Israels Sicherheit ist für Amnesty International kein Thema

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Hamas Terrorristen mit einer M-75 Rakete in Gaza. Foto Emad Nassar/Flash90
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Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert die Aussetzung von US-Militärhilfen an Israel.

von Jérôme Lombard

„Sie sollten die kürzlich mit der israelischen Regierung im Rahmen der neuen 10-Jahre-Abmachung vereinbarten Milliarden von Dollar an militärischer Unterstützung für Israel streichen.“ So heisst es in einem offenen Brief, den der amerikanische Landesverband der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ (AI) Mitte Oktober an US-Präsident Barack Obama geschickt hat.

Das Schreiben nimmt Bezug auf die im September zwischen Israel und den USA vereinbarten 38 Milliarden Dollar (etwa 34 Milliarden Euro) an Militärhilfen, die die Vereinigten Staaten Israel ab 2019 bis ins Jahr 2028 gewähren wollen. Der Milliardendeal ist die bisher grösste amerikanische Militärunterstützung für ein einzelnes Land überhaupt. Die Forderung nach einem Stopp der Hilfen begründet AI in seinem Brief wie folgt: Durch die beschlossene militärische Unterstützung für Israel trage die amerikanische Regierung zur Fortdauer der humanitären Krise in den besetzten Palästinensergebieten bei. Die von den USA bereit gestellten Waffensysteme samt Munition und Sprit, würden Israel seine anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zusätzlich erleichtern.

Der Brief ist Teil der Kampagne der Menschenrechtsorganisation, die Präsident Obama dazu bewegen soll, in seinen letzten 100 Tagen als amtierendes amerikanisches Staatsoberhaupt drei der aus Sicht von Amnesty International drängendsten politischen Herausforderungen zu erledigen: Schliessung des Hochsicherheitsgefängnisses in Guantanamo, grosszügiger Schutz für Asylsuchende aus Zentralamerika und eine Aussetzung von Militärunterstützung an Staaten, die die Menschenrechte mit Füssen treten. Neben Israel nennt AI explizit den US-Verbündeten Saudi-Arabien. Sowohl der wahabitisch-absolutistischen Monarchie Saudi-Arabien als auch der parlamentarischen Demokratie Israel werden gleichermassen Menschenrechtsverletzungen im Zuge aktueller militärischer Auseinandersetzungen zur Last gelegt. Freilich ohne, dass diese genauer benannt werden. Der Leser des Briefs muss sich das Gemeinte selber zusammen reimen. Im Falle Saudi-Arabiens könnten die wiederholten Bombardierungen von Zivilisten im benachbarten Jemen gemeint sein. Und im Falle Israels?

Das jetzt vereinbarte und von AI so scharf kritisierte militärische Unterstützungspaket soll nach Aussage der amerikanischen nationalen Sicherheitsberaterin, Susan Rice, in erster Linie die israelische Flugzeugflotte der Luftwaffe aufstocken und technisch überholen sowie das Iron-Dome-Raketenabwehrsystem verbessern. Damit soll der in höchsten Masse angespannten politischen Situation in der Region Rechnung getragen werden: Durch den auf absehbare Zeit nicht zu beenden Krieg im Nachbarland Syrien stehen zwei notorisch-antisemitische und israel-feindliche Terrorgruppen, der „Islamische Staat“ (IS) und die vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Miliz vor Israels Toren. Sollten sich Verbände der Gruppen der israelischen Grenze nähern, sind Luftschläge legitim und völkerrechtskonform. Noch nicht gesprochen von der den Gaza-Streifen kontrollierenden Hamas im Verbund mit anderen islamistischen Gruppen, die immer wieder Raketen auf israelisches Gebiet abfeuern und ein extrem teures, hoch sensibles Raketenabwehrsystem wie den Iron-Dome unabdingbar machen. Auf die Situation im Westjordanland beziehen sich die beiden militärischen Komponenten – Luftwaffe und Raketenabwehr – nicht.

Der von AI angeführte Punkt, dass die im September vereinbarte US-Militärunterstützung die humanitäre Lage in den Palästinensergebieten verschlechtern werde, geht folglich völlig an den erklärten Zielsetzungen der 10-Jahre-Abmachung vorbei. Diese  Fehlinterpretation des Militärdeals, reiht sich ein in eine Serie von falschen Einschätzungen Amnesty Internationals mit Blick auf die Realitäten in Israel und dem Westjordanland. In ihrem im Frühjahr 2014 vorgestellten Jahresbericht beispielsweise, kritisierte die Menschenrechtsorganisation die Verbesserung der militärischen Ausrüstung der „Israeli Defence Forces“ (IDF) mit dem Argument, dass die Soldaten mit „rücksichtsloser Gewalt“ gegen palästinensische Zivilisten vorgehen würden. Die IDF beklagte eine willentliche Missachtung der Lage am Boden und verwies auf die massiv angestiegene Gewalt gegen israelische Sicherheitskräfte im Vorjahr.

Ein weiteres Beispiel: Der AI-Bericht mit dem Titel „Black Friday: Carnage in Rafah“ von 2015. Hierin wirft die Menschenrechtsgruppe den israelischen Streitkräften einseitig Kriegsverbrechen (Bombardierung ziviler Objekte und Krankenhäuser) während der militärischen Auseinandersetzungen mit der Hamas im Gaza-Streifen im Sommer 2014 vor. Gänzlich unerwähnt bleibt in dem Bericht, dass die Hamas während der Auseinandersetzung wiederholt Krankenhäuser als Raketenlager genutzt und Zivilisten bewusst als menschliche Schutzschilde missbraucht hat. Mit Auslassung derartiger Fakten, muss sich AI den Vorwurf einer überaus einseitigen Lageanalyse zu Ungunsten Israels gefallen lassen.

Das aktuelle militärische Massnahmenpaket ist für Israels Sicherheit mit Ausblick auf die kommenden Jahre von zentraler Bedeutung. Eine Ablehnung oder die Forderung nach Aussetzung mit Verweis auf humanitäre Beweggründe, ist nicht nur unbegründet, sondern gefährlich. Noch-Präsident Obama hat zu dem Brief und den darin von Amnesty International formulierten Forderungen keine Stellungnahme abgegeben. Dass dies noch geschieht, darf bezweifelt werden. Nach dem Wahlsieg Donald Trumps dürften dem Demokraten ganz andere Dinge durch den Kopf gehen.