Überlegungen zur „Geri Müller-Debatte“

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Hamas Vertreter Mushir al-Masri überreichte 2012 dem damaligen Grünen Nationalrat Geri Müller eine Skulptur der Al-Aqsa-Moschee, Foto Facebook / Mushir al-Masri
Hamas Vertreter Mushir al-Masri überreichte 2012 dem damaligen Grünen Nationalrat Geri Müller eine Skulptur der Al-Aqsa-Moschee, Foto Facebook / Mushir al-Masri
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Seit einigen Wochen wird Geri Müllers Kandidatur für das Amt des Stadtammanns von Baden heiss diskutiert. Müller fühlt sich diskreditiert; zu Recht?

Geri Müller will Stadtammann (schweiz. für Stadtpräsident) von Baden werden. In den Wochen vor dem zweiten Wahlgang am 3. März berichteten verschiedene Schweizer Medien über den grünen Nationalrat und beleuchteten kritisch seine Haltung zu Israel und zur Hamas. Müllers Umfeld zeigt sich empört und spricht von „Kampagnen-Journalismus“. Und auch Müller selbst mimt die verfolgte Unschuld: Es sei eine kleine Minderheit, die ihn fertigmachen wolle.

Während Müller nicht konkretisierte, wer diese „kleine Minderheit“ sei, weiss der Islamische Zentral IZRS genau, wo die Schuldigen auszumachen sind: In der „jüdische Lobby gegen Geri Müller“. Und auch in Baden machen sich antisemitische Untertöne breit: „Wenn es den Juden nicht passt, wählen wir Geri Müller erst recht“, töne es in Baden, schreibt Sarah Nowotny in der NZZ am Sonntag vom 24. Februar.

Eine mediale Schmutzkampagne?

Auf die Kritikpunkte an Müller wird nicht eingegangen – stattdessen wehrt man sie reflexartig ab. Dabei sollte es nicht verwundern, dass jemand wie Geri Müller, der aus seiner anti-israelischen Gesinnung noch nie einen Hehl gemacht hat und dennoch als Vorsitzender der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates amten konnte, irgendwann mal rauer Gegenwind ins Gesicht bläst.

Müller machte keinen Hehl daraus, wem seine Sympathie gilt, wenn er das Waffenarsenal der Hamas als „Spielzeugraketen“ verharmloste oder in einem Interview mit den Verschwörungstheoretikern von We Are Change erklärte, die Israelis würden dasselbe tun, was die Nazis mit den Juden getan hätten. Selbstredend hat sich Müller von dieser Aussage nie distanziert. Stattdessen erklärte er gegenüber dem Tagesanzeiger, die Antwort sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Dem hielt die Tagesanzeiger-Journalistin Claudia Kühner, die auf dieser Plattform auch schon mehrfach kritisiert wurde, einer Analyse (Tagesanzeiger, 28.02.2013, online nicht verfügbar) dagegen, dass es für einen derartigen Vergleich nie einen „richtigen Zusammenhang“ geben könne. Dies sei eine geradezu prototypische antisemitische Äusserung.

Auch Müllers Verniedlichung der Hamas („Eine soziale Bewegung, zuständige für die Hilfe an den Ärmsten“) und ihrer Gewalt („Da gibt es einzelne, die „Seich“ gemacht haben“) spricht Bände. Kein Wort zur antisemitischen Charta, kein Wort zum Terror der Hamas, nicht nur gegen israelische Staatsbürger sondern auch gegen angebliche „Kollaborateure“. Laut Müller habe sich die Hamas sogar von ihrer Charta losgesagt. Aber schliesslich kennt Geri Müller auch keine Berührungsängste zur Hamas und traf im letzten Jahr drei ihrer Führungskräfte im Bundeshaus. Darunter Dr. Sayyid Abu Musamih, einer der Hamas-Chefideologen und ehemaliger Kommandant der Hamas in Gaza. Und Mushir Al Masri, Pressesprecher der Hamas, der auch das Blut der palästinensischen Frauen vergossen sehen möchte. Das Gastgeschenk, so erklärte Müller gegenüber den Schweizer Medien, sei eine Holzschnitzerei aus Gaza mit einem Schweizer Kreuz, doch auf einem Foto des Treffens ist eindeutig der Felsendom in Jerusalem zu erkennen.

