„Der Spiegel“ sorgt sich um Hamas und einen neuen Nahostkonflikt

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„Der Spiegel“ hat infolge des massiven Raketenbeschusses Israels durch eine „eine militante Splittergruppe” seine Sorge um das Bestehen der “darbenden” Hamasbewegung verkündet. Gespickt mit faktischen Fehlern, einer problematischen Analyse und gezielter Auslassung relevanter Details kommt Julia Amalia Heyer in “Der Spiegel” zum dramatischen Schluss: “Damit ist der Waffenstillstand, der nach der letzten Eskalation im November 2012 zwischen Hamas und Israel vereinbart wurde, endgültig aufgekündigt.” Erstens stimmt das nicht und zweitens herrscht offenbar rundum im Nahen Osten ein himmlischer Frieden, ganz besonders in Syrien, im Libanon oder in Ägypten, wenn Heyer behauptet, dass der Konflikt in Nahost in eine „neue Runde“ gehe.

“Der Spiegel” stellt fest: “ obwohl sie die israelische Armee dafür haftbar macht, zeichnet die Hamas nicht verantwortlich für den jüngsten Raketenhagel auf Israel.“ Klar doch. Nur falls sich die Hamas im Gazastreifen als „De-facto-Regierung“ betrachtet und sogar internationale Anerkennung erwartet, trägt sie Verantwortung für alles, was in ihrem Regierungsbereich passiert. Dann müsste sie halt die „militanten Splittergruppen“ stoppen. Umgekehrt macht schliesslich „Der Spiegel“ den ganzen Staat Israel haftbar, wenn „Splittergrupen“, Siedler oder sonstige Extremisten, Friedhöfe schänden oder „unschuldigen“ Palästinensern die Olivenbäume absägen.

„Die Hamas ist isoliert wie nie zuvor… Mit ihrer Unterstützung von Mohammed Mursi und seiner ägyptischen Muslimbruderschaft hatte sie offenkundig aufs falsche Pferd gesetzt.“

Nein, die Hamas hat mit Mursi nicht auf ein „falsches Pferd“ gesetzt. Vielmehr sollte sogar „Der Spiegel“ wissen, dass die palästinensischen Islamisten, seit 1987 Hamas genannt, ein Ableger der ägyptischen Moslembrüder und aus ihnen hervorgegangen sind. Mit Mursi haben sie auf kein falsches Pferd gesetzt, sondern zu recht erwartet, von der Machtübernahme ihrer ideologischen Brüder und Vorbilder in Ägypten profitieren zu können. Korrekter wäre die Feststellung, dass Mursi mit seiner Politik sich selber und die Moslembrüder ins Abseits und in die Illegalität getrieben hat.

Dass die Hamas 2006 (vor 8 Jahren!) einen Wahlsieg errungen hat, ist unbestritten. Doch dass sie jene letzten Parlamentswahlen in den Autonomiegebieten gewonnen habe, „um den Alltag der Palästinenser lebenswerter machen“, behauptet nur „Der Spiegel“. Gesiegt hatte die Hamas wegen der Korruption der abgehalfterten Fatah-Partei des verstorbenen Jassir Arafat, wegen besserer Organisation und auch, weil sie sich den Kampf gegen Israel auf ihre grüne Flagge geschrieben hatte. Über soziale Reformen, eine Verbesserung des Erziehungswesens oder die Einführung eines Arbeitslosenfonds, um den Alltag der Palästinenser „lebenswerter“ zu machen, ist nichts bekannt.

