Israels demokratische Revolution

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Oberstes Gericht in Jerusalem. Foto PD
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Während sich der arabische Frühling von seinem demokratischen Verspechen entfernt, gibt es im Nahen Osten einen Ort, an dem sich Demokratie sowohl als belastbar als auch fähig erweist, auf die unlösbaren Probleme einer Nation zu reagieren: Israel.

Es sei einem verziehen, nicht bemerkt zu haben, dass der jüdische Staat kurz vor der Vollendung einer Gesetzesreform steht, das die Einberufung aller Bürger in den nationalen Dienst regelt, denn die normalerweise so von Israel besessene westliche Presse erwischt sich selbst, bei diesem Aspekt sprachlos zu sein. In einem Land, in dem seit seiner Geburtsstunde alle nicht-haredischen Juden rechtlich wie kulturell ab ihrem 18. Geburtstag an den Militärdienst gebunden sind, würde die Erweiterung dieser Diensteinforderung auf arabische und haredische Minderheiten einer Revolution epischen Ausmasses gleichkommen. Selbst wenn die meisten von ihnen nicht im Militär dienen werden.

Die Ausschliessung nicht-jüdischer und haredischer Minderheiten vom Ideal des nationalen Dienstes ist eine Wunde, die seit Jahrzehnten stetig am nationalen Gefüge reisst. Dass diese Minderheiten ausgenommen waren, hat unterschiedliche Gründe: bei Arabern wurde  – nicht grundlos – angenommen, dass sie sich in einem Loyalitätskonflikt befinden, der für die meisten einen Militärdienst verunmöglichen würde. Der Ausschluss der Haredi (angeblich nur von Jeschiwa Studenten) erfolgte, als Israel in die Koalitionspolitik vorstiess, und war der Preis, den die haredischen Parteien forderten; und die zionistische Arbeitspartei unter David Ben-Gurion brauchte sie zur Regierungsbildung ohne die rechten Revisionisten.

Mit der Zeit hat der Ausschluss dieser beiden Gruppen ein unhaltbares Ausmass angenommen, was jeweils seine eigenen Gründe hat. Während die Gemeinde der Drusen bereits seit Jahrzehnten den Militärdienst leistet, steht er zumindest theoretisch auch jedem israelischen Araber offen. Das Versäumnis des Grossteils der arabischen Minderheit, daran teilzunehmen, ist zur Hürde für ihre Integration in die israelische Gesellschaft geworden und hat wahrscheinlich eine Rolle in der zunehmenden Radikalisierung der israelisch-arabisch politischen Führung in den vergangenen Jahrzehnten gespielt.

Der Ausschluss der Haredi, der sich einst auf einige Hunderte bezog, ist angewachsen auf mehr als 60.000 junge Männer im wehrpflichtigen Alter, die jedes Jahr von dieser Verpflichtung entbunden werden. Dadurch wird die Einberufungsbefreiung, neben der fehlenden vollumfänglichen Beteiligung an der Arbeitskraft und eines explosionsartigen demographischen Wachstums der Haredim, zu einem mächtigen Symbol der steigenden ungleichen Last, die von der nicht-haredischen jüdischen Mehrheit getragen wird.

Die Ein-Staaten-Untergangspropheten bei Seite gelassen, wird die Kombination aus der fortschreitenden Entfremdung vom Staat sowohl von Seiten seiner grössten nicht-jüdischen Minderheit als auch seines am schnellsten wachsenden jüdischen Segments in letzter Zeit von vielen Israelis als die dringlichste Staatskrise empfunden. Wie Daniel Gordis vom Shalem Center aufgezeigt hat, wirkte diese Zukunftsvision – eine sinkende zionistischen Mehrheit umringt Bevölkerungsgruppen, die nichts für den jüdischen Staat beitragen und zugleich aktiv Ressourcen von ihm beziehen – beängstigend und verheerend. Insbesondere weil eine Lösung die Vereinigung der zersplitterten Fraktionen der zionistischen Mehrheit erfordern würde, die sich selbst als äusserst fähig bewiesen hat, dieses Problem jahrzehntelang zu umgehen.

All dies bietet Anlass, dem aktuellen Kuhhandel dieser Parteien in der Knesset zu applaudieren. Ohne Zweifel wird jedwedes Gesetz, das dabei herauskommt, alles andere als perfekt sein. Es ist auch keineswegs klar, ob eine bedeutende Reform letztendlich tatsächlich verabschiedet wird.

Doch die historische Koalition, die im letzten Frühjahr von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und dem früheren Oppositionsführer Shaul Mofaz gebildet wurde, hat den Weg für diese Gelegenheit bereitet. Die mögliche Passage der Regierung– im für Israel charakteristischen kämpferisch-demokratischen Stil verfasst – für ein neues Einberufungsgesetz, das alle Bürger des Staates auf verschiedene Art und Weise in den nationalen Dienst einbinden würde, verkörpert eine potentielles Neubegründung Israels als eines Staates, dessen Pflichten und Rechte gleichermassen von allen geteilt werden.

Originalversion: Israel’s Democratic Revolution by Matthew Ackerman © Commentary Magazine, July 9, 2012.