Saudi Arabien: politischer Übergang und das Recht der Frauen auf Autofahren

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Zum ersten Jahrestag der Kampagne saudischer Frauen Women2Drive am Sonntag, 17. Juni 2012, hatten Aktivistinnen eine weitere Fahr-Demonstration geplant und saudische Frauen mit internationalem Führerschein dazu aufgerufen, sich auf den Weg zum Verkehrsamt zu machen und es mit einer Flut von Anträgen zu überhäufen. Männer wurden aufgerufen, ihre Ehefrauen, Schwestern und Mütter als Beifahrer zu unterstützen, wenn sie dem Fahrverbot trotzen. Allerdings wurde die Demonstration wegen des Todes von Kronprinz Nayef verschoben. Er hatte jahrzehntelang dem Innenministerium vorgestanden und beim Thema Frauen und Autofahren eine harte Linie verfolgt. Obwohl es kein Gesetz gibt, das Frauen das Autofahren ausdrücklich verbietet, hatte Nayef klar gemacht, dass Frauen dieses Recht nie erhalten würden, solange er das Sagen hätte. Nach einer Demonstration im Jahr 1990, bei der Frauen Auto fuhren (und bei der, wie im vergangenen Jahr, Frauen auch verhaftet wurden), hat er ein offizielles Verbot für Frauen hinterm Steuer erlassen.

Tatsächlich war Nayet für die Reformorientierten in Saudi Arabien ein rotes Tuch; mit strenger Hand verhinderte er Modernisierungsversuche, vor allem in Hinblick auf Frauen – vom Frauenwahlrecht bis zum Festhalten am Autofahrverbot. Er überwachte die Religionspolizei – seit der Behinderung von Rettungsmassnahmen beim Feuer einer Mädchenschule 2002 eine berüchtigte Truppe – und unterhielt enge Kontakte mit den religiös Konservativen. Wie an anderer Stelle und früher erwähnt, war Nayef auch Pragmatiker, den seine Selbsterhaltung am meisten kümmerte. Wenn er den Eindruck gehabt hätte, dass eine Mehrheit der Bevölkerung autofahrende Frauen unterstützt, er hätte sich nicht dagegen gestellt, schätze ich. Angeblich habe er seiner eigenen Tochter erlaubt zu fahren, wenn sie sich im Ausland aufhielten. Doch Nayef war schwerlich ein Führer mit Visionen, um seinem Land eine Veränderung mit modernerer Perspektive zu ermöglichen.

Nachdem es nun ohne Nayef weitergeht, gedeihen Spekulationen und Hoffnungen, dass sein Nachfolger vielleicht einen reformfreudigeren Ansatz verfolgen wird – nicht nur in Bezug auf Frauenrechte, sondern auch bei einer Reihe anderer Themen. Doch ist es eher unwahrscheinlich, dass Prinz Salman, der neuen Kronprinz, einen grossen Unterschied macht für die Rechte von Frauen, oder dass er über die Vorgehensweise stufenweiser Reformen hinausgehen wird, wie König Abdullah sie gewählt hat. Mit knapp 76 Jahren ist Salman zwölf Jahre jünger als der König, aber kein junger Hüpfer, und es gibt Berichte, dass es gesundheitlich nicht gut um ihn bestellt sei. Ausserdem wird er sich den gleichen Herausforderungen gegenübersehen, die Forderungen nach Reformen auszubalancieren mit den mächtigen religiös Konservativen, die sich ein Leben wie im 7. Jahrhundert wünschen. In Saudi Arabien ist die Haltung zu Frauenrechten das ultimative Kennzeichen des Konservatismus gegen die Moderne. An dieser Front erwarte ich keine wirklichen Veränderungen, bis die Nachfolge an die nächste Generation übergeht. Womöglich kalkulieren diese zukünftigen Führer mit anderen Faktoren für den Machterhalt des Hauses Saud. In der Zwischenzeit haben die entschlossenen Aktivistinnen hinter der Aktion Women2Drive zu einer neuen Demonstration am 22. Juni aufgerufen. Dazu viel Glück!

Originalversion: The Saudi Transition and Women’s Right to Drive by Isobel Coleman © Council on Foreign Relations. June 21, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.