Israels lebendige Demokratie

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Nach allen objektiven Standards ist die israelische Demokratie genauso robust und pluralistisch wie jede andere in der Welt. Es gibt keine Beschränkungen für irgendwelche Formen des Protests oder der Fürsprache, einschliesslich sehr heftiger und unpopulärer Kritik an der Regierung und an der Armee. Keine andere Demokratie kann behaupten, grössere Meinungsfreiheit zu haben, obwohl sie seit über sechs Jahrzehnten mit Krieg, Terrorismus und Vernichtungsdrohungen leben muss; und das angesichts der gleichzeitigen Herausforderung, aus zahlreichen unterschiedlichen Gemeinschaften, die über Generationen in der Diaspora verstreut waren und von denen viele keine pluralistischen und demokratischen Traditionen mitbringen, eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln,.

Natürlich ist unsere Gesellschaft nicht perfekt – wie andere Nationen auch haben wir Fehler, und es liegt in unserer Verantwortung, sie zu korrigieren. Doch aggressive Kampagnen übertreiben diese Unvollkommenheiten stark; sie sind Teil der ständigen Bemühungen, Israel zu delegitimieren. Initiiert sind solche Kampagnen von der sanften Macht finanzstarker „zivilgesellschaftlicher“ Gruppen, die ihrerseits keiner demokratischen Rechenschaftspflicht unterliegen. Diese Vorwürfe sollten nicht unbesehen akzeptiert werden, sondern anhand stichhaltiger, unabhängig verifizierbarer Beweise geprüft werden.

Zu Israels demokratischer Glaubwürdigkeit gehören ein transparentes Wahlverfahren, eine freie und höchst kritische Presse, ein lebendiger NGO-Bereich mit Zehntausenden von politischen und sozialen Gruppen aus dem gesamten politischen Spektrum, die sich an einer intensiven Debatte beteiligen, sowie der systematische Schutz der Rechte von Minderheiten auf freie Meinungsäusserung und Protest.

So ermöglichen zum Beispiel israelische Polizeikräfte und staatliche Institutionen jedes Jahr Gay Pride-Paraden in Jerusalem, Tel Aviv, Haifa und Eilat, Märsche am Tag der Menschenrechte, Proteste der islamischen Bewegung und Gedenktage der Ermordung Jitzchak Rabins. Die Massendemonstrationen zu sozioökonomischen Fragen im Sommer 2011 waren ein Beweis für die dynamische Zivilgesellschaft Israels und eine Kultur der Interessensvertretung und des friedlichen Protests. Die israelische Polizei sorgte dafür, dass diese Aktivitäten reibungslos stattfinden konnten, indem sie Strassen sperrte und Genehmigungen erteilte. Die Regierung reagierte positiv auf die Forderungen der Demonstranten; sie bildete eine Arbeitsgruppe, die sich mit ihren Forderungen zu befassen hat.

In Ägypten, Tunesien, Syrien und anderswo, wo Tausende Menschen von ihren eigenen Regierungen ermordet wurden, wurden prodemokratische Aktivisten zitiert, die sich inspiriert zeigten von der demokratischen Verfassung Israels und von seinem Bekenntnis zur freien Meinungsäusserung.

So werden auch arabische Vertreter in der demokratischen Debatte wohl stark kritisiert, wenn sie in der Knesset wiederholt die Legitimität Israels bestreiten und seine Zerstörung befürworten; doch ihr Recht auf die Äusserung dieser Ansichten wird nicht verletzt. Oder: Knesset-Mitglied Hanin Soabi war an Bord der Mavi Marmara, einem von der türkischen Gruppe IHH (die ein Mitglied der von den USA verbotenen Terrororganisation Union of Good ist) unterhaltenen Schiff. Von diesem Schiff aus wurden israelische Soldaten in brutaler Weise angegriffen. Die Teilnahme an einem bewaffneten Angriff gegen die eigenen Streitkräfte würde in manchen Demokratien als Landesverrat angesehen; aber gegen Soabi wurden keine strafrechtlichen Anklagen erhoben. Sie erhielt nicht mehr als eine kleine Zurechtweisung und reist weiterhin frei in der Welt herum, wo sie den Staat Israel anprangert, in dessen Parlament sie ironischerweise sitzt.

