Historische Gerechtigkeit und die Legitimität Israels

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Provinzen im Osmanischen Reich 1909. Foto Patten, William and J.E. Homas - University of Alabama Map Library, Public Domain.
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Mehr als ein Jahr vor der Balfour-Deklaration teilten Grossbritannien und Frankreich im Januar 1916 heimlich grosse Teile arabischen Territoriums im Osmanischen Reich unter sich auf.

von Mordecai Paldiel

Als neueste Wendung im Versuch, die Legitimität Israels infrage zu stellen, rief der Aussenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Riyad al-Maliki, die Arabische Liga dazu auf, bei der Erstellung einer Rechtsakte mitzuwirken, um die britische Regierung für die Abgabe der „katastrophalen“ Balfour-Deklaration vor fast 100 Jahren zu verklagen (Jerusalem Post, 27.07.2016). Würde Maliki die historischen Daten sorgfältiger prüfen, müsste er eventuell andere Schlüsse ziehen.

Mehr als ein Jahr vor der Balfour-Deklaration teilten Grossbritannien und Frankreich im Januar 1916 grosse Teile arabischen Territoriums im Osmanischen Reich heimlich unter sich auf. Durch das Sykes-Picot-Abkommen sollte Grossbritannien den grössten Teil des heutigen Irak, Palästinas und des Gebiets, das heute das Königreich Jordanien ist, erhalten, während Frankreich Syrien, den Libanon und das Gebiet Mossul im Nordirak bekommen sollte. Die Entscheidung war also bereits vor jeglicher pro-zionistischen Deklaration zwischen den beiden damaligen Supermächten gefallen.

Zuvor, im Oktober 1915, hatte Henry McMahon, der britische Hochkommissar für Ägypten, in einem ebenfalls geheimen Briefwechsel mit Hussein bin Ali, dem haschemitischen Sherif (geistlichen Führer) der heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina britische Hilfe bei der Errichtung eines arabischen Königreiches versprochen, das das Gebiet der arabischen Halbinsel und Syrien umfassen sollte, mit Ausnahme von „Teilen Syriens westlich der Bezirke von Damaskus, Homs, Hama und Aleppo“. Als Gegenleistung sollten die Araber im Krieg gegen die Türkei auf der Seite Grossbritanniens kämpfen. Während die Araber darauf bestanden, dass dies Palästina mit einschliesse, bestritt McMahon, der französische Interessen in Syrien und dem Libanon im Sinn hatte, dies später.

Tatsächlich wurde der zionistische Führer Chaim Weizmann bei seinem Treffen mit Faisal, dem Sohn Husseins, auf dessen militärischem Aussenposten in Aqaba im Juni 1918 freundlich empfangen und man gab ihm zu Ehren ein prunkvolles Bankett. Im Dezember 1918 trafen sich die beiden in Vorbereitung der Friedenskonferenz von Versailles erneut in London. Bei einem Mittagessen zu seinen Ehren fand Faisal, der designierte nationale Führer der Araber, lobende Worte für das Vorhaben der Zionisten.

“Eingedenk der ethnischen Verwandtschaft und der historischen Verbundenheit zwischen den Arabern und dem jüdischen Volk”

Er erklärte, „kein wahrer Araber kann dem jüdischen Nationalismus mit Argwohn oder Furcht gegenüberstehen … Wir fordern Freiheit für die Araber und würden uns ihrer unwürdig erweisen, wenn wir nicht, wie ich es jetzt tue, die Juden zu Hause willkommen heissen und mit ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des arabischen Staates zusammenarbeiten würden.“ „Unsere beiden Bewegungen ergänzen einander“, unterstrich Faisal. „Die jüdische Bewegung ist national und nicht imperialistisch.“

Einen Monat später begann ein am 4. Januar 1919 von Weizmann und Faisal gemeinsam unterzeichnetes Dokument mit den Worten: „Emir Faisal…Dr.Chaim Weizman … eingedenk der ethnischen Verwandtschaft und der historischen Verbundenheit zwischen den Arabern und dem jüdischen Volk und in der Erkenntnis, dass das sicherste Mittel zur Erfüllung der nationalen Bestrebungen beider Völker eine möglichst enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung des arabischen Staates und Palästinas ist“, vereinbaren unter anderem ein Recht zur freien Einwanderung von Juden nach Palästina und zur Niederlassung im Land.

