Die Schweizer Medien zu den jüngsten Anschlägen in Israel

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Foto Maurice Velati. Lizenziert unter CC BY 2.0 via Wikimedia Commons.
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Vergangene Woche ist Israel von zwei furchtbaren Anschlägen erschüttert worden. Am Donnerstag hatte ein ultraorthodoxer Angreifer sechs Teilnehmende am Jerusalem Gay Pride niedergestochen. Eine 16-jährige Israelin erlag am Sonntag ihren Verletzungen. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag warfen Unbekannte Molotov Cocktails in das Haus einer palästinensischen Familie in Duma. Dabei starb ein eineinhalbjähriges Kleinkind, während Vater, Mutter und ein weiteres Kind schwer verletzt wurden. Gemäss israelischer Polizei und dem Inlandgeheimdienst Shin Bet stammen die Täter höchstwahrscheinlich aus den Kreisen der radikalen Siedlerbewegung Hilltop Youth.

In Israel wurden beide Anschläge einhellig von allen Seiten verurteilt und der Forderung, dass auf Taten nun auch Worte folgen müssen, wurde bereits entsprochen, als dass dem israelische Inlandsgeheimdienst (Shin Bet) neue Befugnisse wie etwa Administrativhaft und „erweiterte Verhörmethoden“ bei der Strafverfolgung mutmasslicher jüdischer Terroristen eingeräumt wurden. Diese Methoden wurden bislang ausschliesslich bei palästinensischen Terrorverdächtigen angewandt.

Auch in den Schweizer Medien wurden die Anschläge vertieft thematisiert. Susanne Knaul kritisiert etwa in der Aargauer Zeitung von Montag (Online nicht verfügbar) den israelischen Sicherheitsapparat und schreibt, beide Attacken seien absehbar gewesen. Während sie dies beim Anschlag in Jerusalem einigermassen einleuchtend zu erläutern vermag (der Täter war bereits 2005 nach einem ähnlichen Angriff inhaftiert und erst vor drei Wochen entlassen worden und hatte seit dem seiner Hetze gegen Homosexuelle weiter freien Lauf gelassen), liefert sie keine Anhaltspunkte, wie dies beim Anschlag von Duma hätte möglich sein sollen. Tatsächlich sind die mutmasslichen Täter von Duma äusserst erfolgreich darin, der Strafverfolgung von Polizei und Geheimdienst zu entgehen, wie Ben Caspit in einem Beitrag für al-Monitor eindrücklich darlegt. Sie machen bewusst keinen Gebrauch von Mobiltelefonen, einige von ihnen schlafen ihn Höhlen und achten auf eine extreme Abschottung; all dies Charakteristika von modernen Terrornetzwerken.

Knaul zitiert zudem mehrfach Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der umgehend Ministerpräsident Netanyahu für die Gewalt verantwortlich machte. Laut Knaul sagte Abbas, er werde „nicht zulassen, dass Israelis verletzt werden, sondern weiterhin mit aller Macht gegen Terror und Gewalt kämpfen.“ Dies sind wohlfeile Worte, die aber wenig mit der Realität gemein haben. Vielmehr fordern die Palästinenser jeweils die ganze Welt auf, Terrorismus zu verurteilen, solange dieser sie selbst betrifft, während sie umgekehrt Terrorismus gegen Israelis begrüssen und loben, wie Bassam Tawil in einem Meinungsbeitrag schreibt. Abbas‘ halbherzige Verurteilungen von Gewalt hingegen sind vor allem für die Besänftigung westlicher Geldgeber bestimmt und er versucht zudem, Israel die Schuld an palästinensischem Terror zu geben, so Tawil.

Einhelligkeit scheint in den Schweizer Medien darüber zu herrschen, dass Extremismus und Gewaltbereitschaft innerhalb der jüdischen Mehrheitsgesellschaft Israels zunehmen, wie Monika Bolliger in der NZZ von Montag schreibt. Pierre Heumann hält in der Basler Zeitung ergänzend fest, dass es in den vergangenen zwei Jahren zu mindestens 15 Anschlägen gleicher Art durch jüdische Extremisten gekommen sei. Nur durch Zufall habe es bis vergangenen Freitag keine Tote zu beklagen gegeben. Allerdings ist diesbezüglich anzumerken, dass insbesondere im vergangenen Jahr eine Radikalisierung zu bemerken war. Zuvor waren die Angriffe mehrheitlich gegen leerstehende Gebäude, meistens Moscheen, gerichtet.

Uneinigkeit herrscht hingegen bei der Einschätzung des Gefahrenpotenzials der Angreifer. Ein „Nahostexperte“ erklärt gegenüber 20 Minuten, es gebe ein paar Tausend Personen, die bereit seien, „extreme Gewalt einzusetzen“. Diese Zahlen scheinen völlig aus der Luft gegriffen, vielmehr dürfte sich die Nummer der Gewalttäter auf einige Dutzende beschränken, umgeben von einem Unterstützerkreis von mehreren 100 Personen. Dieser wiederum erhält stillschweigende und primär logistische Unterstützung von einem weiteren Kreis, der einige tausend Personen angehören dürften. Die Kenntnisse des vermeintlichen Experten, dürfen aber ohnehin angezweifelt werden, denn obwohl er jüdischen Terrorismus seit 1970 beschreibt, scheint er noch nie vom Makhteret, dem jüdischen Untergrund und dessen Angriffen im Westjordanland sowie dessen Plan zur Sprengung des Felsendoms, gehört zu haben. Ebenso fragwürdig ist seine Behauptung, es gebe seit Jahrzehnten eine Trennung zwischen Palästinensern und Israelis und erstere seien durch ein „systematisch ungleiches Verhältnis“ entmenschlicht worden. De facto ist diese Trennung ein eher neues Phänomen, verstärkt insbesondere durch die Evakuierung von Gaza und den Bau der Sicherheitsbarriere im Westjordanland. Zuvor hatten Israelis und Palästinenser viel öfter und stärker miteinander interagiert. Entmenschlichung wiederum findet sich insbesondere auch auf palästinensischer Seite, wo Israelis und Juden in Schulbüchern und Medien weiterhin allzu oft dämonisiert werden.

Den Tiefpunkt in der Schweizer Berichterstattung erreichte indessen Walter Brehm im St. Galler Tagblatt von Mittwoch. In einer Brandrede gegen Ministerpräsident Netanyahu und dessen Regierung wirft er Israel vor, die Rechte von israelischen Arabern und Palästinensern zu missachten und „unliebsame Kritiker […] mit der Holocaust-Keule [sic]“ mundtot zu machen. Argumente, welche solche Anklagen untermauern könnten, sucht man bei ihm – wenig verwunderlich – vergebens.