Verteidigungsfähige Grenzen in Zeiten der IS

1
An excerpt of a map showing threats to Israeli population centers from the West Bank. Jerusalem Center for Public Affairs.
An excerpt of a map showing threats to Israeli population centers from the West Bank. Jerusalem Center for Public Affairs.
Lesezeit: 5 Minuten

Was bedeuten die Unruhen im Nahen Osten für die territorialen Bedürfnisse Israels? Dore Gold, Leiter des Jerusalem Center for Public Affairs, setzt sich seit langem für das Konzept verteidigungsfähiger Grenzen ein, hauptsächlich als Mittel, um israelische Sicherheitsbedürfnisse im Westjordanland sicherzustellen. In einem Interview mit dem Mosaic Magazine geht er auf die Hintergründe und Bedeutung ein. Nachfolgend eine Zusammenfassung:

Das Konzept entstand 1967

Die ursprüngliche Idee der „verteidigungsfähigen Grenzen“ stammt vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Yigal Allon nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967. Sein wesentlicher Punkt ist und war sehr einfach: Israel muss wegen seiner eigenen Sicherheit bestimmte Gebiete im Westjordanland beibehalten.

Das Westjordanland wird zunehmend als ‚besetzte palästinensische Gebiete‘ bezeichnet

Gegenwärtig besitze niemand die Souveränität über das Westjordanland, stellt Dore Gold klar. Der letzte souveräne Herrscher dieses Gebiets war das Osmanische Reich, dass nach dem Ersten Weltkrieg seinen Anspruch aufgab. Danach wurde das Westjordanland zum Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina, das zur jüdischen nationalen Heimstätte werden sollte. Nach Ende des arabischen Kriegs 1948 fiel das Westjordanland Jordanien zu  – bis 1967. Jordanien schloss sich der arabischen Koalition unter der Führung Ägyptens an, die einen erneuten Krieg gegen Israel entfachte. Dieser Krieg 1967 endete damit, dass Israel die Kontrolle über Gebiete an verschiedenen Fronten erhielt, eine davon war das Westjordanland.

Nach dem Krieg von 1967 wurde Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates angenommen, die bestätigt, dass Israel nicht gänzlich aus dem Westjordanland abziehen oder sich auf die vor-1967 Grenzen zurückziehen muss, sondern den Anspruch auf „sichere und anerkannte Grenzen“ hat, die durch Verhandlungen noch bestimmt werden sollten. Kurzum, das Westjordanland bleibt umstrittenes Gebiet, auf das sowohl Israel als auch die Palästinenser Anspruch haben. Das Westjordanland ist nicht „palästinensisches“ Gebiet, vor 1967 befand sich dort kein palästinensischer Staat und die Palästinenser besassen dort nie Souveränität.

Israel hat seinerseits Rechte, die anerkannt und Sicherheitsbedenken, die in jede Einigung über den endgültigen Grenzverlauf einbezogen werden müssen. Israel kann sich nicht auf die Grenzen vor Juni 1967 zurückziehen, die eine permanente Einladung zum Angriff waren – und nicht zu verteidigen sind, erklärt Gold.

Verteidigungsfähige Grenzen – überholt? Aktuelle Ereignisse widerlegen die Gegenmeinungen

Die Gegenmeinung in der internen israelischen Debatte vertritt den Standpunkt, dass das Konzept der verteidigungsfähigen Grenzen überaltet und überholt sei, so Dore Gold. 1967 bestand die Bedrohung für Israel an seiner östlichen Grenze aus einer kombinierten Streitmacht aus bewaffneten und Infanterie-Formationen Syriens und Jordaniens, plus eines Auslandeinsatzes der Iraker. Damals war die IDF gestützt auf ein kleines stehendes Herr, das erst mit Mobilisierung der Reservisten volle Kraft erhielt – weshalb die strategische Tiefe entscheidend war, sollte Israel je wieder mit einem Überraschungsangriff konfrontiert werden. Unter diesen Umständen am Yigal Allon mit seinem Plan.

Israel bleibe ein kleines Land mit begrenzter Bewegungsmasse – sicherlich im Vergleich mit seinen weitaus grösseren Nachbarn. Und nachwievor bestünden echte und andauernde Beschränkungen, militärische Kapazitäten zu verteilen, so Gold. Gemäss Gold betonen die Kritiker der verteidigungsfähigen Grenzen gerne, dass sich die Konstellationen feindlicher Armeen merklich geändert habe. Daraus würden sie schliessen, dass keine Gefahr eines Angriffs durch grosse konventionelle Armeen mehr bestünde. Natürlich gäbe es noch den Terrorismus, sagt Gold, doch Kritiker sehen diesen nicht auf gleicher Stufe wie die vorherigen Bedrohungen, denen Israel gegenüberstand.

Für Dore Gold ist die Terrorbedrohung aus dem Osten in Umfang und Wesen völlig anders als die bisherigen. Sonst wurden Terrorakte durch kleine Einheiten aus drei bis fünf Mann durchgeführt, die über die israelische Grenze infiltrierten, um Geiseln zu nehmen oder Sprengsätze unter Autos oder öffentlichen Orten zu platzieren. Heute sind Organisationen wie der Islamische Staat (IS) im Besitz stabiler Waffen, einschliesslich hochentwickelter Anti-Panzer oder Anti-Luft-Raketen und haben ganze Divisionen der irakischen Armee geschlagen und eine enorme Menge an Ausrüstung und Gelder konfisziert.  Gold verweist auf IS und die al-Nusra Front, die in diesem Jahr die bewaffneten syrischen Einheiten schlugen und in die Mitte des Irak vorgeprescht sind. Trotz jüngsten Rückschlags aufgrund der US angeführten Luftangriffen, gäbe es keinen taktischen Missstand.

