Der unsichtbare Schutzschild

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Wieder eine Suchaktion an einem der Checkpoints zum Westjordanland, wieder die Entdeckung von Sprengstoff und Waffen – und einmal mehr das bekannte Finale Der Verdächtige wurde zur Vernehmung durch den Schin Bet festgenommen: Diese Nachricht beeindruckt die meisten Israels nicht mehr.

Es ist die Hauptaufgabe des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, [die Abkürzung besteht in den beiden Anfangsbuchstaben von Scherut Bitachon,Sicherheitsdienst“, Schin und Bet], Israel im andauernden Krieg gegen das zionistische Unternehmen zu verteidigen – gegen „Moderate“, die dem jüdischen Volk das Recht auf einen jüdischen Staat absprechen, wie gegen Militante, die Widerstand und den bewaffneten Kampf predigen. Der Schin Bet muss dabei seine Strategien permanent anpassen und operative Taktiken perfektionieren, immer im Rahmen des Gesetzes und der moralischen Gebote, die in der jüdischen Tradition wie in der westlichen Zivilisation verankert sind.

Man könnte erwarten, dass eine Einrichtung mit dem Auftrag, mörderische Fanatiker abzuwehren, sich solchen Zwängen widersetzen würde. Das ist keineswegs der Fall. Dass sich der Schin Bet, auch Schabak genannt [aus: Scherut haBitachon haKlali: „Allgemeiner Sicherheitsdienst“], institutionell auf Gesetz und Moral verpflichtet hat, wurde deutlich, als Anfang April bei einer Zusammenkunft in der juristischen Fakultät der Hochschule für Management in Rishon Lezion mit dem 10. Jahrestag an die Verabschiedung des „Schin-Bet-Gesetzes“ der Knesset erinnert wurde.

Mit dieser Verordnung wurde der Inlandsgeheimdienst aus seinem Schattendasein geholt. Der Ministerpräsident erhielt damit die oberste Befehlsgewalt des Schabak, und der Chef des Geheimdienstes wurde erstens öffentlich bekannt und seine Amtszeit zweitens auf fünf Jahre festgesetzt. Das Gesetz sieht eine Innenrevision des Geheimdienstes sowie einen jährlichen Tätigkeitsbericht vor. Ausserdem legt es die Kompetenzen bei der Ermittlung von Daten und Informationen sowie bei der Vernehmung von Verdächtigen fest. Seither arbeitet der Schin Bet nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone.

Doch niemand würde heute behaupten, der Schabak offeriere denen Kaffee und Kuchen, die unter dem Verdacht stehen, Morde an Israelis vorzubereiten. Auch regelt das Schin-BetGesetz ausdrücklich nicht jede einzelne rechtliche und ethische Frage. Wie Yoram Rabin, der Dekan der juristischen Fakultät der Managementhochschule auf der Tagung bestätigte, ist die grundlegende Spannung zwischen geheimdienstlichen Bedürfnissen und dem Schutz bürgerlicher Freiheiten mit ihm nicht beseitigt worden. Tatsächlich ist das Gesetz, wie Professor Suzie Navot anmerkte, absichtlich vage gehalten: Es beauftragt den Schin Bet, „grundlegende Staatsinteressen“ zu schützen, definiert diese jedoch nicht näher.

Ungeachtet solcher Mängel fördert das Gesetz nach Ansicht des ehemaligen Schin-Bet-Chefs Avi Dichter (2000–2005) sowohl die Sicherheit als auch die Rechtsstaatlichkeit. Dichter führt den Anstoss zu diesem Gesetz auf fragwürdige Praktiken einiger Schin-BetAgenten während der 1980er-Jahre zurück. Da gab es etwa die sogenannte Bus-300-Affäre, als Agenten 1984 zwei Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas töteten, die Businsassen auf dem Weg von Tel Aviv nach Ashkelon entführt hatten. Zu allem Übel versuchte der Schin-Bet, die Aktion zu vertuschen. Ein anderes Mal waren israelische Soldaten gefoltert worden, mit dem Ziel, ein Geständnis ihrer Spionagetätigkeit zu erhalten.

Im November 1987 erarbeitete eine Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Richters am Obersten Gericht, Moshe Landau, geheime Richtlinien für den Einsatz von „gemässigtem physischem Druck“ bei Verhören, die das Kabinett verabschiedete. Doch während der ersten Intifada nahm der Druck, die Sicherheit der Israelis zu gewährleisten, für den Schin Bet zu, und in einem Fall wurde ein Terrorverdächtiger im Dezember 1989 angeblich von Vernehmungsbeamten des Schin Bet zu Tode gefoltert, wie Dichter sich erinnert. Der Vorfall traumatisierte die gesamte Institution und führte zur Überprüfung der moralischen Standards auf der Chefetage.

Die Landau-Richtlinien wurden 1999 durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts weiter eingeschränkt, die im Grunde jede Gewaltanwendung bei einer Vernehmung ausschloss – auch wenn Agenten, die es mit einer „tickenden Zeitbombe“ zu tun hatten, das Argument der „Notwehr“ heranziehen konnten für den Fall, dass sie gerichtlich belangt wurden. Als Dichter im Jahr 2000 die Leitung übernahm, war die politische Lage reif für ein Gesetz, das die Agenten vor einer Anklage bewahrte, zwar im Sinne der Staatsinteressen, jedoch jenseits des Gesetzes zu operiert zu haben. Wenn der Preis eines Legitimitätsschildes darin bestand, unter Aufsicht gestellt zu werden, so war der Schin Bet bereit, ihn zu zahlen.

In den schwierigsten Fällen handelt es sich tatsächlich um „tickende Zeitbomben“, die den Ermittlern nur wenig Zeit lassen, Details über bevorstehende Angriffe zu erfahren. Bei den Beratungen über das Schin-Bet-Gesetz hatte der damalige Justizminister Meir Sheetrit gesagt, er werde eine Verankerung der Folter in den Rechtsvorschriften nicht dulden. Doch das gegenwärtige Verfahren, das mehrfache offizielle Genehmigungen von verschiedenen Stellen innerhalb der politischen und juristischen Weisungsebenen erfordert – und das, so Dichter, „um drei Uhr morgens“ –, erweist sich als nicht praktikabel, wenn Agenten vor einem Verdächtigen stehen, „der die Auskunft darüber verweigert, in welchem Busdepot des Landes eine Bombe deponiert wurde“. Allerdings könne der Prozess interner Genehmigung stärker rationalisiert werden, meinte er, damit Agenten in konkreten Situationen innerhalb des gesetzlichen Rahmens agieren können.

Zehn Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes operiert der Schin Bet mit seinem Motto „Der unsichtbare Schutzschild“ vergleichsweise transparent und vermittelt seinen Mitarbeitern einen Sinn für Rechtmässigkeit, damit sie die schwere Verantwortung für die Sicherheit der Israelis tragen können. Israelis können daher darauf vertrauen, dass die, die an vorderster Front in Israels Kampf ums Überleben stehen, nicht aus einer Laune heraus die Prinzipen verletzen, die die jüdische und westliche Zivilisationen von der Finsternis unterscheiden, die deren Feinde uns allen auferlegen möchten.

Originalversion: The Unseen Shield by Elliot Jager © Jewish Ideas Daily, April 3, 2012.

1 Kommentar

  1. Shalom.Wenn israel seine Beiden tüchtigen Geeimdienste
    Schin Bet -inland-und Mossad-Ausland- nicht hätte
    <<sehe es um Israel schlecht aus. vergessen werden soll aber auch nicht die IDF,eine bestens ausgebildete Armee.

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