Was wir von Israel lernen müssen

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Kerzen vor dem Rathaus in Tel Aviv, das in den Farben der französischen Flagge beleuchtet wurde in Solidarität mit den Opfern des Pariser Terroranschlages vom 14. November 2015. Foto Kobi Richter/TPS
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In den vergangenen Tagen las man in verschiedenen Zeitungen Artikel mit der Überschrift „Was wir im Kampf gegen den Terror von Israel lernen können” oder so ähnlich.

von Daniel Szpilman 

In allen wurden mehr oder weniger klassische Sicherheitskonzepte der israelischen Armee und Polizei vorgestellt:

Sicherheitskontrollen bei Eingängen von stark besuchten Gebäuden wie Einkaufszentren, mehrere Checkpoints vor der Ankunft mit dem Auto beim Flughafen (wie es am Tel Aviver Flughafen Ben Gurion üblich ist), im Club diskutierte Gisela Dachs, eine Israel-Korrespondentin aus Deutschland, sogar mit Schweizer Armee-Befürworten und –Gegnern über die israelische Wehrpflicht für Frauen. Es scheint, als macht sich Europa endlich nach langer Zeit Gedanken über den Umgang Israels mit Terror, anstatt ständig auf der einzigen Demokratie im Nahen Osten herumzuhacken und Forderungen nach Verhandlungen mit der islamistischen Hamas und der Fatah aufzustellen.

Die Gegenstimmen sind jedoch immer noch da. Leere Forderungen von Politikern wie „wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen” und Kommentare auf Online-Plattformen unter den genannten Artikeln wie „So weit kommt es noch.” sind keine Seltenheit. Diese Diskussionen sind richtig und wichtig. Was aber bei all dem technokratischen Gerede über Geheimdienst und Ausbau der Sicherheit, dem vermeintlichen Bewahren von Freiheit und Wir-stehen-zusammen-Kitsch vergessen wird ist, dass die israelische Gesellschaft nicht alleine durch ihre Sicherheitsvorkehrungen besser gegen den Terror gewappnet ist als wir, sondern vor allem durch ihre Haltung gegenüber dem Terror.

Magen David Adom Sanitäter transportieren einen verwundeten Terroristen ins Krankenhaus. Jerusalem am 4. Januar 2016. Foto Hillel Maeir/TPS
Magen David Adom Sanitäter transportieren einen verwundeten Terroristen ins Krankenhaus. Jerusalem am 4. Januar 2016. Foto Hillel Maeir/TPS

In Israel sind die Menschen täglich mit dem Gedanken des stetigen Terrors konfrontiert. Ausserdem sind sich die Israeli wohl bewusst, dass die europäische Gesellschaft dem seit Langem durch Journalisten, NGO und linke Politiker gezeichneten Bild des armen Palästinensers und des bösen israelischen Siedlers unterlegen ist. Die Menschen in Israel lernen schon früh, dass sie in einem ausserordentlichen Notfall auf sich alleine gestellt sind, weil selbst die Supermacht USA unter der Leitung Obamas einen forscheren Kurs gegen Israel fährt. Die Menschen in Israel wissen, dass sie sich selbst helfen müssen. Was vielen die Furcht nahm.

Israels Gesellschaft ist mit diesen Tatsachen seit der Staatsgründung Israels konfrontiert. Dieser stetige Gedanke der Bedrohung machte die israelischen Bürger wachsamer. Bei Terroranschlägen reagieren Passanten, erste Hilfe wird schneller geleistet, die Behörden handeln rascher, der Täter wird eher gefasst. Eine Suchaktion wie jene in Molenbeek durch die belgische Polizei wäre in Israel undenkbar. Und diese Haltung hat kaum etwas mit Sicherheit zu tun, sondern mit einer moralischen Grundhaltung, wonach Terror überall und jederzeit passieren kann.

Der Terror wurde in Israel leider zur Normalität. Mit dieser Wahrheit werden auch wir Europäer uns auseinandersetzen müssen. Wenn wir nicht umdenken, die gemässigten und etablierten Parteien den Terror nicht anerkennen und beim Namen nennen, weiterhin mit Floskeln antworten, die Bürger als wichtigsten Beitrag im Kampf gegen den Terror das Einfärben ihres Facebook-Profilbildes in den französischen Nationalfarben beisteuern, wird der islamische Terror weitergehen. Jeder verurteilte ausländische Terrorist gehört ausgeschafft, jeder Sympathisant des Islamischen Staates oder einer anderen Terrororganisation ebenfalls, der Geheimdienst muss ausgebaut werden. Doch vor allem müssen wir etwas von Israel lernen: Der Kampf gegen den Terror beginnt in unseren Köpfen.