Wie die UNESCO die Geschichte ausradiert

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Yair Lapid am 21. März 2016 vor dem Sitz des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) in Genf. Foto GRA
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Bob Dylan, der gerade den Literaturnobelpreis 2016 erhalten hat, schrieb einst einen wundervollen Song mit dem Titel „Forever Young“. Er beginnt mit den Worten: „Möge Gott dich stets segnen und behüten, mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen.“

von Yair Lapid

Laut Dylan entnahm er diese wundervollen Zeilen einem uralten jüdischen Gebet, das erstmals im 4. Buch Mose, Kapitel 6, Vers 24 erwähnt wird. Dieses Gebet ist der erste überhaupt je entdeckte Text aus der Heiligen Schrift. Man fand ihn eingeritzt in Silbertafeln aus der Zeit des Ersten Tempels. Fundort war eine Höhle in Jerusalem und der Text war in althebräischer Schrift verfasst. Wissenschaftler datierten die Schriften auf etwa 600 v. d. Z. Bereits damals war Jerusalem eine pulsierende jüdische Metropole, in der das Leben, Handel und Geschäfte, Gebete und selbst Streitigkeiten in hebräischer Sprache stattfanden.

Hebräisch war auch 600 Jahre später die Sprache Jesu, als er auf dem Rücken eines Esels in Jerusalem einzog.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum der jüngste Beschluss der UNESCO derart beleidigend und unerhört ist; er leugnet die Verbindung zwischen Jerusalem und den Juden (und dem Judentum). Seitens der UNESCO gab es keinerlei Bemühungen, diesen Entschluss zu erklären, stattdessen entschieden sie eigenmächtig, dass der Tempelberg und der angrenzende Platz an der Westmauer den Palästinensern gehören. Dabei verwenden sie ausschliesslich die arabischen Namen der beiden Orte (ungeachtet der Tatsache, dass die Al-Aqsa-Moschee ungefähr 1.300 Jahre später auf den Ruinen des jüdischen Tempels errichtet wurde).

Die UNESCO hat sich entschieden, die Geschichte, so wie sie wirklich war, einfach auszulöschen und zwar aus politischen Gründen. Im gleichen Atemzug hat sie ihre eigene Integrität, ihre Ziele und jedes möglicherweise noch vorhandene Vertrauen und allen Respekt gegenüber der Organisation zunichte gemacht.

Noch beschämender ist, dass demokratische Nationen mit einem Sinn für Geschichte – Länder wie Italien, Frankreich und Spanien – sich bei diesem Beschluss ihrer Stimme enthalten haben. Sind Europas Christen wirklich bereit, schweigend zuzusehen, wie 3.000 Jahre jüdischer Geschichte und 2.000 Jahre christlicher Geschichte einfach ausgelöscht werden? Ich bin mir bewusst, dass sich das anhört, als ob ich es absichtlich ins absurde Extrem treibe. Aber warum ist es absurd, wenn es um Europa geht, jedoch nicht, wenn jemand versucht, nicht nur Israels Gegenwart, sondern sogar seine Vergangenheit zu leugnen?

Diese Resolution ist so extrem und die Motive dahinter so offensiv, dass sie sogar innerhalb der UNESCO Unbehagen verursachte. Der Vorsitzende des Exekutivrats der UNESCO entschuldigte sich dafür und sagte hinsichtlich der jüdischen Verbindung zu Jerusalem, dass er „sich dessen durchaus bewusst“ sei „und es persönlich nie leugnen“ würde. Die Generaldirektorin der UNESCO, Irina Bokova, distanzierte sich von dem Beschluss und erklärte „Jerusalem ist die Stadt König Davids“. Ich ziehe vor beiden meinen Hut für ihre Ehrlichkeit. Dennoch unterstreicht sie nur den Wahnsinn: zwei führende Mitglieder der UNESCO müssen öffentlich die Wahrheit dessen bekennen, was in der Bibel und den Geschichtsbüchern geschrieben steht, weil die Organisation, der sie vorstehen, das Gegenteil behauptet.

Das hat mich allerdings nicht überrascht. Denn die krankhafte Fixierung einiger UN-Organisationen auf Israel ist kein Geheimnis. Im zurückliegenden Jahrzehnt hat der UN-Menschenrechtsrat 61 Resolutionen verabschiedet, in denen weltweit Menschenrechtsverletzungen angeprangert wurden, von den 400.000 Ermordeten in Syrien über Afghanistan bis hin zum Irak und in anderen Krisengebieten in der ganzen Welt. Im gleichen Zeitraum erliess die Organisation 67 Resolutionen gegen Israel. Das ist kein Druckfehler. Der UN-Menschenrechtsrat hat Israel, ein demokratisches Land, das internationales Recht wahrt und die Rechte von Minderheiten schützt, verurteilt und zwar häufiger als den gesamten Rest der Welt.