Mangelndes Fachwissen

Diese Tatsachen hielten die Berner Nationalrätin und Co-Präsidentin der Grünen Regula Rytz nicht davon ab, ihrem Parteikollegen den Rücken zu stärken. In der Basler Zeitung (18.02.2013, online nicht verfügbar) schrieb sie folgendes: „Die Grünen haben sich immer wieder für die Ächtung von Antisemitismus und für die Gleichstellung der jüdischen Gemeinschaft eingesetzt. Als Grossrätin im Kanton Bern ist es mir zum Beispiel gelungen, die öffentlich-rechtliche Anerkennung der jüdischen Gemeinden mit einer finanziellen Besserstellung zu verknüpfen. Seit 1997 werden in Bern nicht nur die Pfarrer, sondern auch die Rabbiner über die Kirchensteuern mitfinanziert. Ein weiteres Anliegen ist die Aufarbeitung der Geschichte. So erinnert – auf Antrag der Grünen – eine Gedenktafel am Bundeshaus Ost daran, dass die jüdische Bevölkerung im späten Mittelalter aus dem heutigen Regierungsviertel in Bern vertrieben wurde.“

Hier offenbart sich ein fundamentales Verständnisproblem: Antisemitismus scheint für Regula Rytz hauptsächlich in der Vergangenheit und heute – wenn überhaupt – in konservativen und rechts-aussen Kreisen zu existieren. Deshalb bemüht sie im Folgenden auch ausgerechnet die jüdisch-amerikanische Philosophin Judith Butler, welche die Hamas und Hisbollah als Teil einer globalen, progressiven Linken verstanden wissen möchte. Rytz masst sich eine Definition des zeitgenössischen Antisemitismus  an: „Die Kritik an der Politik des israelischen Staates wäre nur dann antisemitisch, wenn sie sich judenfeindlicher Stereotype und Vorurteile bedient.“ Auf jeder pro-palästinensischen Demo, an denen u.a. Geri Müller regelmässig teilnimmt, sind Plakate und Schilder zu sehen, die diese Definition vollends erfüllen und zudem stellt sich die Frage, woher Rytz sich die Kompetenz für ein solches Urteil nimmt.

Mit Fachwissen brilliert die Nationalrätin nämlich nachweislich nicht. So bezieht sich Rytz in ihrer Replik in der BaZ auch auf die UN-Resolution 242 (und verliert andererseits kein Wort über Resolution 181, wie David Klein in der gleichen Zeitung zu Recht bemerkte). Rytz schreibt: „Die Grünen setzen sich explizit für eine Zweistaatenlösung auf der Basis der UNO-Resolution 242 ein.“ Offensichtlich hat Frau Rytz besagte Resolution noch nie konsultiert, sonst. Sonst wüsste sie, dass in dieser Resolution an keiner Stelle von einer „Zweistaatenlösung“ die Rede ist und auch die Palästinenser mit keiner Silbe erwähnt werden. Geri Müller steht ihr in nichts nach, ist dabei noch wesentlich kreativer. Er behauptete, die Resolution 242 fordere, „dass die Palästinenser einen eigenen Staat in den Grenzen von 1967 erhalten und die Siedlungen rückgängig gemacht werden.“ Die Resolution 242 wurde im November 1967 verabschiedet, also erst einige Monate nach der Eroberung des Westjordanlandes durch Israel, das bis dahin von Jordanien besetzt worden war. Auf welche damals nichtexistenten und deshalb in der Resolution nicht erwähnten Siedlungen sich Müller bezieht, weiss nur er allein. Diese Resolution scheint für Müller das Allheilmittel zu sein. So erklärt er Jerusalem bzw. Al-Quds zur Hauptstadt Palästinas und fordert das Rückkehrrecht für Palästinenser, natürlich alles „gemäss Resolution.“