All dies allerdings gerät durch die Befürworter einer grossangelegten und finanzstarken Kampagne, die Israel fälschlicherweise des „antidemokratischen Verhaltens“ beschuldigt, in Vergessenheit. Die Kampagne ihrerseits entspringt der wachsenden Kritik und Debatte über das riesige und beispiellose Mass undurchsichtiger staatliche Förderung aus Europa für hochpolitische Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Die mächtigen NGOs, die ausserhalb jeder demokratischer Kontrollmöglichkeit diese unerlaubte Grosszügigkeit erhalten, haben eine konzertierte Aktion gestartet, um diese Debatte zum Schweigen zu bringen. Doch parteiische Anschuldigungen durch NGOs sollten nicht für bare Münze genommen werden; Gruppen, die behaupten, im Namen der Menschenrechte zu sprechen, sind in einer Demokratie nicht gefeit vor Kritik und öffentlicher Debatte.

Für Leiter mächtiger NGOs sollte es die gleichen Kontrollmöglichkeiten geben wie für andere politische Akteure, einschliesslich gewählter Mandatsträger. Eine „Wikileaks“-Depesche macht die Wichtigkeit dieser Forderung deutlich. Darin schreibt eine Vertreterin des New Israel Fund (NIF), Hedna Radanovitz, einem US-Diplomaten, „das Verschwinden eines jüdischen Staates wäre keine Tragödie“ – was im Gegensatz zu den öffentlichen Erklärungen des NIF zur Unterstützung des Zionismus steht.

Dass NGOs kritisiert und analysiert werden, ist nicht antidemokratisch, im Gegenteil – solche Kritik und Analyse gehören zum Wesen des demokratischen Prozesses. Und die Debatte über die geheimen Finanzierungsprozesse der NGOs und über ihre falschen Anschuldigungen von „Kriegsverbrechen“, wie sie im diskreditierten Goldstone-Bericht wiederholt werden, hindert israelische NGOs wie Schovrim Schtika, Yesch Din, die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel (ACRI), das Öffentliche Komitee gegen Folter in Israel (PCATI) und viele andere nicht daran, ihre Beschuldigungen zu veröffentlichen.

Erklärungen von ausländischen Politikern wie Hillary Clinton und Medienberichte über diese Themen in Israel selbst wie auch ausserhalb wiederholen die NGO-Parolen und Verzerrungen. Auch die Vorwürfe, die auf den redaktionellen Seiten der New York Times erhoben werden, versäumen es, dabei grundlegende Probleme anzusprechen, die mit der besonderen Konstellation politischer NGO-Macht in Israel zusammenhängen, mit den geheimen Finanzierungsprozessen durch ausländische Regierungen und mit der Tatsache, dass die von der Knesset vorgeschlagene Gesetzgebung durch den robusten israelischen demokratischen Prozess abgelehnt wurde.

Allgemeiner gesagt: diejenigen, die die falschen Behauptungen über eine „antidemokratische“ Welle in Israel blindlings wiederholen, messen einmal mehr mit zweierlei Mass und nutzen die falschen Behauptungen, um den jüdischen Nationalstaat zu isolieren und zu verurteilen. Damit nehmen sie teil an der anhaltenden ideologischen und zynischen Delegitimationskampagne gegen Israel. Die Sprache der Demokratie zu missbrauchen und als Waffe zu verwenden, um Kampagnen engstirniger, geheimfinanzierter, keinen Kontrollmöglichkeiten unterliegenden Oppositionsgruppen zu fördern: das ist die eigentliche Bedrohung für die israelische Demokratie.

 

Diese Kolumne ist eine Zusammenfassung des Referats von NGO Monitor für den UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Freiheit.

Originalversion: Israel’s vibrant democracy by Gerald M. Steinberg (First Published in The Times of February 19, 2012 Israel), NGO Monitor.