot beruht, kann in Zukunft vielleicht vielen jener an Prostatakrebs erkrankten Männern, die unter aktive Beobachtung gestellt werden (nicht jenen, bei denen sofortiges Handeln erforderlich ist) spätere, stärker invasive Eingriffe ersparen – und damit das Risiko der oben genannten Nebenwirkungen.

Es handelt sich um eine photodynamische Therapie, d.h. dass dem Patienten ein Mittel (Photosensitizer) injiziert wird, das unter Einwirkung von Licht eine toxische Reaktion im Gewebe auslöst. So kann die Wirksamkeit einer Behandlung auf einen Ort beschränkt werden. In der Dermatologie wird diese Therapie bereits zur Behandlung von Hauttumoren eingesetzt.

Scherz und Salomon haben erstmals eine solche Therapie zur Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt. Sie basiert auf einer lichtempfindlichen Substanz namens Padeliporfin, die zuerst bei Bakterien entdeckt wurde, die tief im Meer leben, dort, wo nie Sonnenlicht hinkommt. Setzt man diese Bakterien Licht aus, produzieren sie giftige Sauerstoffverbindungen (Radikale). Um Licht an die vom Krebs betroffene Stelle der Prostata zu bringen, werden Laser und Glasfasersonden eingesetzt.

Die Effektivität der photodynamischen Therapie mit Padeliporfin ist durch eine klinische Phase 3-Studie bestätigt worden: Nach der photodynamischen Therapie mit Padeliporfin kam es nur bei 58 von 206 Patienten (28 Prozent) zu einer Tumorprogression, während dies bei 120 von 207 Patienten (58 Prozent) der Fall war, die unter „aktiver Überwachung“ standen. Bei 49 Prozent der Behandelten verschwand der Tumor vollständig. Nur bei sechs Prozent der Behandelten musste später die Prostata entfernt werden, verglichen mit 30 Prozent derer, die die Therapie nicht erhielten.

Über diese erfolgreiche Studie berichtete Ende letzten Jahres die britische medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“. Daraufhin erfuhr durch Presse, Rundfunk und Internet auch eine breitere Öffentlichkeit von dieser Therapie, die in Zukunft vielleicht Hunderttausenden von erkrankten Männern in aller Welt Beschwerden und Angst ersparen kann. In Deutschland berichteten u.a. der Berliner „Tagesspiegel“ und die Website heilpraxis.net. Im englischsprachigen Raum war die Resonanz noch wesentlich grösser; neben der britischen BBC berichtete etwa die Tageszeitung „Guardian“ oder auch die „Times of India“.

Doch schaut man sich die Berichte an, entdeckt man einen grossen Unterschied: Die „Times of India“ würdigt ausdrücklich die Forschung des Weizmann-Instituts; die BBC schreibt in ihrem sehr ausführlichen Bericht erst ganz am Ende lapidar: „Diese Technologie wurde am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Israel entwickelt“; im „Guardian“ und in vielen anderen Berichten gibt es überhaupt keinen Hinweis darauf, wer die Methode erforscht und entwickelt hat.

“Es ist das, was ich die Strategie des weichen Boykotts nenne”

„Ich wünschte, ich könnte glauben, dass es sich um einen blossen Fehler handelt“, kommentiert Pollard, „dass es einfach ein Zufall ist, dass die israelischen Ursprünge dieses medizinischen Durchbruchs weggelassen werden“. Doch das könne er leider nicht. „Es passiert zu oft und zu regelmässig, als dass es ein Zufall sein könnte. Es ist das, was ich die Strategie des weichen Boykotts nenne.“

Die BDS-Kampagne, erklärt Pollard, sei so offensichtlich rassistisch und antisemitisch, dass einige der Leute, denen es lieber wäre, wenn Israel nicht existieren würde – und von denen gebe es in der Medienbranche leider viele – nach einer anderen Strategie suchten, so Pollard. „Sie ignorieren alles auch nur annähernd Positive über Israel und fokussieren sich nur auf schlechte Nachrichten, die in ihre Anti-Israel-Agenda passen.“ So könnten sie steuern, wie Israel von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Pollard bat das Weizmann-Institut um eine Stellungnahme. Auch dort hat man bemerkt, wie die Leistungen der israelischen Wissenschaftler geschmälert oder ignoriert werden. „Wir waren natürlich enttäuscht, dass es der Berichterstattung über die bahnbrechende Behandlung von Prostatakrebs möglich ist, jeglichen Hinweis auf die fundamentale Rolle wegzulassen, die israelische Wissenschaftler dabei gespielt haben“, zitiert Pollard einen nicht namentlich genannten Sprecher.

„Die Entdeckung dieser TOOKAD genannten Medikaments – das hebräische Wort für Licht – ist das Ergebnis von über 15 Jahren mühevoller Forschung von Avigdor Scherz und Yoram Salomon am israelischen Weizmann-Institut für Wissenschaften. Es war enttäuschend, wenn auch nicht völlig überraschend, dass die Medien diese Tatsache für nicht der Erwähnung wert erachten.“

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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