Brief eines Jerusalemer Rabbiners während der Belagerung 1948 verfasst

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Vor Kurzem wurden im Jerusalemer Auktionshaus Kedem drei Briefe entdeckt, die im Februar 1948, zur Zeit der Belagerung der Altstadt Jerusalems, verfasst wurden.

Von Michael Bachner/TPS

Die Briefe geben Aufschluss über den Alltag der Bewohner des jüdischen Viertels während der Belagerung Jerusalems durch arabische Truppen in der ersten Phase des Unabhängigkeitskrieges.

„In den drei Briefen wird das Leben in der belagerten Altstadt beschrieben, wie auch die vielen Anstrengungen, die es mit sich brachte“, erklärt Meron Eren vom Auktionshaus Kedem. „Es handelt sich bei den Briefen um weitere historische Belege für den Einsatz derjenigen Menschen, die damals beschlossen, in der belagerten Stadt auszuharren und für deren Befreiung zu kämpfen.“

Drei Monate nach dem Verfassen der Briefe verliessen die britischen Truppen die Stadt und die Altstadt wurde von Jordanien eingenommen. Einer der Briefe war ein Hilferuf und wurde vom ersten Rabbiner der Klagemauer unterzeichnet, der drei Monate später beim Beschuss der Altstadt ums Leben kam.

„Habt Erbarmen mit den Männern, Frauen und Kindern und ergreift drastische Massnahmen, wo dies notwendig ist, damit wir unser Leben nicht verlieren, Gott bewahre“, steht in dem Brief, der von Rabbi Yitzchak Avigdor Orenstein, dem ersten Rabbiner der Klagemauer, unterzeichnet wurde. Adressiert war dieser Hilferuf an Israels damaligen Oberrabbiner Yitzhak Herzog.

„Das Leben der Bewohner der Altstadt ist in grosser Gefahr. Das jüdische Viertel stand die vergangenen Nächte über unter britischem Beschuss, wodurch die Heiligkeit der Synagoge angetastet wurde“, schrieb Rabbi Orenstein, der den Brief zusammen mit Rabbi Yisrael Mintzberg, Rabbi Shalom Azoulay und Rabbi Benzion Chazan unterzeichnete.

Rabbi Orenstein, der 1930 zum Oberrabbiner der Klagemauer ernannt worden war, hatte darauf bestanden, zu Beginn der Belagerung in die Altstadt zurückzukehren, obwohl er zu dem Zeitpunkt andere Teile Jerusalems besuchte. Auf die Frage, warum er sich selbst in Gefahr bringe, antwortete er: „Wenn irgendjemand dazu berufen ist, sich selbst für die Heiligkeit des altertümlichen Jerusalems und seine heiligen Stätten zu opfern, dann bin ich mehr als jeder andere dazu verpflichtet.“

Orenstein und seine Frau wurden am 23. Mai 1948 getötet, als die Stadt beschossen wurde. Ungefähr drei Monate zuvor hatte der Rabbiner den Brief unterzeichnet, der nun gefunden wurde.

Das Auktionshaus entdeckte zudem einen weiteren Brief aus dem Februar 1948, verfasst von Rabbi Yisrael Zeev Mintzberg. Auch dieser Brief war an den Oberrabbiner Herzog gerichtet. Mintzberg, ein Gemeinderabbiner, beschrieb die schwierige Situation in der Stadt noch eindringlicher: „Ein bitterer Tag für die Bewohner der heiligen Stadt; die Soldaten haben erneut gewütet und auf die Bewohner geschossen. Über mehrere Stunden hinweg haben sie uns unentwegt mit Granaten und Mörsern beschossen und mehrere Häuser zerstört.“

In einem dritten nun entdeckten Brief, der vier Tage später verschickt wurde, bat eine Gruppe von 25 jungen Mitgliedern der zionistischen Organisation Beitar den religiösen Rat Jerusalems um Hilfe bei der Vorbereitung des anstehenden jüdischen Passahfestes.

Am 13. Mai 1948, drei Monate nachdem die drei Briefe verfasst wurden, verliessen die britischen Truppen die Altstadt. Drei Tage später begann eine arabische Gegenoffensive, die zur Eroberung von Positionen in der Stadt führte, die von der jüdischen Selbstschutz-Organisation Haganah gehalten wurden. Vier Tage später drangen jordanische Truppen in die Stadt ein und am 28. Mai ergab sich die Altstadt den jordanischen Streitkräften.

Die jüdischen Bewohner wurden vertrieben und kehrten erst 1967 nach der Befreiung der Stadt zurück.