Frauen des arabischen Frühlings – mehr als Frauenrechte

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Der arabische Frühling hat uns an die Stärke und Entschlossenheit der unzähligen arabischen Frauen herangeführt, die die Strassen und das Internet genutzt haben, um Veränderungen in ihren Regierungen und Gesellschaften zu fordern. Verflogen waren die Stereotypen von Unterdrückung und Passivität. Stimmen und Gesichter der Hoffnung des Mutes sind an ihrer Stelle nachgerückt, die neue integrative Regierungen verlangten, die Frauen endlich ihre Rechte und ihren Platz in den neuen Gesellschaften, frei von Korruption, geben sollten.

Aber dennoch erachten viele, dass sich heute der arabische Frühling zum arabischen Herbst gewandelt hat und Schlagzeile nach Schlagzeile in Frage stellt, ob ein Regimewechsel wirklich stattgefunden hat. Bedenken wurden geäussert, zu welchem Grad der „Islam“ eine Rolle in den neuen Regierungen spielt. Dabei wurden Frauenrechte grossenteils beiseitegeschoben und Frauen in die Position, Untertan des Staates und Gegenstand seiner Politik statt Akteur zu sein, zurückmanövriert.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie stumm sind.

Nicht zuletzt haben die vergangenen zwei Jahre die Diskussion um Gleichberechtigung in der Öffentlichkeit im ganzen Nahen Osten vorangetrieben. Die grösste Lektion, die Frauen gelernt haben, ist das kollektive Selbstvertrauen, welches aus der Erfahrung herrührt, die sie gemeinsam teilen, wie beispielsweise die Erfahrung, erfolgreich an der Öffentlichkeit teilzunehmen oder ihr Empowerment, weil ihre Stimmen in Saudi Arabien, wo König Abdullah verkündete, es würden doppelt so viele Frauen wie ursprünglich erwartet in den Shura Rat (oberstes Beratungsgremium in Saudi Arabien) ernannt, erhört wurden.

Gesetze können solche Erfahrungen nicht auslöschen, noch können sie aus der Psyche eines Einzelnen getilgt werden. Erfahrungen sähen die Saat, die zur Forderung nach Frauenrechten weiterwächst, unabhängig davon wie desolat die Umgebung seither geworden ist.

Der Aktivismus dieser Frauen ist nicht ihr persönliches Hobby oder eine Freizeitbeschäftigung; er ist unerlässlich für die Zukunft ihrer Länder. Und deshalb machen sie weiter.

In Bahrain tweeterte die Menschenrechtsaktivistin Maryam Al-Khawaja, trotz Drohungen und Belästigungen, mehrmals täglich, um Nachrichten über Gerichtsverhandlungen, Verhaftungen und Hausfriedensbrüche in Umlauf zu bringen. Und die Journalisten Reem Khalifa hält den Belästigungen, Todesdrohungen und sogar Blendgranaten der Sicherheitskräfte stand, um weiter über die friedvollen pro-Demokratie Demonstrationen zu berichten.

In Ägypten nutzt die Journalistin, Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin Nawara Negm Twitter, um Jugendliche zu ermutigen, politisch aktiv zu bleiben; die Menschenrechtsaktivistin und Bloggerin Esraa Abd ElFattah – bekannt als das „Facebook Girl“ wegen ihre live updates auf Facebook und Twitter während der Revolution – setzt ihre Arbeit mit der Ägyptischen Demokratischen Akademie fort, die Jugendliche in der Medienproduktion ausbildet und Wahlbeobachtung betreibt; und die Journalistin Rasha Azab arbeitet an der Aufdeckung von Militärfolter.

In Libyen setzen sich Rihab Elhay und Iya Khalil ein, beide Mitbegründerinnen der New Libya Foundation zum Aufbau der Zivilgesellschaft durch Lehren von bürgerlichem Engagement, Integration und Zusammenarbeit. Und Magda Sharkasi, Mitbegründerin der Tibra Foundation zur Anerkennung und Auszeichnung von libyschen Frauen für ihre Arbeit zugunsten von Gemeindeangelegenheiten. Ferner trifft sich das Libyan Women’s Forum, um Bewusstsein und Anerkennung von Frauenrechten zu erhalten und sie fordern, dass diese in die Verfassung eingebettet werden. Libysche Frauen sind tatkräftig im Einsatz und sprechen alle Themen an, vom Umweltschutz bis zum Lobbying für Menschenrechte und der Schutz historischer und heiliger Stätte und Waffensammlungen.

Warum?

Weil es in diesen Revolutionen nie um „Frauenrechte“ ging – sondern um die Rechte einer jeden Person auf Demokratie, Freiheit und Menschenwürde – und die Schaffung eines gesunden, wettbewerbsfähigen politischen Klimas, das alle Komponenten beinhaltet. Bis dieses jedoch nicht erreicht ist, ist die Revolution noch lange nicht vorbei.

Frauen treten weiterhin an die Öffentlichkeit, sprechen weiterhin, demonstrieren und fordern ihre Rechte. Und sie werden damit auch nicht aufhören. Ihr Geist, Mut und Entschlossenheit kann nicht gebrochen werden. Sie haben die Macht kollektiven Handelns und der Stärke erfahren, die aus der Vereinigung ihrer Stimmen entstehen kann.

Dies ist nicht das Algerien der 1960er, als die Bedürfnisse der post-kolonialen Nation wichtiger als „Frauenangelegenheiten“ angesehen wurden. Es ist das Jahr 2013, wo Frauenangelegenheiten die Angelegenheiten von jeder Mann und Frau ist und die Bedürfnisse einer Nation, ohne die Stimme aller ihrer Bürger zu umfassen, nicht erfüllt werden können – Frauen und Männer, Junge und Alte, mit jedem ethnisch-religiösen Hintergrund.

So wie die Frauen zu Beginn des arabischen Frühlings kollaboriert und kooperiert haben, so werden sie diese Arbeit fortsetzen, um sicherzustellen, dass die Gleichberechtigung nicht nur in der Verfassung verankert ist, sondern auch de facto umgesetzt wird.

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* Dr. Natana J. DeLong-Bas ist Chefredaktorin der The Oxford Encyclopedia of Islam and Women und die Verfasserin von Wahhabi Islam: From Revival and Reform to Global Jihad. Sie unterrichtet vergleichende Religionswissenschaften am Boston College. Dieser Beitrag wurde geschrieben für Common Ground News Service (CGNews).

Originalversion: Women of the Arab Spring, beyond objects and subjects by Natana J. DeLong-Bas© Common Ground News Service (CGNews), 15 January 2013. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.