Hisbollah-Kommandant in Syrien getötet

Vergangene Dienstagnacht wurde in der Nähe von Damaskus ein Top-Kommandant der Hisbollah

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Foto: Hezbollah Media Department
Lesezeit: 4 Minuten

Mustafa Badreddine wurde am vergangenen Dienstag durch eine mysteriöse Explosion getötet. Für die Terrororganisation dürfte dies der schwerste Verlust seit Jahren sein.  

Von Michel Wyss

Der 55-jährige Badreddine, ein Top-Kommandant der Hisbollah, wurde Dienstagnacht durch eine Explosion in einer Hisbollah-Basis nahe des Flughafens von Damaskus getötet, wie die Organisation am frühen Freitag bestätigte.

Während die Umstände der Explosion zur Zeit ungeklärt sind, machten libanesische Medien und internationale Medien wie BBC oder Al Jazeera Israel dafür verantwortlich. Ali Rizk, ein Politanalyst und Hisbollah-Experte, erklärte gegenüber Al-Jazeera, der Angriff hätte dem „Nervenzentrum der Hisbollah in Syrien“ gegolten und sei höchstwahrscheinlich von Israel durchgeführt worden.

Die Hisbollah kündigte ihrerseits eine Untersuchung der Explosion an, doch sah vorerst davon ab, Israel als Angreifer zu benennen. Auch Al-Mayadeen, ein der Hisbollah nahestehender TV-Kanal, entfernte im Laufe des Tages einen Bericht, der von einer Involvierung Israels sprach.

Weder die IDF noch die israelische Regierung kommentierte den Angriff bislang, doch der frühere Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, Yaakov Amidror, sagte gegenüber dem israelischen Armeeradiom, der Tod Badreddines sei eine gute Nachricht für Israel, unabhängig davon ob Israel für den Angriff verantwortlich sei.

Israel ist in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die Hisbollah in Syrien vorgegangen, doch verzichtet darauf, solche Militäroperationen öffentlich zu kommentieren. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in den vergangenen Monaten aber wiederholt bestätigt, dass Israel Hisbollah-Aktivitäten in Syrien wie etwa Waffentransporte in Libanon aktiv zu unterbinden. Israel hatte in der Vergangenheit auch bekräftigt, dass solche Transporte, insbesondere von komplexen Waffensystemen eine „rote Linie“ sind.

Neben dem Angreifer ist derzeit auch noch die Ursache der Explosion ungeklärt. Zahlreiche Medien spekulierten Freitag, ob es sich dabei um die Folge eines Luftangriffs oder von gezieltem Artilleriefeuer gehandelt hatte.

Offensichtlich ist aber, dass die Hisbollah mit dem Tod von Badreddine einen weiteren wichtigen Verlust hinnehmen muss. Im vergangenen Jahr hatte die Hisbollah bereits das frühzeitige Ableben von Jihad Mugniyah, Sohn vom verstorbenen Hisbollah-Anführer Imad Mugniyah, sowie Erzterrorist Samir Kuntar zu beklagen. Beide wurden bei gezielten Luftangriffen getötet.

Badreddines Tod dürfte für die Hisbollah aber noch schwerer wiegen und ist vergleichbar mit 2008, als Imad Mugniyah, Anführer der „Externen Sicherheitsorganisation“ (ESO) oder Einheit 910 bei einer Explosion in Damaskus starb. Die Externe Sicherheitsorganisation ist zuständig für Operationen ausserhalb Libanons und arbeitet dabei eng mit der Quds-Einheit der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) zusammen. Die Einheit wird für zahlreiche Terroranschläge die Bombenattentate in Argentinien in 1992 und 1994, der Angriff auf die Khobar-Türme in Saudi-Arabien in 1997 oder das Selbstmordattentat gegen israelische Touristen in Bulgarien in 2012 verantwortlich gemacht.

Nach Mugniyahs Tod übernahm Badreddine dessen Position als Anführer der ESO. Wie Mugniyah war Badreddine als Anführer der ESO auch ein Mitglied des Shura-Rates der Hisbollah, der zuständig ist für alle wichtigen Entscheidungen und Strategien der Organisation und zudem ihren Generalsekretär ernennt.  Badreddine und Mugniyah verfügten zudem über enge Familienbeziehungen und Mugniyah war mit Badreddines Schwester verheiratet sowie dessen Cousin.

Badreddine und Mugniyah waren beide langjährige Hisbollah-Veteranen, die zuvor in der Fatah Elite-Einheit Force 17 gedient hatte, bevor sie der schiitischen Terrororganisation beitraten. 1983 wurde Badreddine nach einer Reihe koordinierter Bombenanschläge auf westliche Ziele in Kuwait verhaftet und zum Tod verurteilt.

Das Urteil wurde jedoch nie vollstreckt. Dafür mitverantwortlich war vermutlich eine Reihe von Angriffen und Flugzeugentführungen, deren Urheber die Freilassung Badreddine sowie sechzehn weitere Verdächtige verlangten und Kuwait dadurch unter Druck setzten. Die Entführungen und Attacken wurden gemäss Hisbollah-Experte Matthew Levitt massgeblich von Imad Mugniyah koordiniert und durchgeführt. Badreddine konnte schliesslich fliehen, nachdem Saddam Hussein 1990 in Kuwait einmarschierte und die Gefängnisse des Landes öffnete.

Über seine Aktivitäten in den folgenden Jahren ist wenig bekannt, doch 2011 wurde Badredinne von einem UN-Tribunal als mitverantwortlich für die Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri in Beirut in 2005 benannt und in Folge angeklagt. Die Hisbollah hat diese Anschuldigung vehement abgestritten und weigert sich, das Tribunal anzuerkennen.

Badreddine war bekannt für seine Paranoia und hat in den vergangenen Jahrzehnten kaum Spuren hinterlassen. Dem UN-Tribunal war es nicht möglich, aktuelle Bilder von ihm ausfindig zu machen, genauso wenig wie offizielle Dokumente wie Führerausweis, Bankkonto oder Reisepass. Einer der Ankläger nannte ihn einen „unerkennbaren und unauffindbaren Geist.“ Nach seinem Tod veröffentlichte dies Hisbollah zum ersten Mal ein offizielles Bild, welches einen älteren Badreddine lachend und in Tarnuniform zeigt.

In den vergangenen Jahren war Badreddine gemeinsam mit dem Hisbollah-Sponsor Iran hauptsächlich verantwortlich dafür, das Überleben des Regimes von Bashar al-Assad sicherzustellen. 2012 wurde er für seine Rolle in Syrien vom US-Finanzministerium sanktioniert.

Angesichts der Bedeutung von Badreddine ist es nicht verwunderlich, dass die Hisbollah mit Anschuldigungen gegen Israel vorsichtig umgeht. Zum einen hat sich die Hisbollah mit ihrer Intervention in Syrien eine Reihe von Feinden gemacht, die als Angreifer in Frage kämen. Zum anderen müsste sie eingestehen, dass Israel in der Lage ist, selbst Topkommandeure der Organisation mitten in Syrien gezielt auszuschalten; eine demoralisierende Botschaft für die Anhänger der Terrogruppe, die in den vergangen Jahren mindestens 900 Kämpfer in Syrien verloren hat.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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1 Kommentar

  1. “die Hisbollah mit Anschuldigungen gegen Israel vorsichtig umgeht”
    Egal, wer es auch immer war: Auf sein Wohl!

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