Der Wasserkrieg in Nahost

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Um Wasser führen Israelis und Palästinenser einen propagandistischen Weltkrieg. Das israelische Informationszentrum „Media Central“ hatte eine Pressetour nach Ouja und Kibbuz Almog organisiert, wo Journalisten mit dem palästinensischen wie dem israelischen „Narrativ“ zu der Wasserfrage konfrontiert wurden.

Im Minibus ging es zum Dorf Ouja nördlich von Jericho. Dort sprudelt die ausgiebigste Quelle im palästinensischen Gebiet. In dem 5000 Seelen Dorf stehen noch Lehmhütten, wie in biblischer Zeit. Es gehört teilweise zur Palästinensischen Autonomiebehörde und teilweise zu dem von Israel kontrollierten „C-Gebiet“ im besetzten Westjordanland.

Der vom Bauer zum Bürgermeister von Ouja aufgestiegene Turki Ishibad und ein palästinensischer Aktivist der „Freunde der Erde“, Dr. Nader Al-Khateeb, erklärten, dass allein Israel Schuld an der akuten Wasserknappheit trage. Im Kibbuz Almog dokumentierte dann der israelische Wasserexperte Dr. Haim Gvirtzman, dass Israel recht habe.

Ouja war berühmt für seine Bananenhaine, doch die wurden gerodet, „weil die Israelis uns kein Wasser für die Landwirtschaft zugestehen“, so Dr. Al-Khateeb bei der Besichtigung eines staubigen Feldes bei 40 Grad Hitze. Oujas berühmte Quelle sprudelt sogar noch Ende Juni, dank des üppigen Regens im vergangenen Winter. Doch die Israelis bohrten Brunnen in der Gegend und entzogen so der Quelle das Grundwasser, sodass es im Sommer klamm werde, sagte der Bürgermeister. Bei Gvirtzman erfahren die Journalisten jedoch, dass Oujas Quelle vom Regen in der Gegend von Ramallah in den Bergen gespiesen wird. Brunnen der Palästinensischen Autonomiebehörde bei Ramallah und nicht israelische Brunnen in der Jordansenke, entziehen der Quelle im Sommer das Wasser. Eigentlich logisch, denn Wasser fliesst mit der Schwerkraft immer abwärts. Und jene israelischen Brunnen bei Ouja, die Siedlungen in der Jordansenke und arabische Ortschaften, darunter auch Ouja, mit Wasser versorgen, zapfen laut Gvirtzman eine viel tiefere Grundwasserschicht an, der bisher von niemandem genutzt wurde. Messungen zwischen 1967 (als es noch gar keine Siedlungen gab) und dem Ausbruch der Intifada 1987, sowie neueren Messungen einer deutschen Universität zeigen, dass Oujas Quelle seit jeher im Sommer versiegt und dass der palästinensische Vorwurf gegen Israel abwegig sei.

Bürgermeister Ishibad machte wegen des Wasserentzugs Israel für den Niedergang der traditionellen Landwirtschaft verantwortlich. „Wir reissen die Plantagen aus, und verkaufen den Boden billig an Investoren aus Bethlehem und Ramallah. Die errichten Ferienhäuser auf Oujas Feldern.“ Nach vielen bohrenden Fragen gestand Ishibad, dass es auch in den palästinensisch verwalteten Gebieten Baupläne gebe und dass Häuser nicht auf landwirtschaftlichen Böden errichtet werden dürften. „Also werden die Häuser illegal gebaut?“ Der Bürgermeister bejahte: „Nur lassen wir keine Bulldozer auffahren, weil wir nicht wie die Besatzer wirken wollen.“ Hoch lebe die Anarchie.

Es folgte der verbreitete Vorwurf, dass Israel den Palästinensern Trinkwasser für 3 Schekel (60 Cent) pro Kubikmeter verkaufe, teurer als an seine Bürger. Doch ein Blick auf eine Wasserrechung in Jerusalem ergab, dass Israelis das drei- bis Vierfache pro Kubikmeter zahlen, bis zu 2,50 Euro per Kubikmeter. Eine halbe Stunde lang stochern die Journalisten weiter, bis der Bürgermeister herausrückt, dass die Bewohner ihr Wasser überhaupt nicht bezahlen. Es seien 650 Wasseruhren beschafft worden und seit dem 1. Juni gebe es Vorbereitungen, Wasserrechnungen zu verschicken. Den Journalisten zeigt er eine Rechnung der palästinensischen Wasserbehörde über 7.187.500,- Shekel (fast 1,5 Millionen Euro) für Wasserverbrauch. Sein Dorf benötige Hilfe, um diese Schulden abzutragen. Am Eingang seines von Japan finanzierten Rathauses bezeugen grosse Tafeln, dass Deutschland, Frankreich und andere Länder dem Dorf schon den Aufbau der Verwaltung, die Errichtung des Rathauses und die Asphaltierung der Strassen finanziert hätten.