Frei erfundene Behauptungen

Im Interview mit der Aargauer Zeitung vom 27. Februar zeigt Müller erneut, dass er es mit Tatsachen nicht so genau nimmt. Der Gazastreifen sei nur mehr etwas grösser als die Stadt Basel, während er 1.5 Millionen Menschen beherberge.  Tatsächlich beträgt die Fläche von Gaza 360km2, jene des Kantons Basel-Stadt 37km2. Mit 193‘736 Einwohner verfügt der Kanton über die grössere Bevölkerungsdichte als Gaza. Und die Hamas distanziere sich von ihrer eigenen Charta. Zudem wirft Müller mit Zahlen von angeblich durch Israel getötete Palästinenser („weit über 10‘000“ seit Ende der zweiten Intifada – tatsächlich war es wohl ungefähr ein Drittel davon) um sich  und behauptet, die von Mahmud Ahmadinejad propagierte Auslöschung Israels sei ein „bewusster Übersetzungsfehler“. Die staatlich-iranische Nachrichtenagentur IRIB (Islamic Republic of Iran Broadcasting) titelt jedoch wie folgt: Ahmadinejad: Israel must be wiped off the map.

Schon früher behauptete Müller in seinem Blog allen Ernstes, dass 80% der erwachsenden Einwohner des Gazastreifens in israelischen Gefängnissen gewesen und 40% von ihnen dort gefoltert worden seien. Beweise und Quellen gibt er dafür keine an.

Der faktenresistente Geri Müller liefert ausreichende Gründe für eine kritische Berichterstattung. Von  seinen oben angeführten Aussagen hat er sich bislang nicht distanziert. Umso bedauerlicher ist es daher, dass man in seiner Partei und seinem Umfeld offenkundig nicht gewillt ist, sich mit der Kritik an ihm auseinanderzusetzen und stattdessen eine im Geheimen orchestrierte Medien-Kampagne vermutet. Es gilt festzuhalten, dass die geäusserte Kritik nicht ausschliesslich auf Geri Müller abzielt und auch nicht die Grüne Partei in toto ins Visier nehmen will. Problematische Auffassungen zum Nahost-Konflikt und anti-israelische Haltungen bei gleichzeitigem Mangel an Sach- und Fachkenntnissen finden sich über die Parteigrenzen hinweg. Selten aber treten sie so deutlich zutage wie im Falle Geri Müllers.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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12 Kommentare

  1. Es ist einfach unglaublich, dass ein solcher unfähiger und inkompetenter Mann wie G. Müller zum Badener Stadtpräsidenten gewählt wurde. Müller war ein Versager und
    und ist wie viele seiner Species zum Politiker geworden. Müller ist ein übler Antisemit. Leider wurde das Badener Stimmvolk zu spät über die dunklen Seiten Müllers aufgeklärt. Wenn sich jemand für eine Terrororganisation wie die Hamas engagiert so hat sich der Betreffende selbst disqualifiziert. Baden hätte einen besseren Stadtpräsidenten verdient, denn die Folgen dieser Wahl werden die Badener noch zu spüren bekommen. Dieser Terror Sympathisant wird sehr genau beobachtet werden müssen!
    Rudolf Syz

  2. Eine NR Geri Müller – Debatte bzw. eine Debatte über ein politische Srtömung wie sie NR Geri Müller vertritt gab es in der Schweiz nicht. Antisemitisierende (Dan Diner)Äusserungen sind in diesem Land auch in wichtigen meinungsbildenden Medien Alltag.
    In Teilen der Öffentlichkeit in der Schweiz ist man mehrheitlich der Meinung; Nationalrat Geri Müller ist kein Antisemit und auch kein radikaler Antizionist. Es gibt vielleicht ein paar Ausnahmen – siehe auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Geri_M%C3%BCller.
    Alle politischen Lager sehen dies so und arbeiten gerne mit dem Linken NR Geri Müller zusammen. Dies kann man der Presse entnehmen. Das war schon so, als NR Geri Müller die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates präsidierte (Ende 2007 bis Ende 2009).
    In Baden und darüber hinaus gilt Geri Müller als aufrechter Menschenrechtler der die Politik Israels nicht billigt. Seine Aktivitäten zugunsten der Palästinenser sind rein karitativer Art (sagt man) und entsprechen in etwa der Aussenpolitik, welche die Schweiz im Nahen Osten betreibt. Für Schweizer Politikerinnen und Politiker sind weder die Hamas noch die Hisbollah Terrororganisationen. Die Schweiz förderte u.a. auch palästinensische Filmprojekte in denen gegen Israel gehetzt wurde. Das war zu der Zeit als die Sozialistin Micheline Calmy – Rey Aussenministerin war.
    Man versucht zu diesen auch antisemitischen Organisationen den gleichen politischen Abstand (Äquidistanz) zu halten wie zu Israel auch. Manchmal ist man zu den Vertretern der genannten islamistischen Organisationen (Hamas und Hisbollah usw.) auch etwas freundlicher als zu den Israelis.

