Übernimmt der Westen nun Israels Antiterrorstrategien?

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Terroristen des Islamischen Staats veröffentlichten am 16. November 2015 ein neues Propagandavideo, in dem sie Anschläge in den Ländern versprachen, die an den Luftangriffen in Syrien beteiligt sind. Foto Screenshot YouTube
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Es gibt Wege, seine Bürger zu schützen und den islamistischen Feind anzugreifen. So bezwang Israel die zweite Intifada… und wurde hierfür von der Welt gegeisselt.

Von David Horovitz, Times of Israel

Am Montagnachmittag schaue ich in einem eindeutig verunsichert klingenden Amerika in den Fernseher. Ein paar Stunden nachdem ein Verbrecher vom Islamischen Staat mit einem Anschlag auf die USA, als Fortführung des Massakers an Unschuldigen in Paris gedroht hat. Und ich denke viel an mein lebhaftes, umkämpftes und dämonisiertes Israel — so wie ich es immer tue, wenn ich von zuhause weg bin.

CNN plärrt “US-Städte erhöhen Sicherheitsvorkehrungen nach Paris-Anschlag” und “Neue ISIS-Anschlagsdrohung beinhaltet Washington”, und der Sender zeigt und interviewt eine Reihe von Politikern und Militärbefehlshabern und Sicherheitsexperten. Diese sagen den Zuschauern, jedes Café und jede Konzerthalle vor potentiellen Terroranschlägen zu schützen sei schlicht unmöglich. Sie beschreiben den Islamischen Staat als die schlimmste Terrorgeissel, die sie überhaupt kennen. Und sie streiten, ob Präsident Barack Obama recht damit hat, wenn er darauf besteht, in Syrien und im Irak keine Bodentruppen zur Bekämpfung des IS einzusetzen.

All die sprechenden Köpfe, beim Präsidenten angefangen, scheinen mir recht planlos und verwirrt zu sein. Dianne Feinstein, eine Senatorin seit über 20 Jahren, die in mächtigen Aussenpolitik- und Geheimdienst-Gremien sass, murmelte lediglich etwas Zusammenhangloses über die Notwendigkeit, “die westliche Welt zusammenzubringen”, um “einige Sicherheitselemente bereitzustellen”. Eine Reihe republikanischer Möchtegernpräsidenten fordern das kämpferisch klingende, aber völlig pauschalisierte Zerstören der IS am Boden. “Wir sollten sie vernichten”, erklärt Jeb Bush. “Ich will sie in ihrem Hinterhof bekämpfen, damit wir sie nicht in unserem Hinterhof bekämpfen müssen”, bellt Lindsey Graham. Und der Präsident schmetterte seine Kritiker auf einer Pressekonferenz ab und behandelte ihre Vorschläge auf sehr ähnliche Weise, in welcher er Benjamin Netanyahus Einwände gegen seinen den Iran stärkenden Atomdeal zurückwies: “Die Leute wollen sich aus dem Staub machen und haben Meinungen darüber, was sie denken, was sie machen würden? Legen Sie mir einen spezifischen Plan vor”, schnappte der Präsident. (Netanyahu hat im Falle des Iran genau das getan, nämlich einen spezifischen Plan vorgelegt. Nicht dass es etwas geholfen hätte.)

Staatsmänner und Kommentatoren haben das Blutbad vom 13. November “Frankreichs 9/11” genannt. In vielerlei Hinsicht hat dieser Tag, an dem Paris diesen Terroranschlag erlitt, an das erinnert und sogar in den Schatten gestellt, was Israel seit Jahren aushalten muss. Nicht einmal im Verlauf der zweiten Intifada, dem strategischen Angriff von Selbstmordattentätern der Hamas und Fatah, der Israel anfangs des Jahrhunderts zum Bluten brachte, schafften es unsere terroristischen Feinde, an einem einzigen Abend 129 von uns zu massakrieren. Es hat sie etwas mehr Zeit gekostet: Allein im März 2002 wurden zirka 120 israelische Zivilisten von palästinensischen Terroristen getötet.

