Holocaustgedenktag wieder abschaffen

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Eine Gruppe Juden aus Ungarn nach der Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz im Sommer 1944. Foto ADN-ZB
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Seit 2006 gedenkt die UNO am 27. Januar des Holocaust. Der Tag, an dem 60 Jahre zuvor das Vernichtungslagers Auschwitz in Polen durch die sowjetische Rote Armee befreit wurde. Die Initiative kam von Juden und Israelis, die glaubten, die Welt zum Nachdenken zwingen zu können. Obgleich die UNO auf der Asche des jüdischen Volkes entstanden ist, hat sie niemals eine Resolution gegen Antisemitismus verabschiedet. Sie hat keinen einzigen Völkermord verhindert, weder in Ruanda, Kambodscha, auf dem Balkan, noch heute Syrien.

Doch so wie die UNO und Europäer mit Juden, Antisemitismus und dem Gedenken an die Schoah umgehen, dient ihnen der Tag als Bühne für noch mehr Hetze und sogar dazu, tote wie lebendige Juden durch Nichterwähnung zu tilgen.

Die böswilligste Tilgung dieser Art lieferte Europas höchste Repräsentantin, Aussenkommissarin Catherine Ashton. Diese Dame mit 320.000 Euro Jahresgehalt, über 4.000 Mitarbeitern und 139 eigenen Botschaften in den entferntesten Winkeln der Welt, brachte es tatsächlich fertig, am 27. Januar 2014 ihre Holocaust-Gedenktags-Erklärung vom Vorjahr aus der Schublade hervorzuholen, geringfügig umzuformulieren und dann als „neue“ Erklärung in alle Welt zu verteilen. In knapp 10 Zeilen zur „dunkelsten Periode Europas“ werden Juden nicht erwähnt, obgleich per Definition allein sie gemeint sind, neben 50 Millionen anderen Opfern des Weltkriegs, Soldaten, Zivilisten und Verfolgte der Nazis wie Zigeuner (Sinti und Roma) oder Homosexuelle.

Auf telefonische Anfrage, wieso Juden nicht genannt wurden, sagte Michael Mann, persönlicher Sprecher der Aussenkommissarin: „Das weiss doch jeder.“

In der Erklärung von 2013 wurden immerhin „sechs Millionen brutal Ermordete“ erwähnt, was in der neuen, fast wortgleichen Erklärung von 2014 neutraler in „Opfer des Holocaust“ umformuliert worden ist.

Wenn das tatsächlich „jedermann weiss“, wie Ashtons Sprecher behauptet, möge er sich doch mal umhören. Mit Europa freundschaftlich verbundene Länder wie der Iran, halten den Holocaust für eine „typisch jüdische Lüge“. In palästinensischen Schulbüchern sucht man vergeblich nach einem Holocaust. Ein Völkermord an Juden könnte falsches Mitgefühl mit Israel erzeugen. Vermeintlich hat kein anderes Volk jemals so gelitten wie die Palästinenser.

Es ist müssig, alle Verurteilungen des jüdischen Staates Israels, durch UNO, UNESCO, UNWRA oder dem UNO-Menschenrechtsrat hier aufzuzählen, um antisemitische Motive nachzuweisen. Wenige Tage vor dem 27. Januar beschloss die UNESCO-Chefin, eine von langer Hand in voller Absprache vorbereitete Ausstellung, die die Verbindung der Juden zum Heiligen Land darstellt, erst abzusagen und dann auf Juni zu verschieben.

Wo man sich umschaut, kann einem nur grausen wie 60 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz mit dem Thema „Holocaust“ umgegangen wird. Französische Juden fliehen in Richtung Israel. In Deutschland und aller Welt müssen jüdische Kindergärten, Synagogen und Gemeindehäuser rund um die Uhr von der Polizei bewacht werden. Ashtons Amt betreibt einen Boykott Israels unter dem Vorwand des Kampfes gegen Israels „völkerrechtswidrige“ Siedlungen. In allen 28 EU-Staaten sollen israelische Waren „gekennzeichnet“ werden, womit der Schweizer Detailhändler Migros begonnen hatte. Vor nicht allzu langer Zeit machte man das mit einem gelben Davidstern oder wie in der Schweiz mit einem „J“ im Pass.

Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, den Holocaustgedenktag nur sieben Jahre nach seiner „Erfindung“ wieder abzuschaffen.

Ashton ist nur zu einem Lippenbekenntnis fähig, das sie per copy/paste behutsam aufpoliert. Politisch korrekt verschont sie radikale Rechte, israelkritische Linke und Araber wie Moslems vor einer Konfrontation mit dem Wort „Jude“. Ebenso fehlen direkte Bezeichnungen wie „Nazis“, „Deutsche“ und „Kollaborateure“ aus den fast allen heutigen EU-Mitgliedsstaaten. Das wäre ja Nestbeschmutzung. Stattdessen sprach Ashton 2013 ausschliesslich von Menschen, die „Europa zum Leuchten“ gebracht hätten, couragierte Nachbarn, Arbeitgeber und andere Bürger, die (nicht weiter identifizierten) „Mitbürgern“ geholfen hätten. 2014 kommt das leuchtende Europa nicht mehr vor, aber ein „spezieller Tribut“ an jene, die mit Courage und Opfertum irgendwelche Mitbürger vor Verfolgung geschützt hätten. So richtig es ist, den wenigen couragierten Menschen Tribut zu zollen, so falsch ist, es darüber hinwegzusehen, wie die grosse Mehrheit ihre Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen hat.

