Palästinensischer Staat

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Netanyahu an der Bar Ilan University 2013. Foto GPO/Amos Ben Gershom
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Netanjahu hat in seiner Rede 2009 an der Bar Ilan Universität erstmals der Errichtung eines Palästinensischen Staates zugestimmt.

Auf diese Rede bezieht sich US-Präsident Barack Obama. Er verkündete eine „Neubewertung“ (reassessment) der amerikanischen Politik, nachdem Netanjahu in den letzten Zügen des Wahlkampfes erklärt hatte, dass es „in meiner Amtszeit keinen palästinensischen Staat geben“ werde. Damit wollte Netanjahu ultrarechte Wähler auf seine Seite ziehen. Das ist ihm gelungen. Gleichwohl hat er am Tag nach seinem Wahlsieg bei NBC diese Aussage wieder zurückgenommen: Er stehe zu seiner Rede von 2009.

Obama behauptete nun, dass Netanjahu „unglaubwürdig“ sei. Sollte er dem Wahlkämpfer oder dem Wahlsieger glauben? Washington droht, künftig in der UNO und anderen Gremien kein Veto mehr bei anti-israelischen Resolutionen einzulegen.

Das gab den Palästinensern Aufwind, weiter die Anerkennung des „Staat Palästina“ in der UNO und die Mitgliedschaft beim Internationalen Gerichtshof zu betreiben, um israelische Politiker und Militärs als „Kriegsverbrecher“ anzuklagen.

Das von Obama geförderte politische Spiel bedeutet eine zusätzliche Isolierung Israels, denn selbst auf Europa kann sich Israel nicht verlassen. Das zeigte jüngst die Annahme eines Berichtes anlässlich eines Treffens der UN Kommission für den Status der Frauen, Bei dem allein Israel wegen der Verletzung von Frauenrechten . Länder wie Saudi Arabien, Iran oder Sudan wurden nicht einmal erwähnt. Die europäischen Staaten, darunter Deutschland und die Schweiz, enthielten sich. Aus Frust, Wut oder gar Rache für das Wahlergebnis wollen die USA künftig in ähnlichen Fällen keine schützende Hand über Israel mehr halten. Wegen des Wahlergebnisses bezweifelte Obama gar den Wert der israelischen Demokratie.

Da Obama darauf besteht, dass Netanjahu zu der Rede von 2009 „verpflichtet“ sei, lohnt sich ein Blick auf ihren Wortlaut. Erstmals hatte ein israelischer Premierminister über einen „Palästinensischen Staat“ geredet, was nicht einmal in den Osloer Verträgen erwähnt wird. Vergessen ist auch, dass Jitzhak Rabin in seiner letzten Rede in der Knesset vor seiner Ermordung gesagt hatte, dass es „niemals“ einen solchen Staat geben werde.

Die Rede vom 14. Juni 2009

In der Bar Ilan Universität erwähnte Netanjahu die Ablehnung des Teilungsplans der UNO von 1947 „durch alle Araber und alle arabische Staaten“, die blutigen arabischen Aufstände gegen Juden, Selbstmordattentate und Raketenbeschuss aus Gaza nach dem Rückzug von 2005. Bis zum Jahr 2000 hätten die Palästinenser zweimal das Angebot zu einem „fast vollständigen Rückzug“ (aus besetzten Gebieten) zurückgewiesen (vorgeschlagen von Ehud Barak und Ehud Olmert). Die Idee, dass territorialer Rückzug Frieden herbeiführen oder fördern könnte, (gemäss dem Prinzip „Land für Frieden“) habe den „Test der Realität“ nicht bestanden.

Die Bedingungen für die Errichtung eines palästinensischen Staates:

  • Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes. Das jüdische Volk hat ein Recht auf einen eigenen Staat in diesem Land. Das müssten die Palästinenser „öffentlich, verbindlich und unzweideutig“ anerkennen.
  • Es muss ein „Ende des Konflikts“ beschlossen werden
  • Eine Wiederansiedlung palästinensischer Flüchtlinge müsse ausserhalb der Grenzen Israels geschehen. Sonst würde Israels Existenz als Staat des jüdischen Volkes untergraben.
  • Das jüdische Volk benötigt eine souveräne Fähigkeit zur Selbstverteidigung.
  • Zwei Völker sollen frei, Seite an Seite, in Freundschaft und gegenseitigem Respekt in dem Land leben, jedes mit eigener Flagge, Nationalhymne und Regierung. Keines darf die Sicherheit oder das Überleben des anderen bedrohen.
  • Der palästinensische Staat müsse effektiv demilitarisiert sein, mit „eisernen“ Vorkehrungen für die Sicherheit Israels.
  • Der palästinensische Staat darf nicht wie Gaza eine Basis für Terror gegen den jüdischen Staat werden.
  • Die Palästinenser dürfen nicht in der Lage sein, Raketen in ihr Territorium zu importieren, eine Armee aufzustellen, Israels Luftraum zu sperren und militärische Bündnisse mit der Hisbollah, Iran und ihresgleichen zu schliessen.
  • Entmilitarisierung bedeutet: keine Armee, keine Kontrolle über den Luftraum und effektive Sicherheitsmassnahmen, um Waffenschmuggel zu verhindern. Es bedarf zudem eines echten Überwachungssystems.
  • Israel benötigt verteidigungsfähige Grenzen
  • Jerusalem bleibt die „vereinte Hauptstadt Israels mit Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtungen“.
  • Die territoriale Frage muss im Rahmen des endgültigen Friedensabkommens ausgehandelt werden.
  • Im Tausch für israelische „Bemühungen“ um „Bewegungs- und Zugangsfreiheit“ (Freizügigkeit) müssen die Palästinenser den Terror bekämpfen, die Rechtsherrschaft stärken, Kinder zu Frieden erziehen und die Hetze gegen Israel einstellen.
  • Die Palästinensische Autonomiebehörde muss rechtsstaatliche Verhältnisse in Gaza wiederherstellen und die Hamas „überwinden“.

Kein einziger der von Netanjahu 2009 erwähnten Punkte ist von den Palästinensern akzeptiert oder gar umgesetzt worden. Im Gegenteil: die Palästinensische Autonomiebehörde hatte Netanjahus Vorstellungen pauschal und empört zurückgewiesen.

Wenn sich US-Präsident Obama heute auf die Rede bezieht und Netanjahu vorwirft, seine eigenen „Verpflichtungen“ nicht einzuhalten, wirft das mehrere Fragen auf:

Ist sich Obama der Konditionen bewusst, die Netanjahu an die Errichtung eines palästinensischen Staates geknüpft hat? Will Obama den Palästinensern tatsächlich einen Frieden mit Bedingungen aufzwingen, die sie allesamt zurückgewiesen haben? Warum fordert Obama nicht die Palästinenser auf, entsprechend der Rede von 2009, auf ein „Rückkehrrecht der Flüchtlinge“, auf Jerusalem, auf volle Souveränität und eigene Grenzkontrollen ohne israelische Einmischung zu verzichten? Warum pochen die Amerikaner nicht auf einer Anerkennung Israels als „Nationalstaat des jüdischen Volkes“?

Ungeachtet der Frage, ob Netanjahus Bedingungen von 2009 akzeptabel sind und als Grundlage für einen Frieden dienen können, zumal die Palästinenser ganz andere Vorstellungen haben, fragt sich ernsthaft, ob die Amerikaner diese Bedingungen für sich selbst akzeptiert haben, wenn Obama den israelischen Premier zum Inhalt dieser Rede geradezu verpflichten will.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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