Der Mythos von Al-Aqsa

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Al Aqsa Moschee, Foto von Barbara Kabel. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons.
Al Aqsa Moschee, Foto von Barbara Kabel. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons.
Lesezeit: 7 Minuten

Wie wichtig Jerusalem für Juden und Christen ist, steht ausser Frage, da die Verbindung dieser Stadt mit dem Judentum und Christentum Teil der allgemeinen Auffassungen von Geschichte und Theologie ist. Doch wenn es um moderne Politik geht, sind immer wieder Forderungen von Palästinensern, Arabern und Muslimen zu hören, dass Jerusalem die Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates sein wird wegen ihrer Heiligkeit im Islam. Die Frage ist nur, wann und wie die Stadt für Muslime heilig wurde.

Als der Prophet Mohammad den Islam gründete, führte er nur ein Mindestmass von Erneuerungen ein. Er bediente sich der geheiligten Figuren, historischen Legenden und heiliger Stätte des Judentums, Christentums und sogar des Heidentums, indem er diese islamisierte. Somit war Abraham gemäss des Islam der erste Muslim, und Jesus und Johannes (der Sohn von Miriam, der Schwester von Moses und Aaron) waren Propheten und Wächter des zweiten Himmels. Viele biblische Legenden („asatir al-awwalin“), die den heidnischen Arabern bereits vor Beginn des Islam bekannt waren, wurden einer islamischen Konversion durchzogen, und der Koran und die Hadith (islamische mündliche Tradition) sind reichlich mit ihnen bestückt.

Nicht nur Orten, sondern auch Personen wurden islamisiert: Mekka und der heilige Stein – al Ka’bah – waren bereits bei den vor-islamischen heidnischen Arabern heilige Stätte. Die Umayyaden-Moschee in Damaskus und die Hagia Sophia in Istanbul wurden auf christlich-byzantinischen Kirchen erbaut – zwei der bekannteren Beispiele wie der Islam mit Heiligtümern anderer Religionen umgeht.

Auch Jerusalem durchlief einen Islamisierungsprozess: zuerst versuchte Muhammad die Juden von Medina davon zu überzeugen, sich seiner jungen Gemeinschaft anzuschliessen und durch Überredung begründete er die Gebetsrichtung (kiblah) nach Norden, nach Jerusalem, und hielt sich damit an den jüdischen Brauch; nachdem er aber mit seinem Versuch gescheitert war, wandte er sich gegen die Juden, tötete viele von ihnen, und verschob die kiblah Richtung Süden nach Mekka. Muhammads Abwendung von Jerusalem erklärt die Tatsache, dass diese Stadt nicht ein einziges Mal im Koran erwähnt wird. Nachdem Palästina von den Muslimen besetzt wurde, war Ramle ihre Hauptstadt, 48 km westlich von Jerusalem, was bezeichnend dafür ist, dass Jerusalem keine Bedeutung für sie hatte. Der Islam hat Jerusalem 50 Jahre nach Muhammads Tod wiederentdeckt. Im Jahre 682 n.Chr. rebellierte ‘Abd Allah ibn al-Zubyar gegen die islamischen Herrscher in Damaskus, eroberte Mekka und hielt Pilger vom Haji nach Mekka ab. ‚Abd al-Malik, Umayyaden-Kalif, brauchte eine Alternative für die Pilgerreise und wählte Jerusalem, das dann unter seiner Kontrolle stand. Zur Rechtfertigung seiner Wahl, diente Sure 17, 1 aus dem Koran (Übersetzung M.A. Rassoul):

„ Gepriesen sei Der, Der bei Nacht Seinen Diener von der heiligen Moschee zu der fernen Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, hinführte, auf daß Wir ihm einige Unserer Zeichen zeigten. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allsehende.“

Die Deutung dieses Verses (siehe Kommentare in al-Jallalayn) besagt, dass „die ferne Moschee“ (al-masgid al-aqsa) in Jerusalem ist und dass Muhammad eines nachts dorthin gesandt wurde (obwohl diese Reise zu jener Zeit drei Tage per Kamel dauerte), auf dem Rücken von al-Buraq, das magische Pferd mit dem Kopf einer Frau, Flügel eines Adlers, Schwanz eines Pfau und Hufen, die bis zum Horizont reichen. Er hat das Pferd an der Klagemauer des Tempelbergs festgebunden und stieg von dort auf in den siebten Himmel zusammen mit dem Engel Gabriel.  Auf dem Weg traf der die Propheten anderer Religionen, die die Wächter der sieben Himmel sind: Adam, Jesus, Johannes, Josef, Idris (Seth?), Aaron, Moses und Abraham begleiteten ihn auf dem Weg zu Allah und anerkannten ihn als Oberhaupt.