Auch andere UN-Organisationen haben bei diesem Wahnsinn mitgemacht. So gab beispielsweise die UN-Generalversammlung im Jahr 2014 insgesamt 24 Missbilligungserklärungen heraus, von denen sich allein 20 gegen Israel richteten, während nur eine einzige Syrien zum Inhalt hatte. Auch die Weltgesundheitsorganisation prangerte in ihrem jüngsten Bericht nur ein einziges Land an – Israel. Die Kritik konzentrierte sich auf das, was die Weltgesundheitsorganisation als die „israelische Besatzung der Golanhöhen“ bezeichnete. Sie erwähnte allerdings nicht die Tatsache, dass auf der anderen Seite der Golanhöhen, in Syrien, Zehntausende Kinder ermordet werden und dass die einzige Involvierung Israels in Gesundheitsprobleme darin besteht, dass wir verletzte Kinder aus Syrien zur Behandlung in unsere Krankenhäuser bringen.

Ich könnte noch weitere Beispiele anführen, aber ich denke, der Punkt ist klar. Die Tatsachen sind den verschiedenen UN-Organisationen offensichtlich egal. Sagt man ihnen aber nun, dass die einzig logische Erklärung dafür Antisemitismus ist, dann zeigen sie sich schockiert und sagen, es sei empörend, dass die Israelis dieses Argument immer wieder vorbringen. Wirklich?

Haben Sie eine andere Erklärung für diese obsessive Fokussierung auf eine Nation, eine Gruppe, einen Konflikt? Haben Sie eine andere Erklärung dafür, dass das einzige Land im Nahen Osten, das Religionsfreiheit für alle garantiert (oder fällt Ihnen noch ein anderes ein?) dasjenige ist, das Tag für Tag angegriffen wird?

Haben Sie eine andere Erklärung dafür, dass die UNESCO die Tatsache schlichtweg ignoriert, dass Israel und der jüdische Staat den Juden untersagen, auf dem Tempelberg zu beten, nur um das Feingefühl der Moslems nicht zu verletzen?

Haben Sie eine andere Erklärung dafür, dass in der Resolution verurteilt wird, dass die Juden, die den Tempelberg besuchen, „politisch rechts“ stehen, was eine eklatante Einmischung in die interne israelische Politik darstellt? Was geht es die UNESCO an, von welcher Seite der politischen Landkarte diese Menschen stammen? Wer hat diesen Satz in den Beschluss eingefügt?

Abgesehen jedoch von der Tatsache, dass die Resolution skandalös ist – sie ist auch gefährlich. Die Tempelberg ist der sensibelste Ort im Nahen Osten, vielleicht sogar in der ganzen Welt. Die Terrorwelle gegen Israel im vergangenen Jahr brach aufgrund von Verschwörungstheorien aus, die von islamistischen Fundamentalisten verbreitet wurden und denen zufolge Israel angeblich den Status Quo auf dem Tempelberg verändern wollte. Israel stellte fest und erklärte, dass wir keinerlei Absicht haben, den Status Quo zu verändern oder in die Rechte von Muslimen einzugreifen. In Israel bin ich Mitglied der Regierungsopposition, aber eines kann ich bezeugen und das ist, dass unsere Regierung die Wahrheit sagt und auch dazu steht, trotz aller Schwierigkeiten.

Wenn junge Palästinenser, die ohnehin schon durch die Aufhetzung gegen Israel angeheizt sind, einen Entschluss wie diesen von der UNESCO lesen, gelangen sie zu der Überzeugung, dass die Verschwörungstheorien wahr sind. Der nächste Schritt ist, dass sie sich ein Messer, eine Pistole oder einen Molotowcocktail nehmen und einen Terroranschlag verüben. Es werden also Menschen sterben. Unschuldige Menschen, die nichts Unrechtes getan haben, werden sterben. Das ist es nämlich, was für gewöhnlich passiert, wenn verantwortungslose Organisationen in komplexe Situationen involviert sind, die sie nicht verstehen.

Wenn der Exekutivrat der UNESCO dafür stimmt, diese Resolution zu ratifizieren, sollten die Länder, die sich zuvor der Stimme enthalten haben, ihre ehrliche Stimme abgeben und Stellung beziehen. Sie können sich für die Geschichte, Tatsachen und die Wahrheit einsetzen oder sie können zugeben, dass sie ein Problem mit den Juden haben – was nur eine weitere Erinnerung daran ist, warum unser Volk ein starkes und freies Land braucht.

Auf englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel. Knesset-Mitglied Yair Lapid ist Vorsitzender der Oppositionspartei Jesch Atid, ehemaliger Finanzminister und Mitglied des Sicherheitskabinetts; aktuell hat er einen Sitz im Knesset-Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung.

8 Kommentare

  1. Ein ganz starker Kommentar, werte Christin!
    Man kann, aber man muss weder Jude noch Christ sein um hier
    mit ganzem Herzen zu unterschreiben.

  2. Die sog. chrstlichen Nationen des Unesco-Exekutivrats haben mit ihrem Verhalten (Ja gesagt oder Stimmenthaltung) auch das Christentum verraten, das untrennbar mit dem Ort des jüdischen Tempels verbunden ist. Dass anschliessend kein Aufschrei z.B. seitens Weltkirchenrat erfolgte,erinnert an dessen anti-israelischen Programme, die via Mitgliedskirchen zahlreiche Menschen infizieren.

