Gesucht: Schulpsychologen für Beduinen

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Ein von der Ben Gurion University of the Negev lanciertes Sonderprogramm soll Beduinen darauf vorbereiten, einen dringenden Bedarf an ihren Schulen zu decken.

Schulpsychologen an Beduinenschulen in der israelischen Negev-Wüste sind mit einer Vielzahl von Themen konfrontiert, die dieser Bevölkerungsgruppe eigen sind. Sie reichen von Fehden zwischen den Stämmen, die auf dem Schulplatz fortgeführt werden, bis hin zu emotionalen Auswirkungen aufgrund von Polygamie.

Nur ein Fachmann aus der eigenen Gesellschaft ist in der Lage, die Feinheiten der einzigartigen Situation vollumfänglich zu verstehen. Doch gibt es nicht genügend ausgebildete Beduinen, die diesen Bedarf decken können. Daher hat sich das israelische Gremium für Höhere Bildung (The Council for Higher Education in Israel) an die Ben Gurion Universität des Negevs (BGU) gewandt, weil diese verschiedene Programme anbietet, die Beduinen aus dem Negev den Zugang zu höherer Bildung verschaffen.

Im Herbst 2011 haben die Fachbereiche Pädagogik und Psychologie ein Spezialprogramm wiederbelebt, das einen Masterabschluss in pädagogischer Psychologie für arabisch-israelische und beduinische Studenten anbietet. Einige Studenten hatten vor Jahren einen Abschluss in einem ähnlichen Programm gemacht, doch wurde dieses eingestellt.

Prof. Shifra Sagi ist bereit, alles dafür zu tun, damit das Programm dieses Mal funktioniert. „Ich halte es für äusserst wichtig und es war meine erste Initiative als Leiterin des Studiengangs für pädagogische Psychologie“, sagt Sagi, die durch ihre Arbeit in Beduinenschulen und in einem Forum für Konfliktlösungen Einblick in die Gesellschaft der Beduinen hat.

„Die Situation des Bildungssystems in der beduinischen Gesellschaft ist sehr schwierig“, erzählt sie ISRAEL21c. „Ich würde gerne die pädagogische Psychologie in den Schulen erweitern und verbessern. Gegenwärtig gibt es zwar einige öffentliche Beratungsstellen, doch aber die Berater  sind grösstenteils keine Beduinen.“

Kindern helfen, mit der Situation umzugehen

Von den schätzungsweise 160.000 oder 170.000 Beduinen in Israel leben 110.000 im Negev. Ungefähr 70.000 von ihnen wohnen in nicht-anerkannten Dörfern mit geringem Zugang zu staatlichen Dienstleistungen. Aus einer Vielzahl von Gründen haben viele Beduinen die Bemühungen der israelischen Regierung, sie in offizielle Wohngebiete umzusiedeln, abgelehnt.

Für Sagi ist einzig der Teil dieser komplexen Wirklichkeit relevant, der Einfluss auf die Kinder hat, die in dieser leben.

„Die Psychologen müssen nicht in den Konflikt zwischen dem Staat und den Beduinen involviert sein. Ihr Ziel ist es, den Kindern zu helfen, mit dieser Situation umzugehen.“

Weil die Wohnstätten vieler Familien illegal sind, ist die Gefahr des Hausabrisses ein stetiger Aspekt der Unsicherheit in ihrem Leben.

„Ein Beduinen-Lehrer berichtete mir über einen Jungen, der ein Bild mit einem Hügel malte und erklärte, dass wenn er auf die Spitze hochklettere, sein Herz schnell schlägt, weil er nicht weiss, ob er sein Haus noch sehen wird, wenn er runter schaut. Man muss ihm helfen, damit umzugehen – nicht im politischen Wirkungskreis, sondern im emotionalen“, sagt Sagi.

Es gibt aber auch andere Bedürfnisse, die charakteristisch für Kinder in der Beduinengesellschaft sind, sogar in anerkannten Städten und Dörfern. In Rahat, eine Beduinenstadt nahe Beersheva, zeichnen sich die Schulen durch Überfüllung und Gewalt aus, so Sagi. Einige Kämpfe rühren von uralten Rivalitäten zwischen den Stämmen her. Ferner müssen viele Beduinenkinder mit den emotionalen Auswirkungen umgehen, von Polygamisten erzogen zu werden und/oder leiden an genetischen Krankheiten aufgrund von Heirat unter Blutsverwandten. Pädagogische Psychologen werden dringend gebraucht, um Hilfe wie etwa Diagnosetests anzubieten, sodass Kinder die Hilfe erhalten, die ihnen zusteht.

„Es gibt viel zu tun“, sagt Sagi.

Chancengleichheit

Bevor Beduinen jedoch für diese Arbeit ausgebildet werden können, müssen sie auf ein akademisches Niveau gebracht werden, das dem ihrer anderen israelischen Kommilitonen entspricht.

Die BGU geht diesen Aspekt seit langem mit Spezialprogrammen an und der Studiengang pädagogische Psychologie bildet da keine Ausnahme.

In das neue Programm für pädagogische Psychologie haben sich elf Studenten eingeschrieben, sechs sind Beduinen mit einem BA-Abschluss aus Jordanien und fünf aus Nord-Israel. Ein einjähriger Vorbereitungskurs soll sie für das anschliessende zweijährige Masterprogramm qualifizieren. Leider bleibt nur ein beduinischer Student übrig. „Ihr BA hat nicht das gleiche Niveau wie ein BA in Israel“, erklärt Anan Srour, arabisch-israelischer Psychologe aus Galiäa, der im BGU Programm unterrichtet und in Ost-Jerusalem arbeitet. „Wir gaben ihnen zwar Zusatzhilfe, aber sie hatten schnell das Gefühl, dass sie es nicht schaffen würden.“

Die BGU könne die Zulassungsbestimmungen für das BA-Studium in Psychologie heruntersetzen, sodass sich in Zukunft mehr Beduinen einschreiben, sagt Srour. „Wenn sie das erst einmal beendet haben, werden sie für das Masterprogramm bereit sein. Sie brauchen einen Masterabschluss, um als Schulpsychologe die Zulassung zu erhalten.“

Sagi ist optimistisch, was das nächste Jahr angeht, wenn die sechs verbleibenden Studenten aus dem Vorbereitungskurs sich den anderen Masterstudenten anschliessen. Alle von ihnen erhalten eine Ausbildung vor Ort in jüdischen und beduinischen Kliniken im ganzen Negev. „Für mich ist der aufregendste Teil, dass die Gruppe zur Hälfte aus Arabern und zur Hälfte aus Juden besteht“, sagt sie. „Wir müssen unser Programm an diese Zusammensetzung anpassen; das ist sehr herausfordernd und interessant. Für mich ist das eine persönliche Aufgabe, weil wir lernen müssen, wie man zusammenarbeitet.“

Originalversion: Wanted: Beduin school psychologist by Abigail Klein Leichman © Israel21c.org, July 30, 2012.

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