Kennzeichnung gegen den Frieden

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Produkt markiert mit "Im Westjordanland hergestellt". Foto Ynet
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Einige Personen, zu denen auch ich gehöre, sprechen sich gegen die Siedlungen aus. Doch die Entscheidung der EU, in den Siedlungen hergestellte Produkte gesondert zu kennzeichnen, ist kontraproduktiv und unklug.

Von Ben-Dror Yemini

Sie wird in keiner Weise zur Versöhnung oder zum Verständnis beider Parteien untereinander beitragen. Sie dient einzig und allein den Interessen derer, die gegen Frieden und Einigung sind. Dies ist vielleicht nicht die Absicht der EU, wird aber mit Sicherheit das Ergebnis davon sein.

Die Siedlungen, vor allem die industriellen Zonen der besetzten Gebiete, bieten fast 30.000 Palästinensern Arbeit. Selbst in angespannten Zeiten wie dieser arbeiten in diesen Fabriken Palästinenser Seite an Seite mit jüdischen Angestellten. Im Gegensatz zu den ständig veröffentlichten Lügen, die sich gegen Israel richten, werden die palästinensischen Angestellten dort weder versklavt noch auf irgendeine andere Weise ausgebeutet. Ihre Gehälter liegen weit über dem Verdienst ihrer Landsleute, die nicht in jüdischen Siedlungen arbeiten. Häufig haben sie höhere Positionen als manche ihrer jüdischen Kollegen. Diese Industrie stellt einen wichtigen Teil der palästinensischen Wirtschaft dar. Die Befürworter einer Zweistaatenlösung, wie beispielsweise die EU und der Verfasser dieses Textes, müssen sicherstellen, dass auch in Zeiten des Friedens die wirtschaftliche Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Damit ist der Erhalt der Industriegebiete gemeint, die beiden Teilen der Bevölkerung von Nutzen sind.

Um die Bedeutung zu verstehen, die diese gemeinsame Wirtschaft schon jetzt hat, bevor der Konflikt gelöst wurde, und die sie sicherlich nach Erreichen einer Einigung haben wird, müssen wir uns daran erinnern, dass die PA augenscheinlich den Boykott israelischer Produkte verkündet hat und fordert, dass zehntausende Palästinenser, die in den Unternehmen der Siedler angestellt sind, ihre Arbeit aufgeben. Die PA verfügt über einflussreiche Sicherheitskräfte und ist in der Lage, ihre Meinung dem palästinensischen Volk aufzuzwingen. Doch die Palästinensische Autonomiebehörde hat selbst erkannt, wie sehr dies dem eigenen Volk schaden würde. Zehntausende von Menschen würden arbeitslos werden. Die palästinensische Wirtschaft würde in erheblichem Masse geschwächt werden. Daher ist auch ihnen bewusst, dass die Forderung vollkommen unrealistisch und kontraproduktiv ist. Die PA hat diese Forderung widerrufen und immer mehr Palästinenser haben in den vergangenen Jahren in jüdischen Unternehmen gearbeitet. Interessanterweise gibt es in diesen Industriegebieten weder Terroranschläge noch Spannungen. Ausgerechnet dort ist eine vorbildliche wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Juden und Arabern entstanden.

Doch anstatt dieses Modell auszubauen hat die EU beschlossen, zu dem Druck beizutragen, der hauptsächlich von Organisationen ausgeübt wird, die einen Boykott Israels fordern. Diese Organisationen rufen zu einem allgemeinen Boykott auf, doch sie freuen sich über jede einzelne Massnahme, die sich gegen die gemeinsamen Industriegebiete richtet, in denen Juden und Araber Seite an Seite zusammenarbeiten. Noch frustrierender ist, dass es sich bei den Unterstützern des Boykotts und den Verantwortlichen für die entsprechenden Kampagnen um Organisationen handelt, die Friedensvereinbarungen jeder Art ablehnen.

