Deutsch-Jüdische Fussballstars im Schatten des Hakenkreuzes

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Deutsch-Jüdische Fussballstars im Schatten des Hakenkreuzes. Vom 14.6. - 31.8.2016, First Station, David Remez Str. 4, Jerusalem. Foto Hillel Maeir/TPS
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Eine vom Goethe-Institut eingerichtete Ausstellung im Zentrum „First Station“ in Jerusalem erzählt die Geschichte der Juden, die an der Entstehung des deutschen Fussballs mitgewirkt haben und in der deutschen Nationalmannschaft spielten. Nur weil sie Juden waren, wurden sie nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus ihren Vereinen ausgeschlossen, entrechtet, verfolgt, zur Flucht gedrängt oder ermordet.

von Anna Rudnitsky/TPS

Die Ausstellung unter dem Namen „Zwischen Erfolg und Verfolgung. Deutsch-Jüdische Fussballstars im Schatten des Hakenkreuzes“ wurde vergangenen Monat im Zentrum „First Station“ eröffnet und dauert bis zum 1. September 2016. Danach zieht sie nach Haifa weiter.

Die Geschichte der Vorreiterrolle der Juden im deutschen Fussball, die auch in Deutschland lange Jahre vergessen war, wurde kürzlich vom deutschen Sporthistoriker Dr. Lorenz Peiffer wiederentdeckt. Er verbrachte Jahre mit der Suche nach einzelnen Informationen, die in verschiedenen Archiven verstreut waren und führte sie zusammen.

Eine der herausragendsten Persönlichkeiten der Ausstellung ist Walther Bensemann, der 1889 den ersten Fussballverein Deutschlands gründete. Zwar bestanden bereits vor seiner Zeit in Deutschland mehrere Fussballvereine, diese waren jedoch von und für Engländer gegründet worden. Bensemann lernte das Spiel auf einer Privatschule in der Schweiz, die er besuchte, kennen und begann nach seiner Rückkehr, Fussball in Deutschland zu verbreiten. Schliesslich gründete er 1891 den Karlsruher Fussball Verein und im Jahr 1900 den Deutschen Fussball-Bund.

Bensemann begründete ebenfalls Deutschlands berühmtes Fussballmagazin Kicker. Angetrieben durch die tragischen Erfahrungen des ersten Weltkriegs nutzte er das Magazin dazu, den Gedanken von Fussball als Mittel der Friedensförderung zu verbreiten. „Der Sport ist eine Religion, ist vielleicht heute das einzig wahre Verbindungsmittel der Völker“, schrieb er.

Die Mannschaft der Karlsruher Kickers 1895. Sitzend in der Mitte Walther Bensemann (mit Ball). Dieses Foto zierte 25 Jahre später, am 14. Juli 1920, die Titelseite der ersten „Kicker“-Ausgabe. Foto PD
Die Mannschaft der Karlsruher Kickers 1895. Sitzend in der Mitte Walther Bensemann (mit Ball). Dieses Foto zierte 25 Jahre später, am 14. Juli 1920, die Titelseite der ersten „Kicker“-Ausgabe. Foto PD

Nach der Machtergreifung der Nazis floh Bensemann nach Montreux, wo er 1934 verarmt starb.

Julius Hirsch und Gottfried Fuchs, jüdische Fussballspieler, die für Karlsruhe spielten, waren Anfang des 20. Jahrhunderts auch Mitglieder der Nationalmannschaft. Fuchs‘ Rekord – zehn Tore in einem einzigen Spiel gegen Russland während der Olympischen Spiele 1912 – ist auch ein Jahrhundert später noch ungebrochen.

Die Ausstellung erzählt auch die Geschichte Kurt Landauers, der als Vater des FC Bayern gilt und mehrere Monate lang Gefangener im Konzentrationslager Dachau war, und die von Walter Vollweiler, der als dritter jüdischer Fussballspieler 1933 in die deutsche Nationalmannschaft gewählt wurde, aufgrund der Einschränkungen der Nazis, die gerade an die Macht gekommen waren, jedoch niemals spielte. Alle jüdischen Spieler erlitten nationalsozialistische Verfolgung oder flohen aus Deutschland. Julius Hirsch wurde 1943 nach Auschwitz deportiert, wo er umkam.

„Mehr als jedes andere Umfeld des Lebens zeigt Fussball das Verhältnis zwischen der deutschen Mehrheit und der jüdischen Minderheit in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland auf“, sagte Professor Lorenz Peiffer, der bei der Eröffnung der Ausstellung anwesend war, gegenüber der Nachrichtenagentur Tatzpit (TPS). „Und dennoch hat dieses Phänomen seitens der Historiker nicht die gebührende Aufmerksamkeit erfahren. Diese Lücke wollte ich schliessen.“

Julius Hirsch (unten, zweiter von rechts) mit der Meistermannschaft des KFV 1910.. Foto PD
Julius Hirsch (unten, zweiter von rechts) mit der Meistermannschaft des KFV 1910.. Foto PD

Peiffer erklärte, dass für Juden, die unter dem Naziregime leben mussten, Sport, und insbesondere Fussball, im Alltagsleben sehr wichtig wurde. „Erstens wurde der Fussballplatz zu einem Zufluchtsort, an dem man all das Elend ein paar Stunden vergessen konnte. Und zweitens bot Sport den Juden unter den Nazis eine der wenigen Möglichkeiten überhaupt, Selbstbewusstsein und Selbstachtung zu empfinden. Die Nazipropaganda stellte Juden als körperlich schwächlich dar und mit Sport konnten Juden sich selbst und ihrer Umgebung zeigen, wozu sie wirklich in der Lage waren.“

Peiffer berichtete auch, dass Fussballfans in Deutschland, insbesondere in Bayern, begonnen haben, die Geschichte der Rolle der Juden bei der Gründung des deutschen Fussballs zu erzählen.