Social Media: Werbung für den Terror?

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Foto Screenshot Youtube
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Nur wenige Minuten nach dem Terroranschlag auf das Nationalmuseum von Bardo in Tunis am vergangenen Mittwoch, bei dem 22 Menschen ermordet wurden, haben Sympathisanten des Jihad im sozialen Netzwerk Twitter die Tat gefeiert.

«Allah sei Dank kommen aus Tunesien die meisten Kämpfer für den Heiligen Krieg an die Front und in den Islamischen Staat«, hiess es in einem Tweet, der typisch für Hunderte solcher Kurznachrichten direkt nach der Attacke war. Damit bestätigte sich gemäss der Medienplattform TheTower.org eine Einschätzung, die das Simon Wiesenthal Center (SWC) in seinen kürzlich veröffentlichten Zeugnissen für die weltweiten Social Media getroffen hat: Twitter ist für Extremisten aller Art die bevorzugte Marketingwaffe im Internet.

Es gebe inzwischen Hunderttausende von Tweets, die «in der Online-Kommunikation und im Marketing von Gruppen wie ISIS eine Schlüsselrolle spielen», konstatierte das Zentrum. Die Verantwortlichen des Kurznachrichtendienstes, der vom SWC auf einer Skala von «A» bis «F» die Note «C» erhielt, sähen allmählich jedoch zumindest ein, dass es ein ernstes Problem gibt. Dennoch sei es weiterhin problemlos möglich, gesperrte Accounts unter einem anderen Namen wiederzueröffnen und gelöschte Tweets erneut zu versenden.

Anders sieht es dem SWC zufolge bei Facebook aus, das die Note «B+/A-» bekam und damit zu den Besten gehört. Rabbi Abraham Cooper, der stellvertretende Direktor des Zentrums in Los Angeles, lobte die Plattform für ihre Bereitschaft, gegen Nutzer vorzugehen, die Terror und Hass verbreiten. Auch sei es zu begrüssen, dass Facebook eine Technologie entwickelt hat, mit der gesperrte Mitglieder daran gehindert werden, unter geändertem Namen neue Accounts anzulegen.

Viele andere soziale Netzwerke schnitten in den Zeugnissen dagegen erheblich schlechter ab. Die russische Plattform VK.com etwa wurde mit der Note «F» bewertet, weil sie sich für Jihadisten immer stärker zu einer Alternative zu Facebook entwickelt. Auch SureSpot, eine verschlüsselte Seite zum privaten Chatten, bekam ein «F» verpasst, während Kik, ein weiteres Chat-Programm mit einer wachsenden Anhängerschar von Islamisten, ein «D» erhielt.

Rick Eaton, einer der beiden Autoren des Zeugnisberichts, präzisierte, wie Extremisten die Social Media für ihre Zwecke nutzen. So hätten beispielsweise palästinensische Sympathisanten des Terrors nach dem tödlichen Anschlag im Januar auf die Redakteure und Mitarbeiter der Zeitschrift «Charlie Hebdo» in Paris den Hashtag #JeSuisCharlie in ihrem Sinne abgewandelt und Tausende von Tweets mit dem Schlagwort #JeSuisCouteau («Ich bin ein Messer») verschickt – eine Hommage an den Palästinenser, der am 21. Januar in einem Bus in Tel Aviv auf zwölf Menschen eingestochen hatte.

Mark Weitzman, der andere Autor, machte deutlich, dass es in den Social Media ausgesprochen populär ist, bekannte Bilder aus dem Holocaust für die palästinensische Propaganda zu missbrauchen – etwa, indem ein Foto vom Vernichtungslager Auschwitz auf eine Zeichnung montiert wird, die die israelischen Sperranlagen zeigt. Auch in der Türkei gebe es bedenkliche Tendenzen. So habe es allein am 17. Juli 2014, während des Krieges zwischen der Hamas und Israel, 27.000 Tweets in türkischer Sprache gegeben, in denen es hiess, Hitler habe mit der Judenvernichtung Recht gehabt. Der einzig richtige Weg, solchen Trends entgegenzuwirken, bestehe in einem rigorosen Vorgehen gegen extremistische Inhalte in den sozialen Netzwerken durch die entsprechenden Anbieter, schlussfolgert das SWC.

Zusammenfassung eines Originalbeitrags von TheTower.orgÜbersetzung und Bearbeitung: Alex Feuerherdt

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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