Frauen beherrschen Finanzbranche in Israel

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Skyline von Tel Aviv. Foto Oren Elram Pikiwiki Israel, CC BY 2.5
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Das biblische Buch Ruth wurde lange zur Versinnbildlichung des Chauvinismus genutzt, bis Feministinnen die Heldinnen dieses Buches als willensstarke Frauen wiederentdeckten, die ihr Schicksal auch in der von Männern dominierten antiken Welt selbst in die Hand nahmen.

Diese Komplexität ging verloren, als ein städtischer Bürokrat vor über fünfzig Jahren das Strassenschild einer idyllischen Strasse in Jerusalem folgendermassen beschriftete: „Ruth Street: Frau von Boas, Grossmutter von König David.“

Die Anwohnerin Tamar Weiss fand dies beleidigend und schrieb kürzlich an die Stadtverwaltung, die diese Beschwerde ernst nahm und beschloss, den Text auf dem Schild zu ändern in: „Heldin des Buches Ruth, Mutter von König Davids Grossvater.“

Die schnelle Reaktion aus dem Rathaus ist natürlich ein Zeichen für den wachsenden Einfluss des Feminismus, wenngleich an der städtischen Front noch viel zu tun ist. Schliesslich sind 90 Prozent der Strassen von Jerusalem nach Männern benannt.

Zum Glück haben die israelischen Frauen an der doch bedeutenderen Front der Finanzen so ziemlich jede Gläserne Decke durchbrochen, denn Israel hat die wohl weiblichste Finanzbranche der Welt.

In der Privatwirtschaft ist Rakefet Rosek-Aminoach, Wirtschaftsprüferin in zweiter Generation, CEO der Bank Leumi und damit des grössten israelischen Finanzinstituts. Diese Position erlangte sie 2012 im Alter von 46 Jahren. Zuvor wurde 2007 bereits Smadar Berber-Tzadik mit 41 Jahren CEO der First International Bank, der fünftgrössten Bank. Zu ihnen gesellte sich dann vor zwei Jahren Lilach Asher-Topolski, die mit 44 CEO von Bank Discount wurde, dem drittgrössten israelischen Finanzinstitut.

Während drei der fünf führenden Banken Israels, darunter auch die grösste, weibliche CEOs bekamen, wurde eine weitere Frau, Karnit Flug, Gouverneurin der Bank of Israel und trat damit die Nachfolge des berühmten Stanley Fischer an.

Karnit Flugs Ernennung erfolgte im Rahmen eines grösseren weiblichen Aufstrebens auf der staatlichen Seite der Finanzbranche. Die Bankenaufsichtsbehörde wird inzwischen von Hedva Bar geleitet, während Michal Abadi-Boiangiu als Hauptprüferin die Durchführung des Haushaltsplans beaufsichtigt. Die Aufsicht über die Kapitalmärkte, zu der auch die Überwachung der Versicherungs- und Sparbranche gehört, liegt in den Händen von Dorit Salinger.

Zusammen haben diese sieben Frauen, die alle in Israel geboren wurden und aufgewachsen sind, an israelischen Universitäten studiert haben und in den IDF gedient haben, eine kritische Masse der Führungspositionen des israelischen Finanzsektors inne.

Wie die Anekdote über die Ruth Street schon vermuten lässt, ist der israelische Feminismus nicht immer so erfolgreich. So sind beispielsweise nur 31 der 120 Politiker in der Knesset Frauen, und nur drei der zwanzig Minister im Kabinett. Auch die Finanzbranche war in Israel ursprünglich genauso männerdominiert wie die in Europa und Amerika – bis 1983.

Damals brach der Börsenmarkt unter den Belastungen der Hyperinflation zusammen, nachdem vier der fünf grossen Geschäftsbanken nachgewiesen wurde, dass sie ihren Aktienhandel aufeinander abgestimmt hatten. Die vier Banken kollabierten dementsprechend, wurden verstaatlicht und gegen ihre Vorstandsvorsitzenden wurde Anklage erhoben. Als Folge daraus verschwand eine ganze Generation von hochrangigen Bankern.

Es war schlichtweg Zufall, dass damals eine Frau namens Galia Maor die Bankenaufsicht der Bank of Israel hatte – eine Wirtschaftsprüferin, die in das Vakuum gezogen wurde, das durch den Crash von 1983 entstanden war. Nach mehreren Jahren in der Wirtschaftsprüfungsbranche wurde sie zur Leiterin der Bank Leumi ernannt, aus der sie nach und nach die grösste Bank Israels machte.

Die heute 73-jährige Pensionärin arbeitete 17 Jahre lang in dieser Position und wurde in dieser Zeit zur beherrschenden Persönlichkeit des israelischen Bankenwesens. In ihrer Zeit dort förderte sie eine vielversprechende junge Frau, die später ihre Nachfolge an der Spitze der Bank antrat.

Auf diese Weise entstand ein Beispiel, das schon bald grosse Auswirkungen in der ganzen Branche hatte, während diese wieder schrittweise privatisiert wurde. So sind in der First International Bank zum Beispiel 80 von 160 Filialleitern Frauen, wie auch drei von vier Regionalleitern.

Die meisten dieser Frauen leisten diese Arbeit und kümmern sich gleichzeitig um eine Familie. Die drei CEOs, die Gouverneurin der Bank of Israel, die Hauptprüferin und die Aufsichtspersonen über die Banken und Kapitalmärkte sind alle verheiratete Mütter und haben zusammen 17 Kinder. Die frühere Generaldirektorin des Finanzministeriums, Yael Andorn, trat ihre Stelle an, als ihre dritte Schwangerschaft deutlich zu sehen war.

Anders als während der israelischen Wirtschaftspleite in den 80ern, als nicht eine einzige Frau eine Rolle spielte, haben Frauen in der aktuell boomenden Wirtschaft Israels eine ganz entscheidende Rolle inne. Es ist ein bisschen so wie die Rolle, die sie im Buch Ruth spielen. Es beginnt mit einem Abenteuer unter männlicher Führung, das zum Tod eines Vaters und seiner Söhne führt und mit weiblichem Einfallsreichtum endet, der Aufschwung und Wohlstand hervorbringt.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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