  3. Herzliche Gratulation an Geri Müller zur Wahl als Stadtammann in Baden. Zum Glück haben die unhaltbaren Angriffe der jüdischen Kultusgemeinde Baden in der Lmmattaler Zeitung vom 14.02.2013 die Wahl nicht verhindert. Danke an das mündige Stimmvolk von Baden.

  4. … ein guter, informativer und sachlicher Artikel über die Causa Geri Müller, Michel! Ich bin gespannt, wie die Wahlen letztendlich ausgehen werden. Und v.a. bin ich gespannt, wie der gelernte Psychiatriepfleger und Israelhasser Müller – sofern er heute überhaupt gewählt wird – als Stadtammann wirken wird!

  5. Danke dass mal jemand die Fakten aufzeigt. Geri Müller ist ein übler Antisemit und steht auf einer Stufe mit André Daguet, Daniel Vischer, Therese Frösch, Andrea Hämmerle und Joseph Zysiadis. Siehe hier: http://www.sonntagonline.ch/blog/345/. Linker Antisemitismus ist ein übles Krebsgeschwür das wuchert und dies schon seit den 70er Jahren. Da jedoch die Linken und Netten ja immer die moralische Wahrheit für sich beanspruchen, sind sie absolut faktenresistent (wie Sie das so schön beschreiben). Wacht endlich auf ihr Wähler, die diese Linken wählt – auch ich war ein linker Wähler bevor ich mein Hirn ernsthaft eingesetzt habe und gesehen habe was hier so läuft. Die Linken verraten reihenweise ihre Ideale und merken es nicht einmal. Traurig!

  6. Mir kommt dieser Artikel schon sehr einseitig rüber. Aber es erstaunt mich eigentlich nicht, wenn ich mir die Adresse des Mediums anschaue. Ich bin übrigens alles andere als Judenfeindin, aber etwas Ausgewogenheit im Denken und (Be)Schreiben sollte dennoch drin liegen.

  7. Herr Gerhard Müller Behrens, wie er im Wikipedia heisst, ist in der schweizerischen Politik eine dubiose Gestalt. Er war offenbar beruflich erfolglos und wandte sich deshalb der Politik zu. In der Politik hat er nichts Nachhaltiges zuwege gebracht. Jedoch als möglicher Stadtamman von Baden, kann er eines Tages ganz besondere Fussabdrücke hinterlassen: nämlich blutige Fussabdrücke. Sind doch seine Freunde – oder Auftraggeber? – Mitglieder der palästinensischen Terrororganisationen Hamas und PLO, die notabene auch schweizerische Nichtjuden auf dem Gewissen haben. Seine Terroristenfreunde werden also bestimmen, wie es in Baden zu und her gehen wird: vorerst wird der Islam in der Badener Politik mitbestimmend sein, dann werden Zustände folgen wie heute in Malmö und weiteren skandinavischen Städten. Herr Gerhard Müller Behrens ist nicht nur dubios, nach meiner bescheidenen Meinung ist er auch gesundheitlich untauglich für diesen Job: warum hat er immer dieses aufgedunsene Gesicht? Baden ist eine hübsche Kleinstadt und soll es auch bleiben. Die Schweiz braucht kein islamisches Ghetto.

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