Dem Nahen Osten geht das Wasser aus

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Der Urmia See im Iran. Foto Alexandros Papadopoulos. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.
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Der ranghohe iranische Politiker Issa Kalantari warnte vor kurzem, dass Fehler der Vergangenheit die Wasservorräte des Irans so unzureichend gemacht hat, dass bis zu 70 Prozent oder 55 Millionen der 78 Millionen Iraner gezwungen sein werden ihre Heimat zu verlassen und in unbekannte Gebiete zu ziehen.

Viele Fakten untermauern Kalantaris apokalyptische Prognose: Seit 1996 hat der einst in der Dichtkunst gepriesene Urmia-See, der grösste See des Nahen Ostens, 95 Prozent seines Wassers verloren und sank von 31 Milliarden auf 1,5 Milliarden Kubikmeter ab. Was die Seine für Paris ist, war der Zayandeh Rud für Isfahan – ausser das Letzterer 2010 vollkommen austrocknete. Mehr als zwei Drittel der iranischen Städte stehen “am Rande einer Wasser-Krise”, die Knappheit an Trinkwasser zur Folge haben könnte; bereits heute sind Tausende Dörfer von Wasser-Tanklastern abhängig. Nie da gewesene Staubstürme stören die wirtschaftlichen Aktivitäten und schädigen die Gesundheit.

Die Iraner sind auch nicht die einzigen, die in Gefahr sind; viele weitere im ausgedörrten Nahen Osten könnten ebenfalls in ungewolltes, karges, verzweifeltes Exil gezwungen werden. Mit einer einzigartigen, grossartigen Ausnahme geht einem Grossteil des Nahen Ostens das Wasser aus; Grund sind Krankheiten wie Bevölkerungswachstum, kurzsichtige Diktatoren, verzerrte wirtschaftliche Anreize und Infrastruktur zerstörende Kriege. Ein paar Einzelheiten:

Ägypten: Ein steigender Meeresspiegel droht nicht nur die Küstenstädte des Landes (einschliesslich Alexandrias mit einer Bevölkerung von 4 Millionen) zu überschwemmen, sondern auch die Grundwasserschicht des Nildeltas zu kontaminieren, der eines der grössten Grundwasserreservoire der Welt ist. Die äthiopische Regierung wachte endlich dem Wasser-Problem des Blauen Nil gegenüber auf, der in ihrem Land entspringt; sie baut massive Dämme, die den Fluss seines Ägypten (und den Sudan) erreichenden Wassers erheblich reduzieren dürften.

Gaza: Es wird ein “hydrologischer Albtraum” genannt, dass eindringendes Seewasser und die Leckage von Abwasser 95 Prozent des Küsten-Grundwasserträgers für menschlichen Konsum unbrauchbar gemacht hat.

Jemen: Öl-Gelder erlauben es den Jemeniten mehr als je zuvor im Kauen von Qat zu schwelgen, einem Blatt, dessen Büsche weit mehr Wasser aufsaugen als die von ihnen abgelösten Speisepflanzen. In vielen Berggebieten gibt es “weniger als einen Liter Trinkwasser pro Tag” berichtet Wasserspezialist Gerhard Lichtenthaeler. Experte Ilan Wulfsohn schreibt, dass Sana’a “die erste Hauptstadt der Welt werden könnte, der das Wasser ausgeht”.

Syrien: Die syrische Regierung verschwendete von 1988 bis 2000 $15 Milliarden auf fehlgeschlagene Bewässerungsprojekte. Zwischen 2002 und 2008 trockneten fast alle der 420.000 illegalen Brunnen aus, dieGesamt-Wasserressourcen fielen um die Hälfte, ebenso die Getreideproduktion, was 250.000 Bauern veranlasste ihr Land aufzugeben. Bis 2009 hatten die Wasser-Probleme mehr als 800.000 Arbeitsplätze gekostet. Die New York Times berichtete, dass bis 2010 im Hinterland von Raqqa, heute die Hauptstadt des Islamischen Staats, “antike Bewässerungssysteme zusammengebrochen sind, Grundwasserquellen ausgetrocknet sind und Hunderte Dörfer aufgegeben wurden, weil Agrarland sich in rissige Wüste verwandelte und grasende Tiere wegsterben”.

Irak: Experten sagen voraus, dass die Wasser des Euphrat sich bald halbieren werden (zu den Folgen, kann man Offenbarung 16,12 lesen). Bereits 2011 wurde der Mossul-Damm, der grösste Stausee des Irak, wegen unzureichenden Wasserflusses stillgelegt. Seewasser aus dem Persischen Golf hat den Schatt al-Arab steigen lassen; das sich daraus ergebende salzige Wasser hat Fischzuchten, Viehbestand und Ernten vernichtet. Im Nordirak hat Wasserknappheit zur Aufgabe von Dörfern geführt, von denen inzwischen einige unter Sand begraben sind, zudem zu einer 95-prozentigen Abnahme des Anbaus von Gerste und Weizen. Von 33 Millionen Dattelpalmen sind noch 9 Millionen vorhanden. Saddam Hussein trocknete die Sümpfe des südlichen Irak aus, womit er auf einen Schlag eine ganze Wildtier-Ökologie zerstörte und die Sumpf-Araber ihres Lebensunterhalts beraubte.

Der Persische Golf: Riesige Entsalzungs-Anstrengungen haben ironischerweise den Salzgehalt des Meerwassers des Golfs von 32.000 auf 47.000 Teilchen pro Million steigen lassen, was Meeresflora- und Fauna gefährdet.

Das nicht weit entfernte Pakistan könnte bis 2022 ein “Land ohne Wasser” sein.

Israel bietet in dieser regionalen Leidensgeschichte die einzige Ausnahme. Auch der jüdische Staat litt noch in den 1990-er Jahren unter Wasserknappheit; doch heute schwimmt das Land dank einer Kombination aus Einsparung, Recycling, innovativen Landwirtschaftstechniken und High-Tech-Entsalzung in H2O (Israels Wasserbehörde: “Wir haben alles Wasser, das wir brauchen”). Ich finde es besonders bemerkenswert, dass Israel etwa 17 Liter Wasser für einen US-Cent entsalzen kann; und dass es etwa fünfmal so viel Wasser recycelt wie das auf dem zweiten Platz liegende Spanien.

Tröpfchen-Landwirtschaftstechnik von Netafim, einer israelischen Firma, die in mehr als 100 Ländern arbeitet. Foto Netafim
Tröpfchen-Landwirtschaftstechnik von Netafim, einer israelischen Firma, die in mehr als 100 Ländern arbeitet. Foto Netafim

Mit anderen Worten: Die von Trockenheit angetriebenen, drohenden Bevölkerungsumbrüche – das vielleicht allerschlimmste der vielen tiefgreifenden Probleme der Region – kann mit Gehirnschmalz und politischer Reife gelöst werden. Verzweifelte Nachbarn sollten darüber nachdenken ihren sinnlosen Kriegszustand mit der wassertechnischen Supermacht der Welt zu beenden und stattdessen von ihr zu lernen.

Von Daniel Pipes. Zuerst erschienen in “The Washington Times” (www.DanielPipes.org). Pipes ist Präsident des Middle East Forum.