Spiegel: „Friedenskämpfer“ für Krieg und Folter

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Abu Yazan R. Uri Weltman l. Foto: Screenshot Spiegel Online
Abu Yazan R. Uri Weltman l. Foto: Screenshot Spiegel Online
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Spiegel-Online hat einen Israeli aus Haifa und einen Palästinenser aus Gaza ausgewählt, sie zu „Friedenskämpfern“ erklärt und ihnen eine Bühne geboten, ihre Ansichten vorzustellen. Die Spiegel-Redakteurin Theresa Breuer hat nicht verraten, wie sie „Friedenskämpfer“ definiert und gemäss welchen Kriterien sie die beiden ausgewählt hat. Der Israeli vertritt Ansichten, die täglich in Zeitungen wie Haaretz nachzulesen sind. Der Palästinenser befürwortet ausdrücklich Krieg.

Uri Weltmann, 30, Student in Haifa, wurde wegen seiner Ansichten auf Facebook und per SMS bedroht. Aber er durfte mit 300 Anderen mitten im Gaza Krieg gegen den Krieg öffentlich protestieren. Die Polizei beschützte ihn und die ihm garantierte Demonstrationsfreiheit vor 2000 Steine werfenden „Faschisten“ und „Tod den Arabern“ brüllenden Radikalen. Weltmann forderte einen sofortigen Waffenstillstand und die Rückkehr zu Gesprächen mit Fatah und Hamas. Na und? Das verlangten auch linke israelische Politiker und Kommentatoren des Haaretz.

Durch den Krieg sei eine neue Generation Radikaler in Gaza entstanden. Als ob es vor dem Krieg keine „Radikale“ in Gaza gegeben hätte, die im Juni 3 israelische Jugendliche entführt, mit Raketenbeschuss den Krieg provoziert und mit 15 Brüchen des Waffenstillstands den Krieg unnötig in die Länge gezogen haben. „Die Raketen der Hamas sind natürlich falsch“, behauptet er, ohne weiter darauf einzugehen. Ansonsten ist nach Angaben des „Friedenskämpfers“ nur Israel schuld, wegen der Siedlungen und weil es keinen „unabhängigen palästinensischen Staat“ zulasse. Den damals 11-jährigen habe die Ermordung Yizchak Rabins 1995 „politisiert“. Doch Rabin hat mit den Oslo-Verhandlungen nicht nur Hoffnung auf Frieden gebracht, wie Weltmann behauptet. Als „politisierter“ Israeli hätte er das ganze Bild sehen müssen. Denn Rabin hat mit Arafat auch die PLO-Kämpfer, Waffen und den Terror ins Land geholt. So hatte der vor 19 Jahren ermordete Rabin eine Entwicklung angestossen, die auch die Gaza-Kriege ermöglicht haben.

„Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ist Europa heute eine der friedlichsten Regionen der Welt“, behauptet Weltmann. Das wurde vom Spiegel unkommentiert stehen gelassen. Der Erste Weltkrieg und der „Friede von Versailles“ führten zum 2. Weltkrieg. Der endete mit 50 Mio. Toten und einer Zerstörung der Welt. Seit Versailles ist kein Friedensvertrag mehr in Europa geschlossen worden. Von einem „friedlichen Europa“ kann man nur reden, wenn man die Kriege im ehemaligen Jugoslawien ausblendet, sowie die blutigen Aufstände in Nordirland und anderswo. Die Besatzung und Teilung Deutschlands, der Mauerbau in Berlin, der „Kalte Krieg“ passen auch nicht wirklich zum Wort „friedlich“.

Der Palästinenser Abu Yazan, 27, studiert in Jena in Deutschland, weil es für ihn, wegen seiner Anschauungen, in Gaza zu gefährlich sei. Der palästinensische „Friedenskämpfer“ befürwortet ausdrücklich den Krieg: „Die Hamas leistete enormen Widerstand.“ Und weiter sagt er: „Ich mag die Hamas nicht, aber den Widerstand, den sie in diesem Krieg leistet, unterstütze ich.“ Mit „Widerstand“ kann dieser „Friedenskämpfer“ nur den willkürlichen Beschuss israelischer Zivilisten mit Raketen und Mörsergranaten gemeint haben, sowie das Eindringen bewaffneter Freischärler nach Israel. „Die Reaktion war nötig, damit Israel Gaza nicht überrennt.“ Yazan gibt eine Propagandabehauptung der Hamas wieder, denn das offizielle Israel hatte keine Absicht, Gaza zu überrennen. Im Gegenteil, die Hamas hatte versucht, Israel zum umfassenden Einmarsch zu provozieren.

Mit seiner 2011 gegründeten Bewegung “Gaza Youth Breaks Out” forderte Yazan Unabhängigkeit, Redefreiheit, Pressefreiheit. Dafür musste der israelische Friedenskämpfer nicht kämpfen, denn das hat er alles. Welchen „Frieden“ meint der Spiegel, wenn der „Friedenskämpfer“ kriegerische Akte gegen Zivilisten befürwortet, die gemäss jeglichen Kriterien als Kriegsverbrechen gelten?

