Wenn Dichtung zur Tatsache wird

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Wenn „eine Lüge um die halbe Welt geht, bevor die Wahrheit sich auch nur die Hosen anziehen kann“ wie es Winston Churchill scharfsinnig anmerkte, dann bezahlt der secondhand Journalismus der Unwahrheit den Flugschein.

Mit immer knapperen Budgets und grösseren Einsparungen in der Medienbranche, werden zunehmend mehr „Nachrichtenmeldungen“ in den Zeitungen recycelt. Zudem wird weniger in die journalistischen Fähigkeiten investiert und stattdessen sich in die Abhängigkeit von Nachrichtenagenturen begeben. Ein Grund dafür, so erscheint es uns, ist, dass der Konzern Tamedia im Verlauf der letzten Jahre langsam aber sich immer mehr Zeitungen aufgekauft hat. So auch Newsnetz.ch, welches die Inhalte für die verschiedenen Tamedia Publikationen produziert, dem auch andere Zeitungen angeschlossen sind. Das geht soweit, dass die Online-Ausgaben der verschiedenen grossen Schweizer Medien wie der Tages Anzeiger und die Basler Zeitung oftmals zum Spiegelbild des anderen werden – sie beziehen ihre Inhalte vom gleichen Versorgungspunkt. Die Diskussion um die vertikale Integration bleibt Wirtschaftsexperten überlassen; aber für den Durchschnittsleser bedeutet es, dass die Chance extrem hoch stehen, die gleiche Informationen in unterschiedlichen Publikationen zu lesen. Dieses Problem wird erst oder zunehmend verstärkt in der internationalen Berichterstattung, denn viele Zeitungen haben einfach kein Budget für eigene Auslandskorrespondenten weltweit – wie sie beispielsweise die NZZ hat – und somit fliesst ein Grossteil der internationalen Nachrichten direkt aus den internationalen Nachrichtenagenturen in die örtlichen Redaktionen ein.

Und was bedeutet das für die Israel-Berichterstattung? Es braucht nur eine anti-Israel Story im Umlauf sein und diese wird verbreitet und unendliche Male nachgedruckt. Eine Korrektur wird fast unmöglich.

Ein Paradebeispiel ist das neuste (re)branding der Hamas als „Freiheits“-Bewegung in den gängigen Schweizer Medien, Print und Fernsehen. Geri Müllers Wahlkampf zum Stadtammann von Baden wurde getrübt durch die Medienberichterstattung über seine Beziehung zur Hamas und seinen anti-Israel Haltung. Dennoch gewann Müller die Wahl mit einer knappen Mehrheit von 34 Stimmen. Medien analysierten seinen Wahlsieg und berichteten über die vorausgegangene Debatte um Müller.

Im SDA Beitrag über die kontroverse Beziehung des neu gewählten Badener Stadtammans zur Hamas, wurde diese Terrororganisation, die im Gazastreifen beheimatet ist, als „Freiheitsbewegung“ bezeichnet. Zeitungen und Webseiten, auch das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und Blick haben das übernommen.

Für gewöhnlich wird der Begriff Freiheitskämpfer für Personen verwendet, die Gewalt anwenden, um die gewünschte Unabhängigkeit zu erlangen, seien es die Kämpfer des irischen Nationalismus, Basken in Nordspanien oder eben die Hamas im Gazastreifen. Jemand, der ausserhalb dieser Bewegungen steht, neigt dazu, diese Gruppen als Terroristen zu bezeichnen, weil auch Zivilisten Zielscheibe sind. Die Schweiz hat, anders als die EU, die Hamas offiziell nicht als Terrororganisation kategorisiert und führt auch keine Terrorliste (mit Ausnahme von Al-Qaida). Somit ist unklar, wie und als was die Schweiz die Hamas betrachtet. Wenn die SDA die Hamas als Freiheitskämpfer definiert, ist das wohl eher auf Ignoranz als Absicht zurückzuführen.

Aber das ist nicht bloss eine Frage der Semantik.

Erst kürzlich kam es zu einem Vorstoss von Müller und Gleichgesinnten, die Hamas als offizielle Vertreterin des palästinensischen Volkes sowie als Dialogpartner in den Friedensverhandlungen mit Israel zu behandeln. Dabei sollte allerdings nicht vergesse werden, dass die Hamas für den regelmässigen Raketenbeschuss auf israelische Zivilisten verantwortlich ist und bis heute ihre Charta nicht explizit widerrufen hat, deren Ziel es ist, einen palästinensischen Staat auf dem Gebiet Israel (!) zu errichten.

Die achtlose Wortwahl der SDA ist genauso gefährlich, wie das blinde Übernehmen im aktuellen Klima des secondhand Journalismus. Diese Story ist nun mehrmals nachgedruckt und hat diese Verzerrung Unwahrheit auf eine Reise geschickt, zur unverblümten, anerkannten Wahrheit zu werden.

Shana Goldberg © Audiatur-Online

3 Kommentare

  1. Mehr als die Zeit fehlt vielen Journalisten das Tatsachenwissen, das Hintergrundverständnis und, am wenigsten verzeihlich, die Sprachdidziplin.

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