Fussball, Olympische Spiele und muslimische Athletinnen

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Der Sport ist – buchstäblich – zu einer weiteren Arena für den Kampf um die Frauenrechte in islamischen Gesellschaften geworden. Zwei aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass es Fortschritte für Frauen gibt, in grösserem Umfang teilnehmen zu können. So hat das höchste Gremium für Fussballregeln im vergangenen Monat zunächst ein Kopftuch-Verbot für Spielerinnen aufgehoben. Das Verbot hatte vergangenes Jahr für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt, als das iranische Frauenfussballteam, dessen Spielerinnen Kopftücher trugen, wegen Regelverstoss von einem Spiel gegen Jordanien ausgeschlossen wurde. Die Disqualifikation war das Ende der Hoffnungen des Teams, bei den diesjährigen Olympischen Sommerspielen in London anzutreten.

Für andere muslimische Athletinnen steht die Chance, in London dabei zu sein, aber besser. Grund dafür ist die zweite Entwicklung: anscheinend haben Brunei und Saudi-Arabien sich entschieden, die allerersten Athletinnen zu den Olympischen Spielen zu schicken. (Katar hat auch noch nie eine weibliche Olympiateilnehmerin aufgestellt.) Nach Angaben der International Herald Tribune nominierte Brunei offiziell die Sprinterin Maziah Mahusin für die Spiele. Unterdessen berichtet Bloomberg von der Zustimmung Prinz Naifs, des Kronprinzen und voraussichtlich zukünftigen Königs von Saudi-Arabien in dieser Woche, saudischen Frauen zu gestatten, in „Sportarten anzutreten, die der Natur und Schicklichkeit von Frauen angemessen sind und nicht im Widerspruch mit den islamischen Rechtslehren stehen“. Die New York Times berichtet, dass die Reiterin Dalma Rushdi Malhas eine mögliche Kandidatin für das saudische Team sei.

Es ist eine Kombination aus Druck von aussen, regionalen Unruhen, Forderungen der Frauen und der Unterstützung – oder zumindest Duldung – aus der islamischen Welt, die Fussballbehörden und die saudischen Regierung dazu bringt, solche Schritte zu unternehmen. Was den Druck angeht, so veröffentlichte Human Rights Watch im vergangenen Monat einen Bericht, der „ein wirksames Verbot der Beteiligung von Frauen am nationalen Leistungssport“ in Saudi-Arabien nachdrücklich kritisiert. Der Bericht stellt fest, dass Mädchen zu wenig Sportunterricht und Frauen nur spärliche Möglichkeiten haben, in Einzel- oder Mannschaftssportarten anzutreten, sei es informell innerhalb des Königreichs oder offiziell nominiert im Ausland; er weist ausserdem darauf hin, dass Saudi-Arabien sogar hinter Brunei und Katar herhinkt, da es anders als diese beiden Länder noch nie Athletinnen zu einem regionalen oder internationalen Wettkampf geschickt hat.

Prinz Naif bringt die Bemühung, saudische Frauen zu den Olympischen Spielen zu entsenden, nicht aktiv voran, aber er scheint sie zuzulassen. Man hält ihn für einen Hardliner, er unterhält enge Beziehungen mit den religiös Konservativen. In der Tat war er gegen die im vergangenen Jahr getroffene Entscheidung, Frauen zur Wahl bei den Kommunalwahlen 2015 zuzulassen. Doch Prinz Naif ist nicht zuletzt pragmatisch; er versucht, seine Autorität und die der königlichen Familie zu erhalten. Da sich die Einstellung hinsichtlich der Frauenrechte im Königreich – langsam – ändert, spricht schon Prinz Naifs Selbsterhaltungstrieb dafür, mitzuziehen. Wenn es endgültig zu der Entscheidung kommen würde, eine saudische Olympiateilnehmerin zu nominieren, würde sie in dieses Schema passen.

Was den Fussball angeht, so war der Initiator der Entscheidung Prinz Ali bin Al-Hussein von Jordanien, Mitglied im Exekutivkomitee des weltweiten Fussballbundes FIFA. Vor der Entscheidung im letzten Monat plädierte Prinz Ali  für die Aufhebung des Kopftuchverbots mit dem Argument, das Verbot sei „keine Frage religiöser Symbolik, es ist einfach ein Fall von kultureller Bescheidenheit“. Hilfreich war auch, dass ein in den Niederlanden entworfenes Kopftuch verfügbar war, dessen Klettverschluss im Vergleich mit früheren Modellen als sicherer gilt. Die Entscheidung vom März erlaubt das Tragen von Kopftüchern versuchsweise, während das Design getestet wird. Sie muss im Juli noch bestätigt werden. Associated Press berichtet allerdings, dass Prinz Ali „optimistisch“ sei, was die Ratifzierung angeht.

Der Zusammenhang, der all diesen Entwicklungen zugrunde liegt, ist der Umbruch in der arabischen Welt im vergangenen Jahr. Da die Bürger, unter ihnen die Frauen, mit Nachdruck Verantwortlichkeit und Rechte fordern, sind Entscheidungsträger den Wünschen des Volkes nach Veränderung gegenüber äusserst sensibel geworden, selbst in verhältnismässig ruhigen Ländern wie Jordanien und Saudi-Arabien. Für Frauen in der sportlichen Arena verheisst das Gutes.

Originalversion: FIFA, the Olympics, and Muslim Female Athletes by Isobel Coleman © Council on Foreign Relations, March 21, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.