HEKS fordert „Ende der israelischen Blockade“

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Ein palästinensischer Arbeiter befestigt Zementsäcke auf einem LKW, nachdem dieser über den Kerem Shalom Übergang aus Israel im Gazastreifen eingetroffen ist. Foto Abed Rahim Khatib / Flash- 90
Lesezeit: 4 Minuten

Die christliche Menschenrechtsorganisation HEKS aus der Schweiz hat in einer Petition ein Ende der israelischen Blockade des Gazastreifens gefordert, um den Wiederaufbau zerstörter Häuser zu ermöglichen.

Indem HEKS alle Schuld für den schleppenden Wiederaufbau allein den Israelis in die Schuhe schiebt, übersieht die Organisation allgemein bekannte Fakten.

Der Gazastreifen grenzt sowohl an Ägypten wie auch an Israel. Doch HEKS erwähnt mit keinem Wort den einst blühenden Handel mit dem arabischen Nachbarland Ägypten und nicht einmal, dass Ägypten nach dem Sturz der Muslimbrüder unter Mohammed Mursi die Grenze „dicht“ gemacht hat. Vor allem sind unter dem aktuellen Präsidenten Ägyptens, Abd al-Fattah as-Sisi, alle Schmuggeltunnel vom Sinai nach Gaza zerstört oder geflutet worden, durch die einst Brennstoff, Zement, Bräute, Löwen und Luxuslimousinen geschmuggelt worden sind.

Um die Preise der von Ägypten geschmuggelten und mit hohen Abgaben der Hamas belegten Waren nicht zu verderben, hat die Hamas mit Raketenbeschuss und terroristischen Attacken erst das gemeinsame Industriezentrum bei Erez im Norden des Gazastreifens und dann auch noch den Warenterminal in Karni teilweise zerstört oder wegen akuter Lebensgefahr für die Arbeiter zur Schliessung gezwungen. Selbst der Warenterminal Keren Schalom am Länderdreieck Ägypten, Gaza, Israel wurde mehrfach mit Mörsern und Raketen beschossen.

Dieser Tage wurde in Israel eine Rekordzahl von Lastwagen gemeldet, die Waren von Israel in den Gazastreifen brachten. In der ersten Hälfte von 2016 seien 88’800 Lastwagen in die von der Hamas kontrollierten Enklave gefahren, pro Tag 700 LKWs. Die Türkei hat Materialien für 11 Projekte nach Gaza geschickt, darunter die Errichtung von Moscheen, Waisenhäusern und Gemeindezentren.

Auch Menschenrechtsorganisationen wie die britische Oxfam und die UNO zählen die Lastwagen und die Mengen der gelieferten Waren. Von einem Boykott kann also keine Rede sein. Die Lieferungen gingen auch während der Kriege weiter.

Bei HEKS wird nicht erwähnt, dass an internationale Organisationen gelieferte Baumaterialien wie Zement, Kiesel und Metalle von der Hamas für ihre Zwecke beschlagnahmt, geraubt oder sonst wie entwendet worden sind. Anders lässt sich nicht erklären, woher der Zement stammt, mit dem die neuen Angriffstunnel der Hamas befestigt werden. Und woher stammt der Zement für andere Projekte wie die Errichtung von Einkaufszentren und Villen in den reichen (unzerstörten) Vierteln?

Die UNO und andere Organisationen müssen sich verpflichten, den gelieferten Zement allein für akzeptierte Projekte zu verwenden. Da die Grenze zu Ägypten „dicht“ ist, gelangt Zement nur über Israel in den Gazastreifen. Israel hat aber aus verständlichen Gründen kein Interesse, die „Militärindustrie“ der Hamas zu fördern.

Immer wieder entdecken die Israelis, dass Warenlieferungen in den Gazastreifen auch für Schmuggel missbraucht werden. Unter Mehl- und Zuckersäcken entdeckten israelische Zöllner Materialien zur Herstellung von Sprengstoff oder Kraftstoff für Raketen, auseinandergenommene Drohnen und Zielfernrohre für Scharfschützen.

