Kairos Palästina – Es wird Zeit, dass es Zeit wird

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Kairos Palästina
Kairos Palästina
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Ein beim Weltkirchenrat entworfenes antisemitisch-antiisraelisches Papier, das unter dem Propaganda-Namen „Kairos Palästina“ seit 2009 verbreitet wurde, wird nun von kirchlichen  Funktionären wieder aufgelegt.  „1000“ wünschen offenbar, dass Schweizer reformierte Kirchen dem Propagandatext geradezu einen Bekenntnischarakter verleihen. Die Initiatoren haben –  wohl auch mit unserem Steuergeld  – eine Kampagne gestartet auf Hochglanzpapier. Sie appellieren, „den Ruf der palästinensischen  Christen und Christinnen aufzunehmen“. Diese Christen und Christinnen hatten in Wahrheit noch nie eine Chance, ihren eigenen Ruf auszudrücken. Denn für sie sprechen immer nur die Funktionäre beim Weltkirchenrat in Genf und ihre Marionetten in Bethlehem, die für sich dabei auch Fundraising betreiben. Deshalb muss Jesus für sie auch ein arabischer Palästinenser sein. Jude darf er auf keinen Fall gewesen sein. Das erinnert uns an die Arisierung Jesu durch Nazi-Theologen.

Ich bin vor einigen Jahren mit einer  jüdisch-christlichen Delegation in Bethlehem gewesen. Damals war der Christ Elias Frej s. A. noch Bürgermeister der christlichen Stadt. Er erstaunte uns, als er sagte, weil Arafat und seine Leute von der PLO nun an die Macht gekommen sind, wäre für Bethlehem als christliche Stadt eine Zukunft nur möglich, wenn sie nach Jerusalem eingemeindet würde und so in den Schutzbereich Israels kommen könnte, wo Christen und Christinnen Menschen- und Bürgerrechte haben. Das war weise, ist aber leider nicht möglich gewesen. Damals gab es noch etwa 80% ChristInnen. Hamas und Fatah haben inzwischen die meisten Christen und Christinnen aus Bethlehem vertrieben.

Manche Funktionäre in der reformierten Kirche der Schweiz wollen schlechterdings von der wahren Situation von Christen und Christinnen in Nahost nichts wissen. Sie verweigern die Wahrnehmung von Verfolgung, Vertreibung und Diskriminierung. Sie haben keinen Mut, für ihre Glaubensgeschwister einzutreten, die in extremer Situation ihren Glauben gegen massive Bedrängung behaupten müssen, gar unter Gefahr der Ermordung. Sie hängen der bekannten Ideologie an, dass Juden vor allem und an allem Schuld sind. Dafür bekommen sie Unterstützung von HEKS und OeME. Sie klagen das einzige Land in Nahost an, das Christen und Christinnen Menschen- und Bürgerrechte zugesteht und in dem Kirchen blühen: Israel! Diese Funktionäre sündigen gegen ein grundlegendes christliches Prinzip, das auf der ersten Tagung des Weltrats der Kirchen von 1948 formuliert wurde: „Antisemitismus ist Sünde wider Gott und die Menschen“! Und sie brauchen dazu noch unsere Steuergelder. Gibt es dazu eigentlich eine demokratische Legitimation? Haben sich diese Funktionäre jemals geäussert zur Ermordung und Verfolgung von Christen und Christinnen in Nahost?

Das griechische Wort „Kairos“ wird in der christlichen Bibel in dem Sinn gebraucht: Es gibt eine kritische Zeit, eine Endzeit. Paul Celan, den ich in der Überschrift zitiert habe, hat das gewusst. „Es wird Zeit, dass es Zeit wird“. Die reformierte Schweizer Kirche – es ist Zeit –  muss sich trennen von antisemitischem Antizionismus in ihren Reihen. Sie muss aufhören, antisemitische Propaganda zu finanzieren, die unsere kirchliche Identität beschädigt.  Sie muss den antisemitischen Antizionismus der „Kairos Palästina“- Fanatiker in die Schranken weisen. Es ist Zeit.

Über Ekkehard W. Stegemann

Ekkehard W. Stegemann war von 1985 bis 2014 Ordinarius für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Basel.

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1 Kommentar

  1. Ja, es wird Zeit dass es Zeit wird,,,
    Manche Leute, leider nicht wenige, lernen es aber nie, ihre auf falschen Prämissen beruhende Ressentiments loszuwerden. Die jahrhundertelange Seelenvergiftung mit Judenfeindschaft / Antisemitismus ist der Kirche / den Kirchen viel zu gut gelungen. Man wird es so schnell nicht los.
    Allerdings müsste zumindest die Führung nationaler Kirchen wissen, was der Weltrat der Kirchen 1948 sagte. Und sie müssten danach handeln, auch wenn ihnen das nicht passt.
    Menschen, die sich von Ressentiments führen lassen und nicht von ihrem Verstand, dürften und sollten nicht andere Menschen führen –
    ist meine Ansicht als ehemaliger Pädagoge.
    lg
    caruso

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