Der al-Dura-Schwindel geht weiter

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Foto Petter Lundkvist. Lizenziert unter CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons.
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Im Mai dieses Jahres veröffentlichte die israelische Regierung ihren Untersuchungsbericht zum Fall Mohammed al-Dura mit dem Ergebnis, dass der Junge nicht im Feuergefecht mit dem israelischen Militär an der Netzarim Kreuzung in Gaza im Jahr 2000 umgekommen ist. Das wurde und wird bis heute weiterhin behauptet, obwohl die Beweislage eindeutig dagegen spricht.

Für Philippe Karsenty war das Untersuchungsergebnis ein schöner Moment, denn der französische Medienbeobachter verbrachte die letzten zehn Jahre damit, die Wahrheit über al-Dura aufzudecken und sie weltweit bekannt zu machen. Doch eine vollständige Rehabilitierung ist bisher nicht eingetreten, da Karsentys Fall sich nicht auf die üblichen Sphären des israelisch-arabischen Konflikts beschränkte ist, sondern hauptsächlich in Gerichtssälen ausgetragen wurde.

Der Fall Karsenty ist genauso komplex wie langwierig. 2004 verklagten der französische Staatssender France2 und sein Israel-Korrespondent Charles Enderlin – der 2000 die ursprüngliche al-Dura Story berichtete – Karsenty wegen Verleumdung. Er hatte behauptet, dass das Video, das den angeblichen Mord an dem Jungen al-Dura zeigte, eine Fälschung sei. 2006 wurde Karsenty dann tatsächlich wegen Verleumdung verurteilt, doch ein Pariser Berufungsgericht hob 2008 dieses Urteil auf. Frankreichs Oberstes Gericht hob wiederum 2012 dieses Urteil auf, eine Entscheidung, der sich Pariser Berufungsgericht anschloss, und Philippe Karsenty am 26. Juni 2013 zu einer Geldbusse in Höhe von 7‘000 EUR (ca. 8‘600 Sfr) verurteilte.

Rehabilitierung – zumindest von Seiten der französischen Regierung – bleibt Karsenty vorerst weiterhin versagt; er nannte das Urteil „empörend“.

Die matchentscheidende Frage lautet, ob das Filmmaterial, das als Beweismaterial im Gerichtsverfahren von 2008 präsentiert wurde, zulässig ist. Auf einer Veranstaltung in Bern im Mai erklärte Karsenty, dass in Enderlins Bericht ursprünglich nur eine Minute Filmmaterial (50 Sekunden um genau zu sein) gezeigt wurde, angeblich die Szene, wo der Junge Mohammed al-Dura tot bei seinem Vater liegt. France2 verfügte jedoch über 27 Minuten Filmmaterial und verweigerte die Herausgabe. Das Berufungsgericht ordnete France2 zur Herausgabe des Originalbands an. Auch wenn letztendlich nur 18 statt 27 Minuten freigegeben wurden, dienten diese Filmmuster zur Entlastung Karsentys, weil sie eindeutig zeigten, dass Mohammed al-Dura am Ende von Enderlins Beitrag noch am Leben war.

Karsentys Verurteilung am vergangenen Mittwoch beruhte auf der Entscheidung des Obersten Gerichts, dass das Berufungsgericht seine Kompetenzen überschritten habe, als es France2 zur Herausgabe des Filmmaterials 2007/8 verpflichtete. Für Karsenty ist dies ein Teufelskreis, weil genau dieses zusätzliche Filmmaterial seinen Fall beweist.

Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass Enderlin am Ende seines Berichts 2000 sagte, dass Mohammed al-Dura getötet worden sei – und dabei hatte Enderlin das Filmmaterial in seiner ganzen Länge gesehen! Er gab ab, das Filmmaterial geschnitten zu haben, weil es angeblich den Todeskampf gezeigt hätte. Pech für Enderlin, dass nun die 18 Minuten Filmmaterial für jeden öffentlich zugänglich ist und jeder mit eigenen Augen sehen kann, dass die Beschreibung eines ‚Todeskampfes‘ in keinster Weise akkurat ist.

An der Veranstaltung in Bern gab Karsenty einen kompakten Überblick seiner Beweise, die eine ‚Tötung‘ von Mohammed al-Dura als Schwindel entlarven; trotz der der Kürze seines Referats, blieb kein Raum für Zweifel.

Talal Abu Rahma, der palästinensische Kameramann, der die Szenen für Enderlin filmte, behauptete, dass das Feuergefecht 45 Minuten dauerte und dass sich Mohammed al-Dura und sein Vater in unmittelbarer Schusslinie befanden. Betrachtet man den Ort, an dem sich die beiden befanden, Schutz suchend an einer Mauer niedergekauert neben einer Säule, wirft das viele Fragen auf. Sind israelische Soldaten wirklich so inkompetent, dass sie 45 Minuten brauchen, um ein unbewegliches Ziel aus 80 Meter Entfernung zu treffen?

Ferner stellt sich die Frage, warum es nach 45 Minuten angeblichen Dauerbeschuss auf den Vater und seinen Sohn, weder Blut auf dem Boden noch auf ihren Körpern gibt? Und wie kann es sein, dass nach 45 Minuten angeblichen Dauerbeschuss die Wand, vor der al-Duras niederkauerten, nicht mit Tausenden Einschusslöchern durchsiebt ist und einem „Schweizer Käse“ gleicht, wie es Karsenty formulierte?

Angeblich starb Mohammed al-Dura an einer Bauchverletzung; doch warum gibt es am Ende des Feuergefechts keine Blutlachen weder auf der Oberseite seines Körpers noch auf der Kleidung, obwohl angeblich ihn 15 Hochgeschwindigkeitskugeln durchlöchert haben?

Das sind nur einige der problematischen Fragen. Zusammen mit anderen Personen wie Esther Schapira, die die Dokumentation „Das Kind, der Tod und die Wahrheit“ für den Hessischen Rundfunk erstellt hat, sammelte Karsenty Bildmaterial und Forensik, die gewissermassen jede Bedenken ausräumen: Der Winkel des IDF-Postens vis-à-vis der Position der al-Duras; die Widersprüchlichkeit zum Filmmaterial von zwei anderen Kameramännern vor Ort; die widersprüchlichen Zeitangaben, die dem Filmmaterial und der Einweisung in Krankenhaus von Mohammed al-Dura zugewiesen wird; irritierende Filmaufnahmen eines verletzten Mannes am gleichen Ort, der in einen Krankenwagen eingeladen wird, während eine weitere Videoaufnahme festhält, wie er offensichtlich gänzlich unverletzt sekundenspäter wieder aus diesem Krankenwagen herausspringt. Diese weiteren Filmaufnahmen bergen unbestreitbar theatralische Elemente in sich.

Nach seiner Verurteilung sagte Karsenty, „ich bin gelassen, weil ich weiss, dass die Wahrheit herauskommen wird…trotz 15 Kugeln war kein Tropfen Blut an der Kleidung, an ihren Körpern, an der Wand, vor der sie sich befanden.“ Gegenüber The Algemeiner sagte er am Mittwoch, dass er von dem Urteil „enttäuscht“ sei, aber auch, dass „am Ende die Wahrheit siegen wird, ich weiss zwar nicht wann und wie, aber ich weiss, dass sie siegen wird.“

Shana Goldberg © Audiatur-Online

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