Der Iran spielt weiter auf Zeit

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Federica Mogherini und Javad Zarif. Lausanne 02. April 2015. Foto United States Department of State
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Einmal mehr haben der Iran und die P5 + 1 sich darauf geeinigt, die Frist zur Erreichung eines Nuklearabkommens verlängern. Auf westlicher Seite scheint man fest entschlossen, um jeden Preis einen Deal abschliessen zu wollen.

Ein Kommentar von Michel Wyss

Noch am vergangenen Sonntag hatte Federica Mogherini, die Aussenbeauftragte der Europäischen Union, erklärt, eine Verschiebung der Frist sei keine Option und möglich sei bloss eine kurzzeitige Verlängerung. Zugleich lobte sie die „guten Resultate“ und den vorhandenen „politischen Willen“ auf allen Seiten. Derweil zeigt sich US-Aussenminister John Kerry optimistisch und sagte, in den sehr schwierigen Gesprächen würden Fortschritte erzielt. „Aus diesen Gründen werden wir unsere Arbeit fortsetzen“, so Kerry.

Diese Aussagen zeugen entweder von naivem Optimismus oder bewusster Irreführung. In beiden Fällen sind sie Augenwischerei. Der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei hat in den letzten Wochen mehrfach darauf insistiert, Iran würde keine internationalen Inspektoren in militärischen Einrichtungen dulden. US-Präsident Obama erklärte zwar, er werde keinen „schlechten Deal“ mit inadäquaten Inspektions- und Verifizierungsbestimmungen durchwinken, doch Bob Corker, der öffentlich eher zurückhaltende Vorsitzende des Foreign Affairs Committee, sagte gegenüber Obama, es sei „atemberaubend“, dass dessen Administration angeblich nicht mehr länger auf aggressive Inspektionen poche.

Während also eine konsistente Strategie auf Seite des Westens schwer erkennbar ist, erscheint sie auf der Gegenseite umso offensichtlicher: Der Iran spielt einmal mehr auf Zeit. Seit der Bekanntmachung der Nuklearanlage von Natanz im Jahr 2002 hat Teheran den Westen mit einer Mischung aus Dementi und Renitenz an der Nase herumgeführt. Stets hatte die islamische Republik darauf insistiert, über kein Nuklearwaffenprogramm zu verfügen, auch wenn sämtliche Indizien wie etwa weitere geheime Anlagen und die Entwicklung ballistischer Waffen dagegen sprachen.

Als das internationale Sanktionsregime der iranischen Wirtschaft immer schwerer zu setzte, sorgte dessen politische Führung dafür, dass das Regime künftig von einem vermeintlich moderateren Präsidenten, insbesondere im Vergleich zum Vorgänger Ahmadinejad, repräsentiert würde. Der Plan ging auf, Hassan Rohani lächelte sich in die Herzen der Weltöffentlichkeit und der Iran, der doch eigentlich – angesichts der angeschlagenen Ökonomie – aus einer Position der Schwäche in Verhandlungen einwilligte, konnte vom Westen im ursprünglichen Framework-Abkommen von Lausanne fundamentale Zugeständnisse erzwingen, ohne diese erwidern zu müssen, wie ein Factsheet der Foundation for the Defense of Democracies aufzeigt. Der dauerlächelnde Rohani hat derweil gedroht, Iran würde auf den „alten Weg“ zurückkehren, sollte der Westen sich nicht an seine Abmachungen halten.

Die iranische Strategie ist simpel: Während es die Verhandlungen mit dem Westen bewusst in die Länge zieht, schafft Teheran gleichzeitig immer wieder neue „facts on the ground“ (modernere Zentrifugen, Nichteinhaltung von zuvor getroffenen Vereinbarungen etc.), darauf spekulierend, dass der Westen diese früher oder später als Realitäten akzeptieren wird, die sich nicht ohne weiteres zurückrollen lassen.

Angesichts der in Aussicht stehenden Lockerung der Sanktionsbestimmungen scheint diese Strategie hervorragend aufzugehen und es gibt für das Regime schlicht keinen Grund, davon abzukehren. Der Westen täte gut daran, diese Tatsache schonungslos zu konfrontieren und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, wenn er tatsächlich an einer Lösung der nuklearen Streitfrage interessiert ist. Andernfalls wird der Iran wie gewohnt an seiner Verzögerungstaktik festhalten und die Aussicht auf ein richtiges Abkommen, „a good deal“, einmal mehr in weite Ferne rücken.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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