Zur israelisch-palästinensischen Frage

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Der PLO-Vorsitzende Mahmud Abbas hat gesagt, er würde seine Vorbedingung für Verhandlungen – einen vollständigen Baustopp in den Siedlungen und in Ostjerusalem – fallen lassen und an den Verhandlungstisch zurückkehren, nachdem die UN-Generalversammlung für „Palästina“ als einen „beobachtenden Nichtmitgliedsstaat“ gestimmt habe.

„Wenn wir von der UN-Generalversammlung zurückkehren und ein Nichtmitgliedsstaat auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt sind, wird der Weg zu direkten Verhandlungen offen sein, um auf dieser Basis Sicherheit und Stabilität zu erlangen“, erklärte ein Topsprecher Abbas‘. Dies ist von Bedeutung, weil die Verhandlungen aufgrund der Forderung nach einem Baustopp, die den Palästinensern im Wesentlichen von der Obama-Regierung aufgezwungen worden war, für vier Jahre zum Stillstand gekommen waren.

Darüber hinaus sagte Abbas einem israelischen Interviewer gegenüber, dass er das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen als Palästina betrachte, und stellte fest, dass er seine Geburtsstadt Safed gerne besuchen würde, die heute in Israel liegt, doch er erkenne, dass er kein Recht habe, dort zu leben. Mit diesen Worten schien er das sogenannte „Rückkehrrecht“ der Palästinenser in Städte in Israel aufzugeben. Dies wäre ein wichtiger Schritt, aber Abbas und die PLO beschlossen, dass er zu weit gegangen sei und kehrten zu älterer Rhetorik zurück.

„Das Rückkehrrecht ist heilig und niemand kann es leugnen“, sagte Abbas danach einem ägyptischen Interviewer. Er habe lediglich gemeint, dass er persönlich nicht nach Safed zurückkehren würde. „Was ich über Safed gesagt habe, war meine eigene persönliche Position und bedeutete nicht, das Rückkehrrecht aufzugeben. Niemand kann das Rückkehrrecht aufgeben“, sagte Abbas.

Die offizielle israelische Reaktion war nicht positiv: „Nur in direkten Verhandlungen können die tatsächlichen Positionen geklärt werden“, sagte Netanjahu am Sonntag. „Wenn es Abu Mazen [Abbas] wirklich ernst meint und den Frieden fördern will, können wir uns, soweit es mich betrifft, sofort zusammensetzen.“ Die Regierung Netanjahus konzentriert sich nicht auf die widersprüchlichen Aussagen Abbas‘, sondern auf die UN-Abstimmung – und hat erklärt, dafür werde ein Preis zu zahlen sein. Eine Abstimmung über eine palästinensische UN-Mitgliedschaft als „Nichtmitgliedsstaat“ wird „den Frieden nur zurückwerfen und nur unnötige Instabilität hervorrufen“, sagte Netanjahu diese Woche.

Lange dachte ich, dass der israelische Fokus auf die UN-Abstimmung exzessiv sei. Die Gefahr ist real: Wenn die PLO, nach Festsetzung der UN, zum Mitgliedsstaat „Palästina“ wird, verfügt es möglicherweise über den Status, Israelis vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Dadurch werden die israelisch-palästinensischen Beziehungen jedes Mal, wenn ein Fall vorgebracht wird, verbittern und Abbas wird unter ständigem Druck stehen, neue Fälle vorzubringen. Und das neue UN-Mitglied „Palästina“ kann sich beschweren, dass Israel sein Gebiet besetzt und Krieg gegen es führt, wenn irgendwelche Antiterroroperationen durchgeführt werden.

Dennoch bringt dieser palästinensische Schritt auch potenzielle Vorteile. Wenn „Palästina“ erst zu einem Mitgliedstaat der UN geworden ist, ist es zunächst viel schwieriger zu argumentieren, dass die Einstaatenlösung durchführbar bleiben solle. Rechtlich werden sich die Palästinenser endgültig von diesem Ergebnis weg bewegt haben. Zweitens, wenn dieser neue Status der PLO für Israel Schwierigkeiten schafft, dann schafft er noch grössere für „Palästina“. Was ist der Gazastreifen letzten Endes? Eine „verlorene Provinz“, die rebelliert hat, oder Territorium des neuen Staates – und wenn Letzteres, ist es nicht jedes Mal eine Kriegshandlung, wenn von Bewohnern des Gazastreifens ein Mörser oder eine Rakete nach Israel abgeschossen wird?

Wenn „Palästina“ ein Mitgliedstaat der UN ist, was ist der rechtliche Status der Palästinenser, die im Westjordanland und im Gazastreifen leben? Sind sie Staatsbürger dieses Staates – und wenn ja, warum nicht gleich auch die UNRWA schliessen, die UN-Agentur, die sich mit den palästinensischen „Flüchtlingen“ befasst? Das wird dazu führen, dass Palästinenser behaupten könnte, dass ihr neuer UN-Status bedeutungslos, unwichtig, symbolisch sei, was wiederum die Frage aufwirft, warum die PLO dies überhaupt tut. Ich vermute, es liegt daran, dass die Führung keine konstruktiven Ideen dazu hat, was zu tun ist, und festgestellt hat, dass die schwierige tägliche Arbeit des Staatsaufbaus unattraktiv ist.

Tatsächlich wird die UN-Abstimmung vor Ort wenig oder gar nichts verändern, was ein weiterer Grund dafür ist, dass ich mich frage, ob Israel seine Interessen am besten verteidigt, indem es die Abstimmung in eine Krise verwandelt. Die amerikanische Position sollte, so scheint es mir, sein, sich diesem palästinensischen Schritt als nutzlose Komplikation zu widersetzen – wie wir es tun. Doch auch wir sollten nicht so weit gehen, dass wir drohen, deshalb die Hilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland zu entziehen. Der Zusammenbruch der PA liegt weder im Interesse der USA noch Israel, was die Israelis sicherlich erkennen müssen und was die israelischen Geheimdienste vollständig realisiert haben. Für die Israelis kann die Durchführung von Vergeltungsmassnahmen, die ihre eigene Situation veschlimmert, keine vernünftige Reaktion auf den Schritt der Palästinenser sein.

Vom CFR.org. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. Für weitere Analysen und Blogeinträge über den Nahen Osten und Aussenpolitik, besuchen Sie CFR.org.

Originalversion: Meanwhile, on the Israeli-Palestinian Issue by Elliott Abrams © Council on Foreign Relations, November 7, 2012.