Als Bomber und Bewaffnete unsere Busse und Einkaufszentren, unsere Hotels, unsere Schulen und Restaurants angriffen, taten wir zweierlei, was auch Frankreich, die USA und der Rest der freien Welt tun müssen, wenn sie diese jüngste, besonders abscheuliche Wiederholung islamistischen Terrors bezwingen wollen: Wir lernten unsere Anfälligkeit gegenüber Terrorismus zu reduzieren, und wir attackierten die Killer direkt in ihren Operationszentren. Kurzsichtig, scheinheilig und stur weigerte sich die internationale Gemeinschaft einschliesslich des Grossteils des Westens, die Notwendigkeit für ersteres zu begreifen, und man geisselte uns für letzteres.

Wir erschwerten es den Terroristen, uns zu töten, indem wir genau das taten, was diese CNN-Experten für unmöglich halten: Ja, wir schützten alle Cafés, alle Restaurants, alle Einkaufszentren, alle Hoteleingänge, alle Busse und jeden anderen öffentlichen Ort, wo unsere Bürger zusammenkommen, und zwar mit Barrieren und Metalldetektoren und Sicherheitspersonal; auch jetzt, viele Jahre später, können Selbstmordattentäter noch immer nicht einfach so in unsere Theater und Konzerthallen spazieren. Wir verstärkten unsere Geheimdienstaktivitäten in den brutal feindseligen palästinensischen Territorien, insbesondere auch in den Städten im Westjordanland, aus denen wir uns Jahre zuvor zurückgezogen hatten im vergeblichen Streben nach einer friedlichen Koexistenz. Und sehr zum Zorn und Verdruss der fehlgeleiteten Kritiker auf dem ganzen Planeten errichteten wir eine Sicherheitsbarriere — einen Mix aus Zäunen und Mauerabschnitten –, damit palästinensische Selbstmordattentäter nicht mehr einfach so nach Israel fahren und uns in die Luft jagen konnten. Wir wurden zu einer Nation aus Analysten für die innerstaatliche Sicherheit, wir wogen ab, wo wir einkaufen konnten und ob wir den Bus nehmen sollten oder lieber darauf verzichteten, während wir unsere Verletzlichkeit gegenüber den Mördern zu minimieren trachteten. Und wir standen das durch.

Ebenso gingen wir in die Offensive, insbesondere nach jenem schwarzen März 2002, als wir eine grossen Militäreinsatz im Westjordanland durchführten und die “Infrastruktur” des Terrorismus im Westjordanland zerstörten — die Bombenfabriken und die Selbstmordbomberschulen. Ein Grossteil der internationalen Gemeinschaft, fehlgeleitet durch besonders armseligen Journalismus, stellten die Operation falsch dar und wiederholten falsche palästinensische Behauptungen über die Opferzahlen und — angeführt vom damaligen Präsidenten George W. Bush — bestanden darauf, wir sollten aufhören und abziehen. Aber das taten wir nicht. Und genau deshalb hatten wir es 2015, während die gegenwärtige politische, geistige und mediale Führung der Palästinenser die Leute aufhetzt, wieder Juden zu ermorden, mit Messerstechern und Autorammern zu tun anstelle von massenmordenden Selbstmordattentätern. Zumindest bis jetzt.

Frankreich, die USA und die restliche westliche Welt kämpfen nun mit denselben quälenden Dilemmas, mit denen wir seit Jahren leben. Wie behält man seine Freiheiten, fragt sich der Westen, während man Feinde bekämpft, die all diese Freiheiten missbrauchen? Welche Art von Gesetzen müssen geschaffen werden? Wem erlaubt man den Grenzübertritt? Unter welchen Umständen sollte man präventive Festnahmen durchführen und Verdächtige ohne Gerichtsverhandlung festhalten, eine Überwachung des Internets veranlassen und Aufhetzung eindämmen? Keine leichten Fragen, oder?