Offensichtlich ist man „Friedenskämpfer“, wenn man „mehr als 40-mal“ im Gefängnis sitzt, „wegen meiner politischen Aktivitäten“. Schlimmer noch. So betrachtet müsste es in Syrien, Iran, China und anderen Ländern nur so wimmeln vor „Friedenskämpfern“.

Unkommentiert lässt der Spiegel durchgehen, was Yazan zu Schlafentzug im Gefängnis sagt: „Sie folterten mich nicht körperlich.“ Siehe dazu focus, wdr, spiegel, igfm. Schlafentzug als Folter verstösst gegen das Völkerrecht, vor allem, wenn es die USA, China oder Russland anwenden, und wenn Israel deswegen beschuldigt werden kann. Der Spiegel, die Berliner Zeitung, rp-online, Reuters und Focus berichteten 1997 über Professor Bent Sorensen, Mitglied des UNO-Komitee: „Israel ist weltweit der einzige Staat, der die Folter offiziell duldet.“ Yazan hätte vermutlich ganz anders geredet, wenn er in einem israelischen Gefängnis so behandelt worden wäre, wie er es im Hamas-Gefängnis erlebt hat.

Beim Vergleich der Monologe dieser „Friedenskämpfer“ fällt auf, dass der Palästinenser den Israelis die böse Absicht unterstellt, den Gazastreifen zu überrennen. Aus Sicht seines israelischen Counterparts sind die Siedlungen der Hauptgrund für den Krieg gewesen. Die erwähnt der Palästinenser nicht einmal, vielleicht weil es im Gazastreifen seit 2005 gar keine Siedlungen mehr gibt. Es wirkt, als würden diese „Friedenskämpfer“ nicht über den gleichen Krieg reden. Und um Frieden geht es weder dem Israeli noch dem Palästinenser.

 

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Uri Weltmann, 30, studiert angeblich Philosophie an der Universität Haifa und meint treuherzig:

    „Ich verurteile die Gewalt auf beiden Seiten. Auch die Raketen der Hamas sind natürlich falsch. Aber Israel muss die Besatzung beenden, die Siedlungen im Westjordanland räumen und einen unabhängigen palästinensischen Staat zulassen – sonst gibt es wahrscheinlich nie richtigen Frieden.“

    Eine erbärmliche, erschreckend unpolitische und bodenlos naive Aussage. Hat dieser Mensch jemals in seinem noch jungen Leben über irgendetwas wirklich nachgedacht? Über die Sache, von der er im Spiegel plappert, auf jeden Fall nicht. Abgesehen davon, dass er lediglich in einem Nebensatz den Raketenterror der Hamas als „falsch“ bagatellisiert, hat der Herr Student nicht begriffen – obwohl er doch vor Ort weilt –, dass seine Landsleute Westjordanland von heute auf morgen sich selbst überlassen würden, wenn es dafür einen reellen Schritt zu einem wirklichen Frieden geben würde. Der ist jedoch bei den Palästinensern weit und breit nicht in Sicht und wird jeden Tag aufs neue ad absurdum geführt. Würde der Inhalt seines Geschwätzes real umgesetzt, würde sich die Sicherheitslage von Israel im besten Fall für nichts und wieder nichts dramatisch verschlechtern. Über den schlechtesten Fall will ich gar nicht spekulieren, außer dass sein „sorry, ich habe mich geirrt“ dann kaum noch jemanden interessieren dürfte.

    Jetzt zu seinem intellektuell passenden Gegenüber. Abu Yaza, Student aus Jena, der für das Pressebild natürlich vor einer Ruine in Gaza posiert, meint:
    „Ich mag die Hamas nicht, aber den Widerstand, den sie in diesem Krieg leistet, unterstütze ich. Die Reaktion war nötig, damit Israel Gaza nicht überrennt.“

    Zu diesem „Friedensfreund“ reicht neben obiger Aussage, die Information, dass er angeblich 40-mal im Gefängnis der Hamas saß. Ein echter Kämpfer, der sich von so einem lächerlichen Papiertiger wie der Hamas nicht unterkriegen lässt.

    Zwei Wichtigtuer, die nicht das Geringste begriffen haben, sind für den Spiegel genau die Richtigen, wenn für die israelfeindliche Agenda „authentische“ Stimmen benötigt werden.

  2. Danke Ulrich Sahm!
    Dass der Spiegel israelfeindlich ist – keine Neuigkeit.
    Dass Judesein allein gegen Dummheit nicht schützt – ist auch nicht unbekannt.
    Trotzdem kann man es nicht oft genug wiederholen, die Menschen sind nämlich vergesslich. Und wo es unangenehm wird, noch mehr.
    lg
    caruso

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