Zur Verstaatlichung von 4 Quadratkilometern des Westjordanlandes

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Beitar Illit, Siedlung in Gush Etzion. Foto Wikipedia Commons
Beitar Illit, Siedlung in Gush Etzion. Foto Wikipedia Commons
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Es herrscht eine beträchtliche Verwirrung hinsichtlich der jüngsten Massnahme der israelischen Ziviladministration, vier Quadratkilometer Boden im Westjordanland als staatlichen Boden zu deklarieren. Grundsätzlich lassen sich Gebiete des Westjordanlandes in drei verschiedene juristische Kategorien unterteilen: staatlicher Boden, privater Boden und Boden, dessen Status noch bestimmt wird. Der Erklärung des Gebietes zu staatlichem Boden ging eine mehrjährige Untersuchung der israelischen Ziviladministration zur Feststellung des exakten Status voraus.

Wer die Deklaration ablehnt, hat 45 Tage Zeit, um die israelische Entscheidung anzufechten. Wenn Palästinenser in der Vergangenheit ihr Eigentumsrecht auf umstrittenes Gebiet gegenüber israelischen Gerichtshöfen, darunter dem Obersten Gerichtshof, beweisen konnten, haben die Gerichte bisweilen entschieden, dass die israelische Regierung das fragliche Eigentum dem palästinensischen Kläger zurückzuerstatten hat, selbst wenn dies den Abbruch privater Häuser von israelischen Bürgern bedeutete. Die Bestimmung von Areal als staatlicher statt privatem Boden ist eine Notwendigkeit, die dabei hilft, künftige Fehler bei der Entwicklung dieser Gebiete zu vermeiden.

Wenn man die Entscheidung der israelischen Ziviladministration jedoch in einem breiteren diplomatischen Kontext betrachtet, sollte daran erinnert werden, dass das Oslo II Interimsabkommen, 1995 vor dem Weissen Haus unterzeichnet von Yitzchak Rabin und Yassir Arafat (und im Dabeisein der EU), die Unterteilung des Westjordanlandes in drei Gebiete etablierte: A-Gebiete, in denen die Palästinenser über die volle Kontrolle verfügen; B-Gebiete, mit geteilter israelischen und palästinensischen Sicherheitsbefugnis aber mit voller palästinensischer Ziviladministration; sowie C-Gebieten, in den Israel über die volle militärische und zivile Kontrolle verfügt. Unter die israelische Verantwortlichkeit in C-Gebieten fallen auch Zonierung und Raumplanung. Das Territorium, welches Israel als staatlichen Boden deklarierte, befindet sich innerhalb der C-Gebiete.

Es muss betont werden, dass die Architekten der Osloer Abkommen annahmen, dass die Palästinenser die Gebiete unter ihrer Jurisdiktion entwickeln würden so wie Israel die Gebiete unter seiner Kontrolle ebenfalls entwickeln würde. Deshalb ist in den ursprünglichen Osloer Abkommen nicht die Rede von einem Siedlungsstopp. Über die Jahre hinweg haben die Palästinenser beobachtet, dass es Verhandlungen und nicht Bauprojekte sind, welche die Grenzen Israels bestimmen werden. Immerhin hat Israel all seine Siedlungen im Sinai aufgegeben, als es 1979 Frieden mit Ägypten schloss. Und es löste all seine Siedlungen im Gazastreifen auf, als es sich 2005 daraus zurückzog.

Des Weiteren ist das zur Diskussion stehende Gebiet – wenn man die Zukunft betrachtet – Teil des Siedlungsblocks Gush Etzion südlich von Jerusalem, der vor 1948 von Juden besiedelt worden war, aber von Israel aufgrund der Angriffe der arabischen Einheiten verloren wurde. Während vergangener Verhandlungsrunden wurde sowohl Israelis als auch Palästinensern klar, dass Israel auch bei Erlangen eines endgültigen Gebietskompromisses die Siedlungsblöcke behalten wird (UN Sicherheitsresolution 242, aufgesetzt nach dem Sechstagekrieg, sah nie einen kompletten Abzug Israels auf die 1967-Linien vor).

Der Entschluss, dass Israel die Siedlungsblöcke behält, wird in den diplomatischen Mitteilungen der USA reflektiert, wie etwa im Brief von Präsident Bush an den ehemaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon in 2004 und in den Stellungsnahmen von Präsident Obama zum demografischen Wandel vor Ort und dem Wandel der 1967er-Linien in 2011. Der am wenigsten umstrittene Siedlungsblock war in vergangenen Verhandlungen denn auch Gush Etzion.

Schliesslich gibt es die Frage der Legalität, über die seit vielen Jahren Unstimmigkeit herrscht. Die Frage rührt her von Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention von 1949, welche den Transfer von Bewohner eines besetzten Gebietes aus diesem verbietet. Der letzte Abschnitt des Artikels verbietet ebenfalls den Transfer der Zivilbevölkerung der Besatzungsmacht in ein besetztes Gebiet. Gemäss israelischer Juristen – und wichtiger amerikanischer Juristen gleichermassen (unter ihnen Eugene Rostow, ehemaliger Dekan der Yale Law School) – bezieht sich dieser Abschnitt auf den gewaltsamen Transfer der Bevölkerung eines Besatzers in ein besetztes Gebiet. Diese Sprachregelung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Reaktion auf die Politik des gewaltsamen Transfers von deutschen Juden zu ihrer Vernichtung im besetzten Polen integriert. Es verwundert nicht, dass der Oberste Gerichtshof Israels niemals die Siedlungen für illegal erklärt hat, trotz der Verlautbarungen einiger Aussenministrieren in aller Welt.

Originalversion: Israel’s Decision to Declare 988 Acres of West Bank Territory as State Land by Jerusalem Center for Public Affairs, September 2014.