Es existiert kein vollumfänglicher Schutz vor Terrorismus. Dafür gibt es kein Patentrezept. Aber es gibt wirksame Strategien.

Ohne sie hätte Israel nicht überlebt.

Wie minimiert man die tödliche Bedrohung des eigenen Volkes, ohne zu viele Soldaten zu verlieren? Und ohne zu viele der (oft den Terror unterstützenden) Zivilisten zu töten, unter denen sich dein Feind versteckt? Und dann gibt es da noch etwas, worüber wir uns lange zerstritten haben. 2005 verliessen wir den Gazastreifen, 2007 ergriff dort die Hamas die Macht, und seither wurden wir durch die unaufhörlichen Angriffe der Islamisten auf Israel dreimal in einen bewaffneten Konflikt gezogen. Aber wir wissen, dass wir die extremistische Ideologie nicht per Gewalt zerstören können. Und wir möchten nicht in den Gaza-Schlamassel zurückgezogen werden. Jemand sagte einmal: “Wir können Territorium zurückgewinnen. Und so lange wir unsere Truppen vor Ort lassen, können wir es halten, aber das löst nicht das zugrundeliegende Problem der Eliminierung der Kräfte, welche diese Art gewalttätiger Extremistengruppen hervorbringen.” Dieser Jemand war Präsident Barack Obama, der am Montag über Syrien und den Irak gesprochen hat. Fast mag man glauben, er verstehe die Herausforderungen, denen wir gegenübergestanden haben, nun ein wenig besser.

Ebenso mag man glauben, dass er und die anderen wohlmeinenden Weltführer, die uns gesagt haben, wir sollten für den Frieden Risiken eingehen, die uns gesagt haben, wir könnten angrenzende Territorien gefahrlos aufgeben, selbst in unserem trügerischen Nahen Osten, die uns gesagt haben, wir wüssten nicht, was das Beste für uns ist, dass diejenigen nun realisieren, dass es vielleicht — nur vielleicht — nicht ganz so einfach ist. Vielleicht sind wir Israelis, die wir störrisch die uns von der internationalen Gemeinschaft aufgedrückte Politik ignorieren, weil sie einem nationalen Selbstmord gleichkommt, also doch keine so grossen Narren.

Aber damit rechne ich nicht.

Vielmehr warte ich ab, wie viele weitere prominente Menschen, die es besser wissen sollten, sich der schwedischen Aussenministerin anschliessen und sich winden und drehen, bis sie Israel zumindest teilweise die Schuld an den teuflischen Taten eines Todeskults in die Schuhe schieben, der seinen Anhängern befohlen hat, im Namen Gottes zu töten und getötet zu werden. Dieses Argument ist derart lächerlich, man kann es kaum in Worte kleiden: Hätten wir nur getan, was die internationale Gemeinschaft uns aufgetragen hat, nämlich das Westjordanland aufgegeben, so wie wir Gaza aufgegeben haben (und damit unser ganzes Land einem tödlichen Risiko ausgesetzt hätten), dann hätte der Islamische Staat vielleicht keine 129 Menschen in Paris massakriert und würde jetzt nicht die USA bedrohen.

Im Ernst, da verschlägt es einem die Sprache.

Allermindestens empfehle ich jedoch, dass sich die Führer und Sicherheitsbeauftragten von Frankreich und dem Rest Europas und Nordamerikas mit ihren israelischen Kollegen zusammensetzen, die sie so oft verurteilt und kritisiert haben, um von unseren bitteren Erkenntnissen bei der Bekämpfung von islamischem Terrorismus zu profitieren.

Wie gesagt: Es existiert kein vollumfänglicher Schutz vor Terrorismus. Dafür gibt es kein Patentrezept. Aber es gibt wirksame Strategien.

Ohne sie hätte Israel nicht überlebt. Und besagter Freitag in Paris signalisierte dem Rest der freien Welt, dass sie viele dieser Strategien übernehmen sollten.​

Übersetzung Yvaine de Winter via http://heplev.wordpress.com