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Kennzeichnen von Produkten nicht dasselbe ist wie ein Boykott Israels, und dass die EU gegen jeden Boykott Israels ist. Doch der Kampf für die Produktkennzeichnung wird von Organisationen wie FIDH und Al-Haq geführt, die begeisterte BDS-Befürworter sind. Und BDS richtet sich explizit gegen jede Friedensinitiative, die auf einer Zweistaatenlösung basiert. Omar Barghouti, Ali Abunimah und As’ad Abu Khalil („Das wahre Ziel von BDS ist es…den Staat Israel zu Fall zu bringen…Dies sollte zum eindeutigen Ziel erklärt werden. Es darf keinerlei Missverständnisse dazu geben, worum es geht“), BDS-Anführer, machen keinen Hehl aus ihren Bestrebungen nach der Zerstörung Israels. Doch alle europäischen Länder sowie die EU nehmen einen entgegengesetzten Standpunkt ein. Sie setzen sich für die Zweistaatenlösung ein.

Daher muss man sich mit folgender Frage auseinandersetzen: Warum tanzt die EU, die sich für den Frieden einsetzt, nach der Pfeife derer, die gegen Einigungen, eine Normalisierung der Beziehungen und Frieden sind und stattdessen die Vernichtung des Staates Israel wollen? Ohne den Druck der BDS-Organisationen hätte die EU niemals die Idee der Produktkennzeichnung akzeptiert. Die Organisationen, die diese Vorgehensweise vorantreiben, halten das nur für den ersten Schritt in Richtung eines allgemeinen Boykotts.

Wir müssen ausserdem bedenken, dass es auch andere besetzte Gebiete gibt – zum Beispiel die von Marokko besetzte Westsahara sowie Nordzypern, das unter türkischer Kontrolle steht. Warum wurden für diese Regionen keine ähnlichen Entscheidungen getroffen? Wieder einmal zeigt sich die für Israel geltende Doppelmoral. So kann die Entscheidung zur Produktkennzeichnung nicht einmal die grundlegendsten moralischen Normen erfüllen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass sich die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, einschliesslich der EU, anders als bei anderen besetzten Gebieten für die Zugrundelegung der Clinton-Parameter als Basis eines Friedensabkommens einsetzt. Nach diesen Parametern bleiben die Industriegebiete als Teil mehrerer israelischer Blocks in den besetzten Gebieten unter israelischer Kontrolle, im vorgeschlagenen Austausch gegen Land. Israel stimmte Clintons Vorgaben zu. Die Palästinenser lehnten sie ab.

Mit anderen Worten gesagt, ist die Produktkennzeichnung ebenfalls eine auf Doppelmoral basierende Entscheidung. Sie steht im Gegensatz zu den Friedensvorgaben, denen die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft zugestimmt hat und schadet den Palästinensern möglicherweise mehr als den Juden in Israel. Der Hauptaspekt aber ist, dass es sich um eine Entscheidung handelt, die den Interessen der grössten Gegner des Friedensprozesses und derer, die eine Vernichtung Israels anstreben, dient.

Wahrscheinlich ist vielen Europäern nicht bewusst, was hinter dieser Entscheidung steht. Wir können nur hoffen, dass diejenigen, die die Wahrheit kennen, sich gegen diese Entscheidung aussprechen, und das nicht, weil sie pro-Israel sind. Ein Widerruf dieser Entscheidung ist notwendig und liegt im besten Interesse des palästinensischen Volkes und seiner Wirtschaft. Der Widerruf ist entscheidend, um einen weiteren Sieg derer zu verhindern, die gegen den Frieden und eine langfristige Einigung sind.

Ben-Dror Yemini ist Jurist, Wissenschaftler und Kolumnist der israelischen Tageszeitung „Yedioth Ahronoth“. Sein neuestes Buch, „Industry of Lies“, wurde 2014 auf Hebräisch veröffentlicht.

1 Kommentar

  1. Die christliche Seite israelnetz.com hat durch die Statistik der Autonomiebehörde der PA-Gebiete veröffentlicht: Die Arbeiter in den Siedlungen verdienen etwa das Doppelte wie Arbeiter bei arabischen Firmen. Bei der Arbeitslosigkeit in den Gebieten ist noch gar nicht berücksichtigt, dass die Leute ohne die Siedlungen vermutlich arbeitslos wären, oder wenn sie in Israel arbeiten durch die Grenzkontrollen müssen.

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