Boshaftigkeit der Medien

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60 Häuser gebaut von der Ezrat Achim Wohltätigkeitsorganisation in Silwan, Jerusalem für arme jemenitische Juden in den 1880er Jahren. Foto: Wikipedia Commons
60 Häuser gebaut von der Ezrat Achim Wohltätigkeitsorganisation in Silwan, Jerusalem für arme jemenitische Juden in den 1880er Jahren. Foto: Wikipedia Commons
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Die Deutsche Welle,  das Sprachrohr Deutschlands in der Welt, hat einen Bericht veröffentlicht, in dem Israels Armee mit ISIS gleichgesetzt wird. Es ging um amerikanische Juden, die sich während des Gazakriegs freiwillig gemeldet hatten, um in der israelischen Armee für ihr „Heimatland“ zu kämpfen. In dem Bericht wurden diese Freiwilligen gleichgesetzt mit amerikanischen Muslimen, die nach Syrien oder in den Irak zogen, um sich ISIS anzuschliessen. Ein muslimischer Professor erklärte dazu, dass diese jungen Menschen sich „fremden Armeen“ anschlössen, um „Anerkennung“ zu erhalten. Ein Highlight in dem Bericht ist das Zitat eines solchen Amerikaners, der behauptete, dass diese US-Juden in der israelischen Armee aus reinem Hass gegen Araber kämpften und dass das Töten von Arabern „Norm“ sei.

Es muss hier wohl nicht darauf hingewiesen werden, dass ISIS (IS) noch lange keine anerkannte Armee eines Staates ist, und dass deren Aktionen, darunter dokumentierte Massenmorde an Zivilisten und Gefangenen und die Vertreibung ganzer Völker wie der Jesiden, Kurden und Christen alle Kriterien für Verbrechen gegen die Menschlichkeit übersteigen. Auch wenn es den Verdacht einzelner Kriegsverbrechen bei Israels Armee gibt, so kann gewiss nicht von einer „Norm“ gesprochen werden, Araber aus Hass zu töten.

Und so wie deutsche Türken zum Militärdienst in der Türkei eingezogen werden können, kann es auch Juden nicht verwehrt sein, für ihr Volk und für ihr ideelles Heimatland zu kämpfen.

Fragwürdig war auch die Darstellung von über 700 im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen aus dem Gazastreifen. Nach der Entrichtung von Tausenden Dollar für Papiere und Schleuser, wurden sie erst nach Ägypten und von dort in kleinen schiffbrüchigen Booten in Richtung Europa gebracht. Vor Malta ist eines der Boote angeblich von den Schleusern gerammt und versenkt worden, weil sich die Flüchtlinge weigerten, in kleinere Boote umzusteigen. Den Berichten zu entnehmen war, dass diese Menschen „wegen der israelischen Besatzung“ geflohen sind. Dass der letzte israelische Soldat und Siedler den Küstenstreifen schon 2005 verlassen hat, wurde dabei nicht erwähnt. Der wahre Grund für die Flucht übers Meer nach Europa dürften die Korruption der Hamas, die Schreckensherrschaft der Islamisten und auch der jüngste Krieg gewesen sein, den bekanntlich die Hamas angezettelt und mit Verletzungen der Feuerpausen unnötig in die Länge gezogen hatte.

Ein weiteres Beispiel für Verdrehungen sind die jüngsten internationalen Empörungen zu Israels Siedlungspolitik.

Es gab zwei schlagzeilenträchtige Vorfälle, im Stadtviertel Silwan nahe der historischen Altstadt und auf dem weitgehend kahlen Hügel Givat Hamatos im Süden der Stadt.

Silwan wurde um 1880 von jemenitischen Juden neu gegründet und mit festen Häusern bebaut, die teilweise noch heute stehen. 1929 wurden diese Juden im Laufe arabischer Pogrome aus Saffed, Hebron und anderswo vertrieben. Inzwischen ist das verslumte Dorf mit seinen etwa 50.000 arabischen Bewohnern zu einem Angelpunkt für Spannungen zwischen Juden und Arabern geworden. Auf dem westlichen Hügel, der 1920 noch weitgehend kahl war, haben Archäologen die biblische Stadt Davids ausgegraben und zu einer der populärsten Attraktionen der Stadt für Juden und Christen gemacht. Muslime und Palästinensern sind diese Ausgrabungen ein Dorn im Auge, weil die Juden damit vermeintlich ihre politischen Ansprüche auf Ostjerusalem untermauern. Auch das Bestreben von  Juden, in diesem überwiegend arabischen Viertel Wohnungen aufzukaufen und dort einzuziehen, führt immer wieder zu Spannungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Journalistin Inge Günther in der linksnationalen Frankfurter Rundschau zitiert dazu die vierzigjährige Um Mohammed Hayat, die in einem der von „männlichen Siedlern“ unter Polizeischutz bezogenen Wohnungen mit ihrem Mann und zwei Kindern im Parterre lebt. „Ich glaube an Frieden. Aber das ist ein Familienhaus. Da können doch Fremde nicht einfach erzwingen, hier einzuziehen.“

Entsprechend der Vorgaben der Nürnberger Gesetze von 1935, wonach es Juden verboten ist, Grundstücke oder Wohnungen zu erwerben, preist hier die Frankfurter Rundschau palästinensische Apartheid an, mit dem Zitat von Um Muhammad: „Was gibt ihnen das Recht, hier zu sein?“

Ob der Frau das „Familienhaus“ tatsächlich per Grundbucheintragung gehört und ob sie jammert, nachdem sie vielleicht die Million Dollar für das verkaufte Appartement eingestrichen hat, geht aus dem Artikel nicht hervor.