In seiner Vereinbarung mit Weizmann implizierten die Worte „des arabischen Staates und Palästinas“ zwei separate Gebilde, wobei Faisal zustimmte, dass Palästina das Territorium der Juden werden sollte, getrennt vom neuen arabischen Staat. Faisal jedoch, misstrauisch gegenüber französischen Ansprüchen in Syrien und Libanon, versah die arabische Fassung mit dem Zusatz: „Sobald die Araber ihre Unabhängigkeit erlangt haben … werde ich die Klauseln dieses Vertrages wirksam machen.“

Mit anderen Worten: würde das versprochene arabische Königreich, ohne Palästina, nicht realisiert werden, würde das Abkommen mit der zionistischen Bewegung annulliert. Einen Monat später, am 6. Februar 1919, als Faisal vor der Friedenskonferenz auftrat, sprach er von Palästina als der Enklave der „zionistischen Juden“. Aber er erwartete von den Zionisten auch diplomatische Unterstützung gegen die Franzosen und stellte sich deren Forderungen nach Syrien (allenfalls mit Ausnahme des Libanon) entgegen.

Zuhause in Mekka entbot Sherif Husseins Zeitung den aus dem Exil Heimkehrenden, „den ursprünglichen Söhnen des Landes, von denen ihre arabischen Brüder materiell und spirituell profitieren werden“ ein herzliches Willkommen.

Ein Jahr später jedoch, als Faisal in Damaskus, der Hauptstadt des alten arabischen Reichs der Umayyaden, zum König gekrönt worden war, wies man ihn an, sich den Franzosen zu unterwerfen. Als er sich weigerte, wurde er des Landes verwiesen. Sein Bruder Abdullah entschloss sich, an der Spitze arabischer Streitkräfte im heutigen Jordanien Rache für die Demütigung seines Bruders zu üben, indem er die Franzosen militärisch herausforderte. Er wurde im letzten Moment vom britischen Kolonialminister Winston Churchill gestoppt, der zur Beschwichtigung der beiden Brüder zu einem cleveren Trick griff.

Abdullah sollte mit finanzieller Hilfe der Briten König eines neu geschaffenen Landes namens Transjordanien (heute Jordanien) werden, wo sich seine Truppen befanden, während sein Bruder, der abgesetzte Faisal, als König des Irak gekrönt werden sollte, der nun auch die Region Mossul im Norden umfasste, losgelöst von den Franzosen.

So war ein Krieg zwischen Arabern und Franzosen vermieden worden. Gleichzeitig jedoch hatte sich das versprochene arabische Königreich nicht realisiert.

Die zionistische Bewegung hatte mit dieser Änderung des Verlaufs der arabischen Bestrebungen nichts zu tun. Die Schuld ist bei den Gestaltern des Sykes-Picot-Abkommens zu suchen, nicht bei Lord Balfour, dessen pro-zionistische Deklaration Faisal, der zu diesem Zeitpunkt vorgesehene Führer der arabischen Nationalbewegung, nicht in Frage stellte.

Maliki sollte dann empfohlen werden, sich mit seinen Anschuldigungen an die Briten und Franzosen zu wenden, diejenigen, die die Bestrebungen zu einer arabischen Einheit am Ende des ersten Weltkrieges unterminierten anstatt sich gegen die Balfour-Deklaration von 1917 oder die zionistische Bewegung zu richten, die beim Sykes-Picot-Abkommen von 1916 keine Rolle spielte und nicht einmal Kenntnis davon hatte.

Der Autor ist ein anerkannter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Rettung von Juden während des Holocaust und der Geschichte des Zionismus und des arabisch-israelischen Konflikts. Gegenwärtig lehrt er am Stern College der Yeshiva University und am Touro College in New York. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Jerusalem Post.

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