Komplizierte Auswirkungen eines Staatsbesuchs

2
Hamad bin Khalifa Al Thani. Foto Michał Józefaciuk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 pl über Wikimedia Commons.
Lesezeit: 3 Minuten

Katars Emir Hamad bin Thani ist das erste Staatsoberhaupt, das den seit 2007 infolge eines Putsches allein von der islamistischen Organisation Hamas kontrollierten Gazastreifen besucht. Der Emir wurde mit „königlichen Ehren“ empfangen, wie Medien aus Gaza berichteten. Er brachte einen Scheck über 400 Millionen Dollar mit und weihte Projekte zum Wiederaufbau des Gazastreifens ein.

Das kleine Scheichtum am Persischen Golf hat auf die Vorgänge in der gesamten arabischen Welt einen überproportionalen Einfluss dank seines per Satellit übertragenen Fernsehsenders Al-Jazeera. Der hauseigene Sender des Emirs begleitete jeden Schritt Al-Thanis im Gazastreifen, während der saudische Konkurrenzsender, Al-Arabia, den Besuch mit keinem Wort erwähnte.

Emir Al-Thani ist zwar über Ägypten in den Gazastreifen eingereist. Doch der Besuch hätte ohne israelischen Segen nicht zustande kommen können, berichtete der israelische Rundfunk. Andere israelische Medien behaupten, dass neben der Palästinensischen Autonomiebehörde PA in Ramallah auch Israel scharfe Kritik an dem offiziellen Besuch des Emirs geäussert habe. Gleichwohl hat sich ein Sprecher des israelischen Aussenministeriums positiv über den Besuch geäussert. Israel begrüsse es, dass arabische Staaten sich aktiv am Aufbau und der Wohlfahrt der palästinensischen Gebiete beteiligen. Ein anderer Sprecher hingegen kritisierte das Vorgehen des Emirs, weil er durch die Kooperation mit einer Terrororganisation die Friedenschancen den Wölfen zum Frass vorgeworfen habe.

Der Besuch bedeutet eine Legitimierung der „de facto“ Hamas-Regierung im Gazastreifen, was die territoriale wie politische Spaltung der Palästinenser in Westjordanland unter der Autonomiebehörde und Gazastreifen unter der Hamas-Regierung festige. Das wiederum stellt den Anspruch der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) infrage, das gesamte palästinensische Volk beispielsweise in der UNO zu vertreten, obgleich die Hamas-Organisation niemals Mitglied der PLO geworden ist. Zugleich stellt eine offizielle Anerkennung der Hamas die Osloer Verträge und die Legitimität der daraus entstandenen Autonomiebehörde mit Präsident Mahmoud Abbas an der Spitze in Frage. Eine Anerkennung der Hamas-Regierung macht zudem eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Israel und eine Umsetzung der von den Europäern geforderten Zwei-Staatenlösung fast unmöglich. Denn so verliert Präsident Abbas vollends die Fähigkeit, im Namen aller Palästinenser zu verhandeln oder gar Verträge zu unterzeichnen, die dann auch für die Hamas und den Gazastreifen bindend sein müssten.

Die gleichzeitigen widersprüchlichen positiven wie negativen Beurteilungen Israels sind nicht wirklich überraschend. Einerseits verweigert Israel der Hamas jegliche Anerkennung, solange sie nicht drei Bedingungen erfüllt: eine Absage an Gewalt, eine Anerkennung Israels und eine Akzeptanz aller geltenden Verträge, darunter die Osloer Verträge. Andererseits hat Israel nach dem vollständigen Abzug aus Gaza 2005 versucht, jegliche Verantwortung für den Küstenstreifen abzustreifen. Aber die Weltgemeinschaft hält Israel weiterhin für den Besatzer und somit verantwortlich für die Wohlfahrt der dort lebenden Bevölkerung. Daher liefert Israel bis heute Wasser, Öl, Strom, Nahrungsmittel und andere Waren in den Gazastreifen.

Israel hatte nach dem Abzug gehofft, dass die arabischen Staaten, darunter Ägypten, die Aufgabe übernehmen würden, den Streifen zu versorgen. Deshalb die positive Beurteilung des für arabische Medien verantwortlichen Sprechers des israelischen Aussenministeriums.

Für die Hamas bedeutet der Besuch eine hochwillkommene Aufwertung, nachdem die Organisation die Unterstützung Syriens verloren hat und ihre Hauptquartiere in Damaskus schliessen musste. Angeblich sind auch die Beziehungen der Hamas mit ihrem anderen Gönner, dem Iran, getrübt. Der pompöse Empfang für den Emir von Qatar könnte deshalb auch eine offene Kehrtwende der Hamas bedeuten. Denn Katar unterstützt offen die Aufständischen gegen den syrischen Präsidenten Baschar Assad. Zudem zählt Qatar neben Saudi Arabien und Bahrein zu jenen „gemässigten“ arabischen Staaten, die sich gegen den Iran und den Einfluss der Schiiten auflehnen.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

Alle Artikel

2 Kommentare

  1. Nicht zu vergessen, dass Katar Wohn- und Arbeitsort von al-Qaradawi ist. Er würde Terror in Katar sicherlich auch nicht begrüssen! Es ist eindeutig, dass Katar nicht aus rein sozialen, humanitären Gründen hier einsteigt. Motive gibt es sicherlich viele. Zudem gibt Katar dem Iran zu verstehen, dass er nicht mehr gebraucht wird.

  2. Der Besuch vom Emir von Qatar in Gaza kann noch einen weiteren Grund haben. Mit seinem Besuch in Gaza und mit dem Scheck kann sich Qatar Ruhe vor islamischen Terroristen, und die Hamas gehört dazu, erkaufen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.