Israels Seidenstrasse

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Chinesische Delegation am Jerusalem March. Foto Idont. CC BY-SA 3.0. WIkimedia Commons
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China hat eine starke Entwicklung vollzogen, seit Kaiser Qianlong im Jahr 1793 das Angebot König Georgs III. ablehnte, Handelsbeziehungen zu knüpfen, und die von einer britischen Delegation dargebrachten Teleskope, Barometer und Gewehre als „Erzeugnisse fremder Barbaren“ abtat.

„Das Reich des Himmels“, entschied er, „besitzt alle Dinge in reicher Fülle und innerhalb seiner Grenzen mangelt es ihm an keinen Waren.“

Seitdem hat China jedoch festgestellt, dass es in der barbarischen Welt sehr wohl Dinge gibt, die es nicht besitzt. Schnell begann das Land damit, die Aussenwelt zu studieren, zu imitieren und mit ihr zu handeln. Eine der vielen Auswirkungen dieses mentalen Wandels bezog sich auf den jüdischen Staat, dessen noch relativ junge Verbindung zu dem asiatischen Riesen exponentiell wächst und nun in eine neue Phase eintritt.

CHINAS RÜCKZUG von seiner anti-israelischen Haltung begann kurz nach dem Tod von Mao Zedong. Was mit stillen, jedoch ziemlich grossen Waffengeschäften begann, entwickelte sich 1992 zu uneingeschränkten diplomatischen Beziehungen.

Als China sich dazu entschloss, die Kluft zum Westen zu schliessen, strebte es nach israelischen Fachkenntnissen in der Landwirtschaft. Währenddessen gelangten immer mehr chinesische Low-Tech-Produkte nach Israel, und israelische Touristen flogen nach China.

Die Beziehungen entwickelten sich so schnell, dass das enthusiastische Israel einen Schritt zu weit ging, als der damalige chinesische Präsident Jiang Zemin im Jahr 2000 Jerusalem besuchte. Ein 200-Millionen-Dollar-Deal über Spionageflugzeuge wurde in Washington als strategische Bedrohung aufgefasst, da die Chinesen diese israelische Hardware nutzen könnten, um einen Blick auf die amerikanischen Interessen zu erhaschen. Jerusalem merkte, dass es die Beziehungen zu seinem stärksten Verbündeten aufs Spiel setzte, zog sich von der Vereinbarung zurück und zahlte Peking wegen der Auflösung ein Bussgeld in Höhe von 350 Millionen Dollar.

Infolgedessen brachen die Waffenexporte ein. Nichtsdestotrotz macht inzwischen der Handel mit China ein Viertel aller israelischen Exporte aus und im vergangenen Jahr überstieg er zum ersten Mal die Exporte in die USA. Die Importe aus China, die mittlerweile ein Zehntel aller Importe ergeben und mehr als drei Mal so hoch sind wie die Importe aus Japan, haben seit 2006 um mehr als das 17-Fache zugenommen.

Den chinesischen Importen, die sich von Spielzeugen und Textilien zu Fernsehern, Smartphones und Autos entwickelten, folgten chinesische Übernahmen grosser israelischer Marken wie dem Lebensmittelproduzenten Tnuva und dem Kosmetikhersteller Ahava. Auch an grossen Bauprojekten wie der U-Bahn von Tel Aviv und den Tunneln am Karmel-Gebirge sind chinesische Investoren beteiligt.

Hier also ist der Handel angelangt, während sich China, wie Europa während der Industriellen Revolution, vom Bauernhof zur Fabrik entwickelte und seine Exporte von Erzeugnissen zu Kapital wurden.

Nun allerdings neigen sich 35 Jahre halsbrecherischen Wachstums dem Ende zu und die Chinesen wollen ihre Wirtschaft auf eine neue Stufe bringen. Eine Stufe, auf der Israel noch wichtiger für sie ist als zuvor.

CHINESISCHE STRATEGEN wollen einen Teil ihrer Wirtschaft von der Fertigung in die Entwicklung verlagern. Die Chinesen haben Israels Ruf als Erfinder erkannt und sich dazu entschlossen, die Innovationsquellen des jüdischen Staates anzuzapfen.

Es begann vor zwei Jahren mit einer Vereinbarung zwischen der Universität Tel Aviv und der Tsinghua-Universität über die Eröffnung eines gemeinsamen Forschungszentrums im Bereich Umwelttechnologie.

Im Jahr darauf wurde das Technion in Haifa gebeten, für 130 Millionen Dollar eine technische Universität in der südlichen Stadt Shantou zu errichten und zu betreiben. Und in diesem Jahr hat Chinas grösste Universität Jilin einen Vertrag mit der Ben-Gurion-Universität über den Bau eines Innovations- und Gründerzentrums abgeschlossen, während die Pädagogische Universität Shanghai zusammen mit der Universität Haifa ein Programm für Neurobiologie und Biomedizin ins Leben rufen wird.

Diese akademische Hyperaktivität wurde von einer Reihe hochrangiger politischer Besuche begleitet, unter anderem von einer Delegation unter der Leitung von Vize-Ministerpräsidentin Liu Yandong. Ihrem Treffen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im vergangenen März in Jerusalem folgte die gemeinsame Erklärung, dass Peking und Jerusalem Gespräche über die Einrichtung einer Freihandelszone einleiten werden.

Während China nach technologischer Inspiration strebt, ist Israel auf der Suche nach wirtschaftlichen Chancen und diplomatischer Weite.

Ein Zeichen hierfür ist Jerusalems Entscheidung, als Mitbegründer der Asia Infrastructure Investment Bank, der chinesischen Version der Weltbank, beizutreten. Washington gefiel dieser Schritt der Israelis nicht, doch Jerusalem setzte seinen Weg unbeirrt fort.

Für Israel ist dieser Schritt nicht nur deswegen attraktiv, weil es erwartet, dass sich der Handel mit China innerhalb eines Jahrzehnts verdoppeln wird, sondern auch weil sich die Chinesen im Nahost-Konflikt viel weniger messianisch verhalten als die USA und Europa.

Obwohl sich Peking in internationalen Foren automatisch auf die Seite der arabischen Initiativen stellt, versucht es nie, Israel vorzuschreiben, was es tun soll. So, wie das chinesische Volk keinerlei Komplexe in Bezug auf die Juden hat, trennt auch seine Regierung Geschäft und Politik voneinander. Mit dem Erwerb von Ahava ignorierten die Chinesen beispielsweise die Herkunft der Seifen und Deodorants aus dem Toten Meer, Teile dessen die Palästinenser für sich beanspruchen.

Der Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit Israel besteht nicht nur trotz der Nahostpolitik, sondern indirekt auch wegen ihr, da China in den letzten Jahren zur Zielscheibe islamistischen Terrors wurde. Die Chinesen sind nicht zu Ultra-Zionisten geworden; der Iran ist und bleibt ihr strategischer Öllieferant. Dennoch ist Israels Expertise in Sachen Terrorbekämpfung für China wichtig geworden – viel wichtiger als einst anti-israelische Predigten.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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