Die Superopfer

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Flag of the Islamic Jihad Movement in Palestine. Foto MrPenguin20. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.
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In der vergangenen Woche haben die israelischen Streitkräfte mit Bombenangriffen auf Ziele im Gazastreifen reagiert, auf Raketen, die von dort auf das südliche Israel abgeschossen worden waren. Einige ausländische Medien benötigten nur wenig Zeit, um den palästinensischen Aggressor mit den israelischen Angegriffenen gleichzusetzen. Und nur wenig länger dauerte es, das Vorgehen Israels herauszustellen, während die palästinensische Aggression in den Hintergrund gerückt wurde.

Solche Verzerrungen der Wahrheit müssen in einem viel weiteren Kontext gesehen werden. Zum allgemeinen Propagandakrieg gegen Israel gehören häufig Verfälschung von Tatsachen und zahlreiche irrige Argumente. Zu Letzteren zählen die Verwendung von Doppelstandards, moralische Gleichsetzung, verzerrte Analogien, Appelle an das Mitgefühl und Armut.

Dass aus dem palästinensischen Aggressor der Angegriffene wird, ist ein Paradebeispiel dafür, wie emotionale Appelle über die Tatsachen triumphieren. Solche Appelle nehmen in der heutigen Gesellschaft einen herausragenden Platz ein. So gelten die Armen als Opfer, selbst wenn sie Kriminelle sind. Für die Palästinenser als Unterdrückte herrscht in weiten Kreisen Sympathie. Diese wird auch nicht durch die Tatsache untergraben, dass Hamas, die grösste politische Partei, die sie gewählt haben, völkermörderische Absichten hat  das erklären ihre Anführer ganz offen.

Die Palästinenser verstehen es seit vielen Jahren, als Teil ihrer allgemeinen Propagandastrategie sentimentale Appelle zu verwenden. Auf diese Weise verschleiern sie die langfristigen tiefgreifenden kriminellen Ideologien, die ihre Gesellschaft durchdringen. Man muss sich als Opfer darstellen, um von den sentimentalen Appellen an die Welt zu profitieren; und so haben die Palästinenser sich vorgenommen, Superopfer zu werden. Und wenn die Palästinenser Superopfer sind, dann können die Israelis als Inbegriff des Bösen präsentiert werden.

Die palästinensischen sentimentalen Appelle sind nicht zufällig, sie finden systematisch statt. Ihren grössten Erfolg hatten sie zu Beginn der zweiten Intifada. Die Tötung von Mohammed al-Durah im Jahr 2000 wurde international als Verbrechen der Israelis wahrgenommen. Heute ist bekannt, dass der Junge sehr wahrscheinlich von einer palästinensischen Waffe getötet wurde.

Es gibt viele weitere Beispiele ähnlicher sentimentaler Appelle. Israel hat einen Zaun errichtet – der an einigen Stellen eine Mauer ist –, um sich gegen palästinensische Selbstmordterroristen zu schützen. Die Freunde im Ausland stellen diese Tatsache so dar, als seien die Palästinenser von Israel willkürlich ausgeschlossen worden. Politiker, die die Entfernung „der Mauer“ fordern, sehen sich selbst als Menschenfreunde. Tatsächlich sind sie jedoch Unterstützer des zukünftigen Mordes an israelischen Zivilisten.

Auch die israelischen Checkpoints gibt es, um mörderische Angriffe von Palästinensern zu verhindern. Sie sind in der palästinensischen Propagandamaschine ein weiterer Gegenstand sentimentaler Appelle, die gesteigert werden durch die emotionsbeladene Betonung, die ihre ausländischen Verbündeten der Tatsache beimessen, dass sogar schwangere Frauen die Checkpoints passieren müssen. Als ob palästinensische Terroristen zögern würden, sich als schwangere Frauen zu verkleiden.