Eine schnelle Recherche vor allem auf palästinensischen Informationsseiten wie „electronic Intifada“ ergab, dass die 23 Wohnungen tatsächlich rechtmässig für jeweils eine Million Dollar erworben worden sind, verkauft von einem reichen Palästinenser, der gut geschützt angeblich südlich von Jerusalem lebt.

In dem Bericht wird dann auch noch als Tatsache behauptet, das in dem Viertel mit 50.000 Einwohnern die insgesamt 600 „jüdischen Siedler“ schon 18 Prozent der Bevölkerung von Silwan ausmachen! Nicht nur der Rechenfehler – es müsste etwas mehr als 1 Prozent heissen – ist ärgerlich. Was ist denn so schlimm und verächtlich, wenn „Fremde“  einen immer noch winzigen Bevölkerungsteil in einem Stadtviertel ausmachen. „Jüdische Siedler“ gibt es als Hauseigentümer auch in Berlin, Frankfurt und Zürich! Sieht die Frankfurter Rundschau etwa auch die als „Zumutung“ für die sogenannte „eingeborene“ Bevölkerung, deren Häuser ausgerechnet in Silwan in den vergangenen Jahrzehnten grösstenteils ohne jede Baugenehmigung auf fremden Grundstücken errichtet worden sind? Genau aus diesem Grund scheitern übrigens in den meisten Fällen „von der Autonomieregierung in Ramallah bezahlte Anwälte“ beim Versuch, die Kaufverträge anzufechten.

Givat Hamatos, wo Israels Regierung über 2.000 neue Wohnungen errichten will, ist ein ziemlich kahler Hügel im Süden Jerusalems. Die Ankündigung dazu wurde termingerecht von der Friedensorganisation  „Peace Now“ unmittelbar vor einem Treffen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu mit Präsident Barack Obama sowie dessen Rede vor der UNO veröffentlicht. Stolz vermeldete die Organisation, genau den richtigen Zeitpunkt gewählt zu haben, um Netanjahu zu lehren, dass er mit seiner Siedlungspolitik falsch liege. „Peace Now“ wusste, dass sie mit der Publikation ein internationales politisches Pogrom nicht nur gegen Netanjahu, sondern gegen den Staat Israel auslösen würden. Besonders hintertückisch war dieses Vorgehen, weil  die jetzt als „neu“ dargestellten Baupläne schon vor genau drei Jahren, am 10.11. 2010 in der Zeitung „Kol Haír“ veröffentlicht worden sind, wie aus einer von „Peace Now“ selber mitgelieferten hebräischen Zeitungsausschnitt zu entnehmen ist.

Zudem handelt es sich bei „Givat Hamatos“ nicht um eine „neue Siedlung“, wie der internationale Chor einstimmig gesungen hat. Spätestens seit den 1990ziger Jahren sind dort in Notunterkünften Neueinwanderer aus Äthiopien und Russland untergebracht. Unerwähnt bleibt auch, dass ein Teil der geplanten Wohnungen für palästinensische Araber aus dem benachbarten Dorf Beth Safafa gebaut werden soll.

Laut der international üblichen Interpretation des „Völkerrechts“ für das „besetzte Ostjerusalem“ hat die internationale Gemeinschaft nichts dagegen, wenn Juden Wohnungen für Araber planen und bauen. Doch wenn für Juden gebaut wird, dann kommt das fast schon einem Kriegsverbrechen gleich. Und laut Frankfurter Rundschau ist es wohl auch ein Verbrechen, wenn Araber ihre Wohnungen für viel Geld an Juden verkaufen. Immerhin steht für den Verkauf von Land oder Wohnungen an Juden laut geltendem Gesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde PA in Ramallah die Todesstrafe. Verdrehungen, falsche Informationen, eigenwillige Gleichstellungen – bei der Kritik an Israel  ist nicht nur der Pressekodex ausser Kraft gesetzt …

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Die deutschen Medien (Ehre der wenigen Ausnahmen!) sind unter jedes Niveau, wenn es um Israel geht. Sie sind nur knapp über dem "Stürmer". Lügen, Verdrehungen Auslassungen etc. sind keine Kritik, sondern das, was diese Worte bedeuten. Eine Schande für Deutschland. – Dank an Ulrich Sahm der immer wieder über solche Dinge schreibt.
    lg
    caruso

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