Somit versucht der Islam die Rechtmässigkeit über andere, ältere Religionen zu erlangen, indem er ein Szenario kreierte, in der die früheren Propheten Muhammads Herrschaft zustimmten und ihn damit zum  Khatam al-Anbiya’ (Das Siegel der Propheten) machten. Gemäss dieser Überlieferung trat der Islam in die Welt, um das Judentum und Christentum zu ersetzen statt nebeneinander mit ihnen zu leben.

Wenig überraschend ist, dass dieser wundersame Bericht eine Reihe von Grundsätzen des Islam widerspricht: Wie kann ein lebender Mensch aus Fleisch und Blut in den Himmel aufsteigen? Wie kann ein mythisches Wesen einen Sterblichen zum wahren Ziel führen? Aufgrund solcher Fragen, sind orthodoxe Denker zu dem Schluss gekommen, dass die Nachtreise ein Traum von Muhammad war. Die Reise und der Aufstieg dient dem Islam dazu, der Bibel „eins draufzusetzen“: Moses ist „nur“ auf den Sinai hinaufgestiegen, mitten im nirgendwo, und kam dem Himmel nahe, wohingegen Muhammad bis zu Allah gekommen ist, und das von Jerusalem aus.

Worin bestehen die Schwierigkeiten zu glauben, dass die Al-Aqsa wie in der islamischen Tradition beschrieben, sich in Jerusalem befindet? Zum einen haben die Menschen, die Muhammad gut kannten, diese Geschichte nicht geglaubt. Nur Abu Bakr (später der erste Kalif) glaubte ihm und wurde deshalb al-Siddiq („Der Glaubige“) genannt. Die zweite Schwierigkeit ist, dass gemäss islamischer Tradition sich die al-Aqsa Moschee nahe Mekka auf der arabischen Halbinsel befindet. Diese unmissverständliche Aussage findet sich im Buch „Kitab al-Maghazi“ (Oxford University Press, 1966, vol. 3, pp. 958-9), des muslimischen Historiker und Geographen al-Waqidi. Gemäss al-Waqidi gab es zwei „masjeds“ (Gebetsorte) in al-Gi’irranah, ein Dort zwischen Mekka und Ta’if, eine war „die nähere Moschee“ (al-masjid al-adna) und die andere war „die fernere Moschee“ (al-masjid al-aqsa), wo Muhammad betete, wenn er die Stadt verliess.

Diese Beschreibung von al-Waqidi , die von einer Überlieferungskette (isnad) unterstützt wird, war nicht „zweckdienlich“ für die islamische Propaganda des 7. Jahrhunderts. Um eine Basis Grundlage für das Bewusstsein von „Heiligkeit“ von Jerusalem im Islam zu schaffen, erfanden die Kalifen der Umayyaden Dynastie viele „Traditionen“ die den Wert von Jerusalem aufrechterhielten (bekannt als „fadha’il bayt al-Maqdis), was die Pilgerreise nach Jerusalem für gläubige Muslime rechtfertigen würde. Somit wurde al-Masjid al-Aqsa nach Jerusalem „transportiert“. Es sollte beachtete werden, dass Saladin ebenfalls den Mythos von al-Aqsa und jene „Traditionen“ annahm, um muslimische Krieger gegen die Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert zu rekrutieren und aufzuhetzen.