Ein Gedenktag dient nicht dem Selbstzweck, namenlosen Toten oder deren Asche Genugtuung zu bieten. Gedenkfeiern richten sich an Lebende, als Lehre oder aus Mitgefühl für noch Überlebende und deren Nachkommen. Dummerweise sind das Juden. Die meisten leben heute im Staat Israel, wo vermeintlich Menschenrechte mit Füssen getreten werden, der sich schlimmer verhält als die Nazis, der Gaza in ein KZ verwandelt hat, wo Eingeborenen Land und Wasser geklaut werden…. Indem Ashton den unüblichen Begriff „fundamentale Rechte und Freiheit“ (2013) in „Respekt für Menschenrechte“ (2014) austauscht, lenkt sie ihre Kritik subtil auf Israel.

Solange Ashton mit ihren vom Vorjahr plagiierten diplomatischen Formeln neuste Formen der Judenverfolgen in Ungarn, Frankreich, Holland und mitten in Berlin schweigend übergeht, eine „legitime Israel-Kritik“ mit Boykott und Kennzeichnung von Waren im Nazi-Stil betreibt, verwandelt sie ihre zeremonielle Pflichtübung in eine üble Anklageschrift gegen die Opfer des Holocaust.

Man könnte vielen Juden pünktlich zum 27. Januar Schmerz, Empörung und Frustration ersparen. Die Mehrheit der Juden weiss, wieso sie heute in Südamerika, Israel oder in den USA leben, und nicht in Deutschland, Polen, Ungarn oder Griechenland. Deren Familiengeschichte jenseits der Grossvätergeneration ist ein grosses schwarzes Loch: ausgerottet, vergast, vertrieben, spurlos verschollen. Vielleicht wäre es für sie leichter zu verkraften, Ashton und die UNO von ihrer peinlichen Pflicht zu entbinden, den namentlich nicht näher gekennzeichneten „Mitbürgern“ ein geheucheltes „Gedenken“ vorzugaukeln.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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6 Kommentare

  1. Eigentlich kann ich nur JA dazu sagen! Ich habe diese Theater sooo satt! Ich habe 1995 nicht nur als Teil d Mitarbeiterteam an d 50 jährige "Feierlichkeiten" teilgenommen, sondern als betroffene… Meine Mutter und Schwester kamen auch dazu… Meine Mutter war in Ravensbrück, und dann in Auschwitz mit ihre Schwester… In Mauthausen nahm ich auch teil, da dort mein Vater war… in Auschwitz wollte ich nicht teilnehmen… es ist für mich eine zu große Theater gewesen…. und meine Magen verkraftet so viel ……… nicht! Shoah ist wie Geburt…. eigentlich nur die nahe Familie bedeutsam… andere können mitfeiern…. aber so recht können es nicht verstehen…. die, die aber nur zu schein mit dabei sind, bei denen erkennt man sofort ihre wahre Gründe… Shoahtag von d UNO ist ein Unsinn! Es ist ein Hohn wenn sie von Mitleid reden und Hass zerstreuen! … ich denke dass dann wenn diese Kreaturen von EU, UN und Co nicht diese Tag gedenken, dann ist d Erinnerung viel, sehr viel sauberer……..!!!

  2. Ich schliesse mich aus vollem Herzen an Frau Hentsch an. Herr Sahm ist einfach grossartig. Dank, vielen Dank!
    lg
    caruso

  3. Gro0en Dank an Ulrich Sahm – ich stimme ihm in all seinen Gedanken zu hundert Prozent von ganzem Herzen zu!

  4. dieser Beitrag ist eine "harte Kost" und ich kann ihn nur lesen und verstehen aus dem tiefen und andauernden Schmerz den das Jüdische Volk bewegen muß.Man kann Frau Ashtons Verhalten so deuten, man kann es auch eher nachlässig, unsensibel oder eben diplomatisch verstehen.Aber, überall, auch in Berlin gedenken am 27. 1. Menschen der furchbaren Greueltatenh und des tiefen Leids, dass ihre Vorfahren über Juden brachten. sie wünschten nichts mehr, als dass Israle eine sichere Heimat in Frieden und Freiheit ohne Bedrohung sein kann. Aber gerade deshalb finden sie nicht alles hilfreich und richtig, was der Staat Israel tut. Übrigens leben in Berlin unterdessen wiefder mehr als 30 Tausend Israelis.Sie leben freiwillig und gern dort, auch weil sie auf nicht wenige Menschen treffen, die eine andere, gemeinsame Zukunft suchen.Ich möchte keinesfalls auf den Gedenktag verzichten, weil wir ihn brauchen, auch wir Deutschen.

  5. Eigentlich gibt es zu dieser klaren Aussage nichts mehr zu kommentieren. Ausser vielleicht, dass durch die Herkunfts-Kennzeichnung von israelischen und übrigens auch allen andern Produkten in der Schweiz, ich dann gerade die israelischen Produkte kaufen kann! Das ist vielleicht nur ein kleiner Beitrag. Aber was ich tun kann, das tue ich und kommuniziere es auch so. Ich liebe die Juden!

  6. Diese Haltung hat ja Tradition- Stichwort "Wiederwutmachung". Allerdings äußert sie sich selten so ungeniert wie bei Ashton. Man würde ja nichts sagen, wäre diese Lady eine einfache Hausfrau aus Upholland. Aber so? So viel Mist für so viel Geld- das hat schon was Einmaliges.

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