Paul Hansens Zufallsbekanntschaft

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Die Untersuchung des World Press Photo kam zwar zu dem Schluss, dass Paul Hansens Siegerbild des Jahres 2013 nicht manipuliert wurde. Betrachtet man die Umstände seiner Aufnahme, wird klar, dass die Kontroverse noch längst nicht beendet ist.

In einem Interview mit dem Online Branchenmagazin persönlich.com erläuterte Hansen, wie es zur Aufnahme kam. Am Abend vor dem Trauerzug habe ihm ein norwegischer Arzt, der im gleichen Hotel gewohnt habe, die schreckliche Geschichte von der Bombardierung eines Hauses in Gaza erzählt, bei dem ein Vater mit zwei Söhnen getötet worden seien. Hansen fotografierte genau diesen Trauerzug, doch erst im Verlaufe der Prozession sei ihm klar geworden, dass dies die Leichen jener Kinder sein müssten, von dem ihm der Arzt am Abend zuvor erzählt hatte; dieser Arzt war der Norweger Dr. Mads Gilbert.

An und für sich nicht der Rede wert, wenn man mit dem Namen Mads Gilberts nichts anzufangen weiss. Gilbert wurde während der Operation Gegossenes Blei (2008/2009) bekannt, als er zusammen mit seinem Kollegen Erik Fosse als einzige westliche Chirurgen im al-Shifa Krankenhaus in Gaza arbeitete und Interviews für Medien in aller Welt gab. Er behauptete, dass mindestens die Hälfte aller Opfer der israelischen Militäroffensive in Wahrheit Frauen und Kinder seien und sprach gegenüber dem iranischen PressTV von unkonventionellen Waffen, die Israel einsetzen würde. Dass das al-Shifa Krankenhaus von der Hamas für militärische Zwecke missbraucht wurde, übergeht Gilbert, auch nachdem diese Tatsache international bekannt wurde. Der Hamas-Ministerpräsident Ismail Haniyeh und andere Hamas-Kader hatten zudem während der Offensive eine komplette Station in diesem Spital übernommen, aber vermutlich befand sich Gilbert auf einer anderen Etage.

Gilbert ist aber nicht nur Arzt, sondern auch Politiker der kommunistischen Rodt (dt. rot)-Partei und seit mehreren Jahrzehnten pro-palästinensischer Aktivist. In einem Interview brachte er seine Bewunderung für den palästinensischen Terroristen Abu Jihad offen zum Ausdruck. In Norwegen ist er seit längerem bekannt, nicht nur als Kriegschirurg, sondern auch für seine radikalen Ansichten. In einem Interview mit der Zeitung Dagbladet unterstützte und rechtfertigte Gilbert auch die Anschläge des 11. September; eine Aussage, von der er sich später halbherzig distanzierte, da er „gegen jeden Terror sei“.

Für eine weitere Kontroverse sorge Gilbert auch, als er 2006 zu einem Boykott von Médecins sans Frontières aufrief. Gilbert kritisierte, dass die Organisation jeweils sämtliche Konfliktparteien unterstützte, während seiner Ansicht nach ausschliesslich Opfer mit gewissen politischen oder ethnischen Zugehörigkeiten Hilfe erhalten sollten. Er rechtfertigt dies durch die Behauptung, dass sich seine Tätigkeit als Arzt von der Politik nicht trennen lasse. Wie dies aber mit dem Selbstverständnis eines Doktors in der Tradition des Hippokratischen Eides einhergehen soll, bleibt fraglich.

Es ist nicht bekannt, wie eng der Kontakt zwischen Hansen und Gilbert war bzw. ist. Gegenüber Audiatur-Online sagte Hansen, dass er Gilbert vor diesem Zusammentreffen nicht kannte und deshalb auch keine Story oder Auftrag erledigt habe, in die jener involviert gewesen war. Sicher ist hingegen jedoch, dass Hansen Gilbert nicht bloss im Hotel traf, sondern – wie Fotos zeigen – ihn auch im al-Shifa Krankenhaus besuchte. Jenes Krankenhaus, in dem sich die Hamas-Führung in der Gaza-Offensive 2008/09 verbarrikadiert hatte.

Gemäss eigenen Aussagen verfolgt Paul Hansen hehre Absichten und will mit seinem Bild schlicht auf die Schrecken des Krieges hinweisen. Das mag sein oder auch nicht. Jedenfalls wäre er gut beraten, seine Informationsquellen sorgsamer auszuwählen. Andernfalls liegt schnell der Verdacht nahe, dass seine Arbeit für politische Zwecke instrumentalisiert wurde.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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2 Kommentare

  1. WPP hat die Bearbeitung mit Photoshop bestätigt, nicht aber als Manipulation bewertet. Das wir diese Aussage wiedergeben, bedeutet nicht, dass wir damit einverstanden sind, dass massive Bildbearbeitung Grundlage für einen Preisgewinn sind, siehe unseren anderen Beitrag zu Paul Hansen. Die Auseinandersetzung mit der Thematik überlassen wir Experten.
    Der Fortlauf des Artikels macht deutlich, dass wir uns um andere Aspekte zu Paul Hansens Preisbildern Gedanken gemacht haben, die bisher niemand beachtet hat; da geht es um mehr als Bildbearbeitung!

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