Ein weiteres Ziel der Islamisierung Jerusalem war die Rechtmässigkeit der älteren Religionen, Judentum und Christentum, zu untergraben, die Jerusalem als heilige Stadt betrachteten. Der Islam wird als die einzige rechtmässige Religion dargestellt, die dazu bestimmt ist, die beiden anderen zu ersetzen, weil Juden und Christen das Wort Gottes verändert und verfälscht habe  („ghyyarou wa-baddalou”). Zu den angeblichen Verfälschungen der heiligen Schrift durch Juden und Christen vergleiche das Dritte Kapitel von M-J. Kister , “haddithu ‘an bani isra’il wa-la haraja”, IOS 2 (1972), pp. 215-239. Kister zitiert Dutzende islamische Quellen).

Obwohl Judentum und Christentum in Jerusalem nebeneinander leben können, sieht der Islam sie beide als Verrat an Allah und seinen Lehren, eine Sichtweise, die der Islam immer hat und alles in seiner Macht stehende unternehmen wird, um beide aus der Stadt zu vertreiben. Es ist interessant zu beobachten, dass diese Vertreibung retroaktiv ist: Die islamischen Radiomoderatoren bringen ständig die Behauptung vor, dass Juden nie einen Tempel auf dem Tempelberg gehabt hätten und sicherlich keine zwei. (Aber wo hat dann Jesus gepredigt?)

Arafat, der selbst ein säkularer Mann war (man muss nur die Hamas fragen!), machte es genau den Kalifen der Umayyaden-Dynastie vor 1300 Jahren nach: er arrangierte die Heiligkeit Jerusalems für seine politischen Zwecke. Er konnte die Kontrolle über Jerusalem nicht an die Juden abgeben, da sie gemäss Islam unrein sind und der Zorn Allahs über ihnen steht  (“al-maghdhoub ‘alayhim”; Koran 1,7, siehe al-Jalalayn und andere Kommentare: die Versnummern können je nach Übersetzung variieren). Die Juden sind die Söhne von Affen und Schweinen (5,60). (Siehe dazu beispielsweise Musnad al-Imam Ahmad ibn Hanbal, (Beirut 1969) vol. 3, p. 241,  348, 395, 397, 421, und vol. 6, p. 135.). Die Juden sind jene, die die heiligen Schriften verfälscht haben, die ihnen offenbart wurden (2,73; 3,72). Da sie gegen den Bund mit Gott verstiesse (4,154), verfluchte Er sie (5,16) und sie sind auf ewig die Erben der Hölle (3,112). Wie hätte also Arafat Jerusalem den Juden überlassen können?

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Keffiya zeigt die erhoffe Einnahme Jerusalems und Zerstörung Israels. Auf der rechten Schalhälfte steht „Jerusalem gehört uns“, darunter das Bild der Al-Aqsa Moschee; links steht „Palästina“, darunter eine Landkarte von Palästina ohne Israel.

Heutzutage sind die palästinensisch-arabischen Medien voll mit Jihad-Botschaften, die dazu aufrufen, den national-politischen Krieg zwischen Israel und den Palästinensern zu einem religiös-islamischen Krieg zwischen Juden und Muslimen zu erweitern. Hört genau hin: für sie ist das Christentum nicht besser als das Judentum, da beide ihr Recht über Jerusalem zu herrschen, „verwirkt“ haben.  Nur der Islam – Din al-Haqq („Religion der Wahrheit“) – besitzt dieses Recht und zwar für ewig. Das ist und war immer das Leitmotiv in den Freitagspredigten in palästinensischen Moscheen und offiziellen Medien.

Da die Heiligkeit Jerusalems für den Islam nichts weiter als eine politisch motivierte Heiligkeit ist – und es immer war – , würde jeder palästinensische Politiker seinen politischen Kopf riskieren, sollte der die Stadt aufgeben. Müssen sich Judentum und Christentum Mythen fügen, die in islamischen Texten erzählt  werden oder die sich Muhammad angeblich im Traum vorgestellt hat, lange nachdem Jerusalem bereits als antikes, wahres Zentrum dieser beiden Religionen gegründet war bevor es den Islam überhaupt gab?

Sollte die Welt die Landkarte des Nahen Osten neugestalten, nur weil Muslime beschliessen, die politischen Probleme der Umayyaden zu recyceln, 1250 Jahre nachdem der Vorhang hinter ihrer Rolle in der Geschichte gefallen ist?

Originalversion: Why and When was the Myth of al-Aqsa Created? By Dr. Mordechai Kedar © Israel National News, November 10, 2014.