Neben der Türkei transportieren auch Jordanien und Katar Waren in den Gazastreifen. Die Türkei bringt deshalb einvernehmlich die Waren zum israelischen Hafen Aschdod, um sie von dort per Lastwagen in den Gazastreifen transportieren zu lassen.

Der Wiederaufbau kostet viel Geld. Aus einem dpa-Artikel vom 18.4.2016, der in der Neuen Zürcher Zeitung publiziert wurde: „Fast zwei Jahre nach dem Gaza-Krieg ist von Hilfszusagen in Milliardenhöhe weniger als die Hälfte eingegangen. Geberländer hätten für den Wiederaufbau des teilweise zerstörten Palästinensergebiets umgerechnet drei Milliarden Euro versprochen, hiess es in einem Bericht der Weltbank vom Montag, einen Tag vor einer Geberkonferenz in Brüssel. Bisher seien davon aber nur 1,2 Milliarden Euro – 40 Prozent – eingegangen. Der langsame Fluss des Geldes behindere den Wiederaufbau. Nur 9 Prozent der ganz zerstörten und 45 Prozent der teilweise zerstörten Häuser seien bisher wiederaufgebaut worden. 14 800 Familien hätten weiterhin keine feste Bleibe… Deutschland hat 88 Prozent von gut 55 Millionen Euro gezahlt. Die Türkei, ein wichtiger Verbündeter der Hamas, hat jedoch nur 32 Prozent von versprochenen 177 Millionen Euro gezahlt. Saudiarabien hat 10 Prozent von zugesagten 442 Millionen Euro übermittelt. Kuwait hat bisher gar nicht gezahlt.“

Die Petition blendet zudem aus, wer den letzten Gaza-Konflikt ausgelöst und durch ein Brechen der Waffenstillstände ganze 14 Mal unnötig verlängert hat. Ausgeblendet wird die Verantwortung der Hamas für einen Teil der Zerstörungen. So wurden ganze Strassenzüge in Richtung Israel untertunnelt. Als die Israelis sie sprengten, wurden auch die darüber liegenden Wohnhäuser und die Eingänge zu den Tunneln zerstört. Die Verantwortung dafür liegt bei der Hamas, weil sie zivile Wohngebäude als „Schutzschilde“ missbraucht hat. Gleiches gilt für UNO-Schulen, Krankenstationen und Moscheen, in denen Raketen zwischengelagert worden sind.

Die Petition erwähnt, dass nur ein Gewaltverzicht zu einem stabilen Frieden führen könne. Nicht erwähnt wird, dass es auch in den vergangenen Monaten immer wieder zu Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen kam. Doch die Medien berichten erst, wenn Israel darauf mit Bombardements von Hamasstellungen reagiert.

Abschliessend sei noch erwähnt, dass die Seeblockade des Gazastreifens eine in den Osloer Verträgen verankerte und von Jassir Arafat per Unterschrift bestätigte Verpflichtung Israels ist, um Waffenschmuggel in den Gazastreifen zu verhindern. Deshalb gibt es im Gazastreifen keinen Hafen, der vom Ausland aus angesteuert werden darf. Und deshalb hat sogar die Hamas-nahe Türkei zugestimmt, ihre Waren in Aschdod anzulanden und erst nach einer Sicherheitsprüfung der Israelis per LKW in den Gazastreifen zu bringen.

Der Aufruf von HEKS erscheint deshalb wie eine zynische Unterstützung der Hamas und ein Aufruf, ihre Kriegsvorbereitungen zu fördern. Denn faktisch gibt es keine wirkliche Blockade, sondern eher eine kontrollierte Lieferung von Waren, darunter auch Baumaterial.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Christliche Organisation? Au, tut das weh. Die sitzen da irgendwo in der Schweiz herum, vielleicht mit Blick auf das Matterhorn und möchten den “armen” Menschen im Gaza-Streifen helfen. Wie abartig ist das denn?

  2. Die Heks strebt eben den nächsten Gaza Krieg an.
    Sie sollten es zumindest offen sagen, dann haben wir zumindest klare Verhältnisse.
    Mann kämpft nun mal nicht um die Möglichkeit Waffen in einem Spannungsgebiet zu bringen, wenn man für Frieden ist.
    Das ist heuchlerisch.

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