Dass sich seit Juli die Lebensbedingungen der 1,7 Millionen Einwohner des Küstenstreifens rapide verschlechtert hätten, ist auch unbestritten. Die Spiegel-Autorin macht es sich jedoch zu leicht, nur die Auswirkungen der politischen Lage zu erwähnen, ohne Gründe zu nennen. „Nur noch zwei Stunden Strom täglich“ liegen daran, dass die Hamasregierung in Gaza nicht den vollen, von der Autonomiebehörde in Ramallah geforderten, Preis für Treibstoff zur Stromherstellung zahlen will. Hinzu kommt, dass sich die Hamas wegen Anschlägen gegen ägyptisches Militär alle Sympathien in Kairo verspielt hat. Die Ägypter haben 1370 Schmugglertunnel unter der Grenze zwischen Gazastreifen und dem Sinai zerstört. So wurde die wichtigste Einnahmequelle der Hamas durch Abgaben der Schmuggler zerstört, während gleichzeitig kein billiges geschmuggeltes Öl aus Ägypten mehr zum einzigen Kraftwerk in Gaza gelangt. Der Strommangel ist also ein Eigenverschulden der Hamas und liegt auch nicht an der Schliessung des Warenterminals Kerem Schalom, Israels Reaktion auf den Raketenbeschuss.

Weiter schreibt „Der Spiegel“ kommentarlos: „Die Wasserversorgung ist mangelhaft“. Auch das ist korrekt. Doch auch hierfür schreibt die Hamas verantwortlich. Die hat nach Israels Rückzug 2005 unkontrolliertes Abpumpen des Grundwassers zugelassen. Die Folge war eine Verseuchung des Trinkwassers im Gazastreifen, nicht nur durch Nachfliessen von Meerwasser in den Grundwassersee, sondern auch durch dessen Verseuchung mit ungeklärten Abwässern.

Dass israelische „Hardliner“ einen Einmarsch im Gazastreifen planen, kann als populistische Drohung abgetan werden, die kein Israeli wörtlich genommen hat. „Der Spiegel“ nannte im Vorspann „Hardliner“ im Plural, erwähnt aber im Text nur noch Aussenminister Avigdor Lieberman. Von gezielten und offenbar schmerzhaften Schlägen gegen strategische Ziele und bis zu einem Einmarsch ist es ein weiter Weg, den gewiss kein einzelner „Hardliner“ beschliessen kann, nachdem 2005 ein anderer „Hardliner“, Ariel Scharon, den Gazastreifen geräumt hat. „Der Spiegel“ täte gut daran, mal zu erklären, was eigentlich ein „Hardliner“ ist und ob alle anderen Politiker „Weicheier“ sind.

Und ob die Israelis hier tatsächlich „in der Position des Stärkeren“ sind, müsste Heyer genauer erklären. Seit 2007 ist Israel mit rund 12.000 Raketen beschossen worden. Dass Israels Regierung wegen „wachsender Kritik an ihrer Besatzungspolitik“ einen Einmarsch im Gazastreifen vermeide, dürfte der Spiegel-Autorin ganz exklusiv ins Ohr geflüstert worden sein.

So wie Heyer die schweren politischen Fehler der Hamas nicht sieht, hat sie auch nicht verstanden, wie Israel „tickt“, obgleich sie nach eigenen Angaben mit israelischen „Militär- und Geheimdienstkreise“ gut vernetzt zu sein scheint. Die haben ihr „Überlegungen“ verraten, die „Gunst der Stunde“ nutzen zu wollen, um „den Stall endlich gründlich auszumisten“.

4 Kommentare

  1. Sgielgel=Augstein im Westen nichts Neues!

    War immer so, gäbe es die Juden(Israelis) nicht , müsste man sie erfinden!

  2. So richtig, wichtig und kenntnisreich der Artikel von Ulrich Sahm auch ist, er wird beim "Spiegel" keinen Eindruck machen oder eine Änderung bewirken. Der "Spiegel" ist nämlich faktenresistent, egal ob es um Israel allein oder Israel/ PalAraber geht. Damit steht er allerdings nicht allein, die SZ, die FR, die Zeit, ARD usw. sind genau so.
    Dieser Artikel sollte auf mehrere Blogs erscheinen.
    lg
    caruso

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