Der Erfolg des al-Durah-Irrtums scheint ihn unschlagbar zum palästinensischen sentimentalen Appell par excellence zu machen. Ein guter Zweitplatzierter ist die arglistige Gaza-Flottille. Sie wurde als humanitärer Hilfsversuch präsentiert. Doch die Mavi Marmara, das grösste Schiff, hatte keine humanitäre Hilfe an Bord, genauso wenig wie die beiden anderen. Einige der transportierten Güter dienten militärischen Zwecken. Andere Hilfsartikel waren Medikamente, deren Haltbarkeit bereits abgelaufen war. Sieben der neun auf der Mavi Marmara getöteten Menschen hatten vor der Abfahrt ihren Wunsch erklärt, als Märtyrer zu sterben.

Nichts davon scheint relevant gewesen zu sein für Catherine Ashton, die Hochkommissarin der Europäischen Union für Aussen- und Sicherheitspolitik, oder für das europäische und deutsche Parlament, genauso wenig wie für viele andere, die Israel verurteilten; und dies trotz der Tatsache, dass Israel das Recht hatte, eine Blockade des Gazastreifens aufrecht zu erhalten und damit auch Schiffe zu stoppen. Die internationalen Reaktionen auf die Flottille waren ein grosser Sieg des sentimentalen palästinensischen Appells über die Rechtsansprüche Israels.

Der wiederkehrende Erfolg der palästinensischen sentimentalen Appelle sollte der israelischen Regierung schon vor langer Zeit alarmieren klar gemacht haben, dass dies keine Vorfälle sind, die nichts miteinander zu tun haben. Nach mehr als einem Jahrzehnt sollte sie herausgefunden haben, dass sie ein wesentlicher und systematischer Teil der palästinensischen Strategie im Propagandakrieg ausmachen. Daher hätte Israel schon vor vielen Jahren die Auswirkungen dieser Appelle analysieren sollen – und wie man ihnen entgegenwirken kann.

Leider leuchtete die genaue Beschaffenheit dieses Prozesses den israelischen Behörden nicht ein. Leitende Personen in der Regierung haben mir gegenüber sogar einmal gesagt, hinsichtlich der Diffamierung Israels könne nichts unternommen werden. Zu allem Übel haben sich die israelischen Streitkräfte in einem Akt grosser Dummheit fälschlicherweise für die Tötung Mohammed al-Durahs entschuldigt.

Das Problem hier ist nicht, dass die Palästinenser der Propagandakrieg gewonnen haben und Israel ihn verloren hat. Das Problem ist, dass der Gewinner des Propagandakriegs schliesslich den Gewinner des echten Kriegs besiegen könnte. Der Kampf dagegen ist mühsam, durch isolierte Handlungen wird keine Lösung erreicht. Dieser Kampf ist ein komplexer Prozess, für den es Geld, Zeit, multidisziplinäre Teamarbeit, systematische Anwendung methodischer Analyse und Führungskompetenzen braucht. Es ist ein harter Weg, aber die schreckliche Alternative ist eine nahezu sichere Niederlage.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Aufsichtsratsvorsitzender des Jerusalem Center for Public Affairs.

1 Kommentar

  1. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es einfach nur lächerlich: Wer ist denn nun das größere Opfer, die Juden oder die Palästinenser?! Opfer und Täter gibts auf beiden Seiten. Was mich nur immer wieder wundert, dass Israel sich immer nur verteidigt und die Palästinenser als unzivilisierte Wilde dargestellt werden, die aus reiner Mordlust und religiösem Fanatismus Juden töten.
    Das große Wort Holocaust wird nur auf die Juden bezogen. Es gab mehr als einen Holocaust, nicht nur an den Juden.
    Die Frage, wer denn nun das wahre Opfer ist, erinnert mich sowas an Sandkasten: "Der hat angefangen…"; "Nee, der hat als erster meine Sandburg kaputt gemacht…"
    Zum Schluß stehen da zwei heulende, unglückliche Kinder, die eigentlich Freunde sind und lieber zusammen fröhlich spielen würden. Nun kommts drauf an, wie die Eltern reagieren. Entweder: "Komm, wir gehen, mit dem Depp spielst du nicht wieder." Oder: "Vertragt euch wieder. Zusammen spielen ist schöner."
    Wenn nicht endlich die Zukunft gebaut wird, gibt es keine Chance.

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