  3. Beispiele zu Hauf: Die Christenverfolgungen in der arabischen Welt und die Christen im Westen und die Führer dieser Nationen schauen zu und schweigen.
    Die jüdischen Stätten in Israel werden umbenannt, wie z.B. das Rahelsgrab, kein Mensch interessiert sich dafür. Das Josefsgrab in Nablus wird regelmäßig geschändet, kein Mensch interessiert es.
    Sagt irgendjemand aus dem Westen zu Abbas: hör zu, zwei Möglichkeiten hast du? Entweder du stellst die Hetze ein, die du im staatlichen Fernsehen, gut dokumentiert regelmäßig vom Stapel lässt und deine Jugendlichen zum Mord aufforderst und du bekommst weiterhin Geld für deine PA oder wir stellen es ein. Ne, interessiert nicht, auch nicht, dass mit dem Geld die Häftlingsgehälter bezahlt werden.
    Da bringt die ARD im Weltspiegel ein Lob auf die jüngste Journalistin der Welt, eine zehnjährige Palästinenserin. Frau Glass verschweigt aber die Hälfte des Namens des Mädchens, das nämlich aus dem berüchtigten Tamimi-Clan stammt und dessen Kinder zu Dutzenden im Einsatz gegen Israel. Soldaten verheizt werden. Hingestellt in die erste Reihe, um zu provozieren und wenn sich dann ein Soldat tatsächlich darauf einlässt, das Ganze filmt. Das Ganze nur zwei Monate nach dem Wasserbeitrag, für den die ARD jetzt durch den Verwaltungsrat des BR Mängel bescheinigt wurden und die nachbessern müssen. Nichts gelernt, aber auch gar nichts.
    Wo stehen wir denn mit unsrem Christentum, doch auf der Wurzel des Judentums. Und sind doch so bereitwillig, es zu verraten. Da steckt m.E noch viel von der Ersatztheologie drin. Aber wenn Gott sein Volk angeblich verstoßen hat, obwohl er einen ewigen Bund mit ihm geschlossen hat, einseitig übrigens, wo bleibt die Gewissheit für die Christen, dass er nicht irgendwann mal sagt, ich habe genug von euch, ich suche mir jetzt andere. Das Christentum hat sich mit der UNESCO-Resolution endgültig von der Weltbühne verabschiedet, durch die christlichen Länder, die für die Resolution gestimmt haben und denen, die sich enthalten haben.

  4. Etwa wie an der internationalen Konferenz in Evian 1938, als es um die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Nazideutschland ging – und nichts geschah!

  5. @ Mark Nu

    Wenn es bloß das Schmiergeld wäre – doch ich fürchte,
    dass man bei UNO und UNESCO solche Beschlüsse aus Überzeugung und
    Schlimmerem verbricht.

  6. Ein guter und schlüssiger Artikel
    – ist auch nicht von irgendwem geschrieben worden!

    Gut auch, dass der Artikelschreiber seine eigene politische Marschrichtung
    nicht zwischen die Zeilen geschrieben hat.

    Egal mit wem man in diesen Tagen über die Resolution spricht
    – das Ergebnis ist immer gleich:
    Zuerst sehen einen die Leute seltsam berührt an und vermuten,
    man wolle sie veräppeln oder auf irgendetwas ganz anderes hinaus.
    Dann verstehen sie, dass es Ernst ist und man sieht ihren Gesichtern an,
    wie verwirrt und verunsichert sie von diesem Gedanken sind,
    der Tempelberg in Jerusalem hätte nichts mit den Juden zu tun.

    Es gibt Punkte, da begrüße ich es, dass viele Araber kein Maß kennen
    – so wird wenigstens jedem auch ohne weitere Erläuterung klar,
    welche guten Gründe die UNESCO zu ihrem Entschluß geführt hatten:
    Schmiergeld!

    Wenn die arabischen Staaten nur einen bescheidenen Reichtum vorweisen könnten,
    der noch dazu für Aufbau und Erhalt der heimischen Wirtschaft benötigt würde
    – glauben Sie, dass dann so ein Hokuspokus in der UNESCO möglich gewesen wäre?!

  7. Das erinnert an die Umbenennung Judäas in “Palästina” (bezogen auf die früheren Feinde der Juden, die Philister) durch Kaiser Hadrian ca. 135 n.Chr. – um den Bezug der Juden zu ihren Land auszulöschen.

    Das römische Reich zerfiel in Schutt und Asche, das osmanische ebenfalls und das Britische Empire, das die auf dem gültigen Völkerbundmandat von 1922 basiertende rechtmässige jüdische Einwanderung massiv und brutal behindert hatte (trotz Balfour-Erklärung), gibt es nicht mehr. Wie in Jesaja 41 steht “Siehe, sie sollen zu Spott und zuschanden werden alle, die dir (Israel) feindlich gesinnt sind, sie sollen werden wie nichts…”. .

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