Langfristig lässe sich nichts mit Sicherheit sagen, schlussfolgert Dore Gold. Im Augenblick treffe es jedoch zu, dass ein konventioneller Angriff durch einen bestehenden Staat unwahrscheinlich sei. Doch im Nahen Osten geschehen dramatische Änderungen vor unseren Augen, so dass Israel sich auf alle Eventualitäten vorbereiten müsse.

Wozu verteidigungsfähige Grenzen? Hamas schmuggelt Waffen nach Gaza, gräbt sich nach Israel durch

Wie sind die meisten Waffen überhaupt in den Gazastreifen gelangt?“ fragt Dore Gold im Gegenzug. Mit der Abkoppelung vom Gazastreifen 2005 hat Israel die Sicherheitszone, die sogenannte Philadelphi Route, die Gaza vom Sinai trennen sollte, aufgegeben.  Danach sind entlang dieser Route Tunnel „Pilze wie aus dem Boden“ gesprossen, sowie Quantität und Qualität der Waffen, die via Tunnel an die Hamas und andere Gruppen gelangt sind. Im Westjordanland ist das von Israel kontrollierte Jordantal der äusserte Sicherheitsbereich von Israel. Sollte sich Israel aus dem Tal zurückziehen, würden Waffen in Gebiete, die an israelische Städte angrenzen, fliessen, so warnt Gold.  Das Jordantal sei das operative Äquivalent der Philadelpi Route in Gaza.

Internationale Friedenstruppen im Jordantal statt IDF – eine Option?

Israel widerstrebte es immer, seine Verteidigung auf internationale Einheiten zu stützen. Denn, auf die Probe gestellt, haben diese Einheiten entweder einen Rückzieher gemacht oder seien zusammengebrochen. Als Bespiel verweist Dore Gold auf den Sechs-Tage Krieg von 1967. Im Vorfeld verlangte der ägyptische Präsident Nasser, die die UN ihre Friedenstruppen aus dem Sinai abziehen solle. Un-Generalsekretär U Thun kam dieser Forderung nach; damit wurde die einzige Pufferzone zwischen Israels Südgrenze und 90‘000 ägyptischen Truppen aufgehoben. Dore Gold: „Es ist eine Illusion zu glauben, internationale Friedenstruppen würden nicht angegriffen,“ und verweist auf den jüngsten Vorfall entlang der israelisch-syrischen Grenze auf den Golan Höhen, wo die al-Nusra Front fidschianische UN-Soldaten als Geisel nahm und Lösegeld forderte. Israel können sich solch einer Situation nicht selbst aussetzen und sich nicht nicht selbstverteidigen.

„Das ist mit verteidigungsfähigen Grenzen gemeint. Bis Löwe und Lamm zusammensitzen, gibt es einfach keine Alternative zu dieser Grenze, und auch kein Wunschdenken kann diese Tatsache ändern.“

Dore Gold ist Präsident des Jerusalem Center for Public Affairs und früherer UN-Botschafter Israel in New York (1997-1999).

Zusammenfassung des Interview mit Dore Gold im Mosaic Magazine.

Vollständiges Interview in der Originalversion: Defensible Borders in the Age of IS. What does the upheaval in the Middle East mean for Israel’s territorial needs? © Mosaic Magazine, 22 October 2014

 

1 Kommentar

  1. Die Grenzen, beziehungsweise die Waffenstillstandslinien von unserem Jüdischen Staat Israel sind militärisch durchaus verteidigungsfähig. Auch gegen die islamischen Terror- und Mordbanden, die unter der Marke IS ihre ideologische Menschenschlächtereien betreiben.
    Probleme sehe ich vorab in Israel selbst. Erstens, palästinensische Araber aus Ostjerusalem haben jederzeit Zutritt in den Jüdischen Staat Israel. Das erleichtert ihnen, Terrorakte gegen Zivilisten durchzuführen. Ich gehe aufgrund von Äusserungen der politischen Führung der PA davon aus, dass diese von der PA zumindest geduldet, wenn nicht sogar erwünscht sind.
    Zweitens, in Israel hat sich ein politisches Gebilde entwickelt, das am besten als 5. Kolonne bezeichnet werden kann. Es ist dies eine israelische und „jüdische“ Palästinenserlobby, die BDS nicht nur duldet, sondern aktiv fördert: ein Beispiel ist die NGO „Who Profits?“. Ich frage mich, ob diese NGO von der arabisch-islamischen PR-Maschine profitieren darf?
    Ich bin froh, eine Stimme wie die von Dore Gold zu hören, die wohltuend vom verlogenen pro-palästinensischen Geschwätz der säkularen, antizionistischen NGOs wie zB JVJP.CH, JStreet, JCall, JVP, RHR und anderen abweicht.

Kommentarfunktion ist geschlossen.