Migros’ Versteckspiel

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Zitronen Bäume in Galiläa. Foto David Shankbone. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.
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Nach Migros’ angekündigter Warendeklaration und der darauffolgenden hitzigen Debatte zum Thema, folgte ein Interview mit Migros-CEO Herbert Bolliger im jüdischen Wochenmagazin Tachles (23/2012). Wer jedoch klärende Worte, eine tiefgründige Auseinandersetzung oder gar herausfordernde Fragen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das harmlos geführte Interview gab Herrn Bolliger die Gelegenheit, erneut zu bekunden, dass sein Unternehmen politisch neutral sei und es keinerlei Stellung beziehe. Im Interview finden sich wortgetreu die gleichen Sätze wie in den zahlreichen Antwortschreiben der Migros. Leider erfahren wir nicht, woher der überschwängliche Dank des HEKS an die Migros rührt, doch immerhin wissen wir jetzt, was die Migros unter „Fairtrade“ versteht.

Mit Stolz konnte Bolliger erklären, wie sehr die Migros ihre Pflichten als Unterzeichnerin des UN Global Compact (UNGC) und Mitglied des Business Social Compliance Initiative (BSCI) erfülle, hohe Standards in der Lieferkette umzusetzen. In einer anderen Stellungnahme der Migros heisst es sogar, dass UNGC und BSCI sicherstellen sollen, dass „innerhalb unserer Lieferkette keine Menschenrechte verletzt werden“. Ein Zusammenhang zur Warendeklaration ergab sich im Interview nicht.

Wichtig war, dass die Migros ihre Kernbotschaft platzieren konnte, dass sie nämlich ausschliesslich der Ausrichtung des Bundes folge und dabei keine politische Position beziehe. Doch Worte und Taten sind nicht immer kongruent. Der orange Riese liess es sich nicht nehmen, in der letzten Ausgabe des Migros-Magazins (25/2012) einen Artikel von Abraham Burg mit dem populistischen Titel „Die wahren Feinde Israels“ zu veröffentlichen – auf der Homepage in voller Länge, in der Print-Ausgabe gekürzt im Leserbrief-Ressort. Ohne natürlich Stellung zu beziehen, druckt die Migros dieses Pamphlet eines dezidierten Kritikers des Zionismus ab, welches  die NZZ a, 14.06. publiziert hatte. Etwa als Dankeschön an das HEKS, das zuvor schön die Inseratenkasse der NZZ gestärkt hat? Und die Migros? Wollte sie sich dank moralischer Unterstützung einer vermeintlichen Autoritätsperson den Rücken stärken? Immerhin ist Burg Israeli und ehemaliger Sprecher der Knesset, Vorsitzender der Jewish Agency und World Zionist Organisation und bestärkt zudem die Migros in ihrem Vorgehen.

„Schuster, bleib bei deinen Leisten“ möchte man da in Bezug auf die Migros rufen und damit wäre das Unternehmen in der Tat besser beraten gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Unsinn, den Burg schreibt, ist nicht erforderlich, man ist bestimmt über Burgs Persilschein erleichtert, der just im richtigen Moment kam.

Da man angeblich keine politische Stellung bezieht, muss man sich bei der Migros auch nicht auskennen, zumal die Geschichte des Nahostkonflikts im seltensten Falle zur Kernkompetenz eines Detailhandelsunternehmens gehört. Dennoch weiss die Migros, „Israel/Palästina ist nicht irgend ein Krisenherd“. Und damit hat sie Recht. Der Nahostkonflikt wird von den Medien ausgeschlachtet und liefert Nährboden für zerreisserische Debatten zwischen Anti-Jenen und Pro-Solchen Gruppen. Man kann behaupten, dass sich dieses Thema im Bewusstsein der Allgemeinheit befindet. Doch im Gegensatz dazu lösen Produkte Herkunft Iran, die sich auch im Sortiment der Migros befinden, weder eine emotionale noch politische Debatte aus. Die täglichen brutalen Menschenrechtsverletzungen im Iran scheinen die Lieferkette in die Schweiz nicht zu stören. So gesehen ist der Migros Entscheid nicht nur eine harmlose Warendeklaration, sondern ein politisches Statement mit Intention.

Sandra Hoffmann, Audiatur-Stiftung

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