Wahlkampf ist lustig

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Wahlplakat von Kahlon. Foto Ranbar. Lizenziert unter CC-BY-SA 4.0 über Wikimedia Commons.
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Zipi Livni hat einen Weltrekord gebrochen. Ursprünglich Mitglied des Likud hat sie inzwischen fünfmal die Partei gewechselt und zudem ihre Kadima-Partei, deren Vorsitzende sie vier Jahre war, an die Wand gefahren. Als Justizministerin der Hatnua-Partei wurde sie jüngst ihres Amtes enthoben und hat nun mit Isaac ‚Bougi’ Herzog eine „Rotation“ an der Spitze der Arbeitspartei verabredet. Zu recht fragt der alte Uri Avneri, ob der ‚Herzog’ die Chance hat, ‚König’ in Israel zu werden.

Aber auch Politiker der frommen Schass-Partei rotieren. Der ehemalige Parteichef Eli Yishai will den Hut nehmen und sich mit einer neuen „Tora-orientierten“ religiös zionistischen Partei dem „Jüdischen Haus“ (Beit Hayehudi) anschliessen. Eli Yishais neue Partei soll „Maran“ heissen, der Ehrentitel „Unser Herr“ des verstorbenen Schass-Gründers Rabbi Ovadja Josef.

Laut Gerüchten soll der von Netanjahu gefeuerte „gemässigte“ Finanzminister Yair Lapid schon Kontakte mit dem „extremistischen“ Aussenminister Avigdor Lieberman aufgenommen haben, um zusammen mit der neugegründeten Partei von Mosche Kachlon „Wir alle“ ein neues Bündnis einzugehen. Das wurde zwar dementiert, aber warum nicht? Kachlon galt im Likud als die grosse Hoffnung, Netanjahu abzulösen, geht aber inzwischen andere Wege. Lieberman machte am Samstag den Vorschlag, eine Partei des „Sechel Jaschar“ zu gründen, übersetzt etwa „das gerade Denken“ oder „die Vernunft“. Das wäre dann die zweite von ihm gegründete Partei.

Netanjahu hat endlich begriffen, dass in Israel eine Kampagne geführt wird, um ihn abzusetzen.  Selbstverständlich will der schon dreimal gewählte Regierungschef das nicht kampflos hinnehmen und entdeckte bei der Gelegenheit seinen schlimmsten Feind: die Medien!

Die Politiker spielen nicht nur „Reise nach Jerusalem“, indem sie vom Stuhl in einer Partei zu dem in der anderen wechseln. Belustigend ist auch, wie sie sich heute gegenseitig öffentlich beschimpfen, obwohl sie sich noch vor einer Woche noch freundlich angelächelt haben. Parteien kommen und verschwinden wieder. Das hat in Israel schon Tradition.

Yair Lapid, der grosse Held der letzten Wahlen, ist laut Umfragen schon auf die Hälfte geschrumpft. Kurioserweise behauptet er heute, dass Ministerpräsident Netanjahu ihn „niemals“ nach sozialen Projekten befragt habe, obgleich sie zwei Jahre lang im Kabinett nebeneinander sassen. Ebenso bezichtigt er Netanjahu, „keinerlei Konzept“ für den Kampf gegen Terror zu haben. Dabei haben der Ministerpräsident und sein Polizeiminister erst vor kurzem einen ganzen Katalog mit Gegenmassnahmen veröffentlicht.

Ob der potenziellen Neugründungen von Parteien und Neuorientierung vieler Politiker und Minister im Vorfeld der Neuwahlen, empfahl der bekannte Sänger Yoram Gaon seinen Zuhörern in seinem wöchentlichen Radioprogramm am Freitagmittag, für drei Monate ins Ausland zu reisen und erst einen Tag vor dem Wahltag am 17. März zurückzukehren. Bis dahin dürften sich die Politiker und die Parteien aussortiert haben. Dann erst könne er vielleicht entscheiden, welche der 20 bis 30 Parteien würdig wären, seine Stimme zu erhalten.

Angesichts des derzeitigen Chaos in der politischen Landschaft bieten Umfragen auch keinen guten Anhaltspunkt. Denn die prüfen die Popularität existierender Parteien, können aber weder die überraschenden Zusammenschlüsse noch die geheimen Koalitionen vorhersehen, die gerade hinter den Kulissen geschlossen werden. Diese wollen nach den Wahlen einen „linken Block“ bilden – der Netanjahu abschaffen soll – oder ein mehrheitliches „nationales Lager“, um die Übernahme des Staates durch die „Linken“ zu verhindern.

Die rund 90 Tage bis zu den Wahlen sind in Israel eine Ewigkeit. Vorerst geht es nur um „Köpfe“ ohne „Inhalt“. Ob es im Wahlkampf dann doch noch richtungsentscheidende  Themen geben wird, lässt sich im Augenblick nicht absehen.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Die erste Abstimmung in Israel an der ich teilnahm, war alles Andere als lustig. Es war ein traumatisches Erlebnis.
    Als Schweizer bin ich es gewöhnt, dass die Ehefrau so abstimmt wie ich es mir als Oberhaupt der Familie wünsche. Leider hatten die Wahlbeobachter in Israel dafür kein Verständnis und liessen mich nicht die Wahlkabine betreten, in der meine Frau gerade ihre Stimme abgab. Ich wollte ja nur ihre Wahl kontrollieren und hatte nicht etwa das Entsprechende zum „Mile High Club“ vor. Da ich eine Konfrontation vermeiden wollte habe ich aufgegeben.
    Bei den kommenden Wahlen im März 2015 wird alles anders. Da werde ich genaus so wie meine Frau abstimmen.

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