Gvirtzman bestätigt anhand offizieller palästinensischer Veröffentlichungen im Internet, dass es tatsächlich bei den Palästinensern „nicht üblich“ sei, Wasserrechnungen zu bezahlen. Von der israelischen Wassergesellschaft Mekorot geliefertes Wasser werde gemessen und der Palästinensischen Autonomiebehörde als Gesamtbetrag in Rechnung gestellt. Mit Steuer- und Zolleinnahmen, die Israel gemäss den Osloer Verträgen für Importe der Autonomiebehörde einziehe, werde Mekorot dann ausgezahlt. Es sei ein internes palästinensisches Problem, dass die Bevölkerung nicht zur Kasse gebeten werde, so Gvirtzman: „Die palästinensische Bevölkerung bezieht ihr Wasser kostenlos. Das führt zu verantwortungsloser Verschwendung.“

Genau so widersprüchlich wurden die Entsorgung von Abwasser und die damit einhergehende Verseuchung des Grundwassers, das Klären von Schmutzwasser zwecks Wiederverwendung in der Landwirtschaft, internationales Recht und der Verlust durch mangelhaft instand gehaltener Wasserrohre vorgestellt. Die Sichtweisen könnten nicht kontroverser sein, obgleich die von beiden Seiten genannten Zahlen weitgehend übereinstimmten und die mit den Osloer Verträgen eingerichtete gemeinsame Wasserkommission die einzige Institution sei, die auch in den schlimmsten Zeiten der Feindseligkeit während der Intifada regelmässig tagte und per Konsens Beschlüsse fasste.

Die Palästinenser beklagen Wassermangel, was von Amnesty International mit Hinweisen auf Swimmingpools der Siedler aufgegriffen wurde, jedoch ohne die Schwimmbäder und Wasserparks in palästinensischen Städten wie Bethlehem, Jericho oder Ramallah zu erwähnen. Dr. Nader Al-Khateeb redete von Internationalem Recht, zumal doch das ganze Land und so auch der Regen allein den Palästinensern gehören. Gwirtzman kontert, dass es zu Wasserfragen bis heute kein „Internationales Recht“ gebe. Nur 16 von mindestens 35 Ländern hätten eine entsprechende UNO-Konvention unterzeichnet. Also gelten bilaterale Verträge wie Paragraf 40 der Osloer Verträge zwischen Israel und den Palästinensern, der die Wasserverteilung mit konkreten Zahlen festlegt. Al-Khateeb „belegt“, dass diese „Interimsverträge“ ab 1995 nur für 5 Jahre angelegt waren. Gwirtzman widerspricht und „beweist“, dass Israel sein Soll an Wasserlieferung um viele Millionen Kubikmeter überschreite.

Klar ist, dass Israelis wie Palästinenser das knappe Wasser für einen Propagandakrieg missbrauchen, obgleich gerade bei diesem Thema mit Kooperation und gegenseitiger Rücksicht Lösungen gefunden werden könnten: mit Entsalzung, Instandhaltung der Leitungen, Abwasseraufbereitung, Tröpfchenbewässerung und anderen Technologien.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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1 Kommentar

  1. Israel muss die Plusenergietechnik,das Aqua-,Urban-,und vertikales Farming sowie das Aquaponics weiter vorantreiben.
    Trinkwasseraufbereitung ähnlich wie in Singapur!!!
    Als Speicherlösung empfiehlt sich Geothermie(Wäärme wird im Wasser im Untergrund gespeichert),Brennstoffzellentechnologie(Wasserstoffbasiert oder Ameisensäure).
    Gezeiten-und Strömungskraftwerke bauen.Solaranlage im Weltraum zur Entsalzung.

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