Bruch innerhalb der Hamas, politisches Chaos bei den Palästinensern

1
Lesezeit: 5 Minuten
Ismail Haniya (li.) und Mahmud Abbas (re.)

Es gibt einen ernsthaften Bruch innerhalb der Hamas, der den wachsenden Bürgerkrieg zwischen Islamisten entlang der Linie Sunniten-Schiiten widerspiegelt. Beide Seiten sind radikal, aber die Tatsache, dass sie einander bekämpfen, schwächt beide. Die Themen, um die es geht,  sind taktischer und nicht strategischer Art. Es ist wirklich ironisch, dass Khaled Mashal, der immer als radikal beschrieben wurde, einen Weg verfolgt, der naiven Beobachtern gemässigt erscheinen wird, während Ismail Haniya, von den Naiven als der Gemässigte bezeichnet, die vordergründig radikalere Fraktion anführt.

Mashal war es,  der ein Abkommen mit dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas für eine Koalition zwischen der Hamas und der PA unterzeichnete. Natürlich traut keiner der Partner dem anderen im Geringsten. Mashal will die PA übernehmen; Abbas beabsichtigt, die Hamas zu zähmen und den Gazastreifen zurückzuerobern oder zumindest der Welt die Palästinenser als vereinte zu präsentieren, um einen Staat fordern zu können, ohne mit Israel Frieden schliessen zu müssen.

Haniya sieht es anders: er behauptet, das Abkommen sei ein Zugeständnis an die feigen Kompromissler der PA. Gerade war Haniya in Teheran, wo seine Gastgeber ihn wiederholt vor den „kompromittierenden“ Verrätern in den Reihen der Hamas warnten. Natürlich hat das Abkommen mit der PA nichts mit Verrat zu tun.

Was sich hinter dieser Spaltung verbirgt, ist der umfassendere Konflikt zwischen dem sunnitischen und dem schiitischen islamistischen Lager. Haniya steht auf der Seite der Iraner, die eine Menge Geld haben, aber Schiiten sind; Mashal vernetzt sich mit der ägyptischen Muslimbruderschaft, die eine Grenze zum Gazastreifen hat, sunnitisch ist, in Ägypten jetzt an Macht gewinnt und der gleichen Organisation angehört wie die Hamas.

Ich setze auf Mashal. Die Iraner können zwar Geld zur Verfügung stellen; aber nur die ägyptische Muslimbruderschaft kann letztlich eine Schutzmacht vor Ort sein, die Geld, Männer, Waffen und materielle Güter in den Gazastreifen weiterleitet. Wenn die Hamas gegen Israel wieder einen Krieg beginnt, wird es Ägypten sein, das in der Schlacht von Bedeutung sein wird, und nicht der Iran (selbst wenn er Atomwaffen besitzt).

In der Angelegenheit zeigt sich eine weitere Ironie, die von Bedeutung ist. Mashal hat den Grossteil seiner Zeit ausserhalb des Westjordanlandes und des Gazastreifens verbracht und stand in engerem Kontakt mit dem Iran, während Haniya den Gazastreifen de facto weitgehend geführt und daher mehr Kontakt zur ägyptischen Muslimbruderschaft gehabt hat. Beide Männer versuchen, der Umlaufbahn des jeweiligen mächtigen grossen Bruders zu entkommen, mit dem sie es all die Jahre hindurch zu tun hatten.

Die PA wird die Hamas nicht dominieren und den Gazastreifen übernehmen. Auch wird die Hamas nicht in der Lage sein, die Macht im Westjordanland zu ergreifen, zum Teil, weil Israel nicht zulassen würde, dass dies geschieht. Und hier ist eine weitere Ironie: Da Haniya gegen das Abkommen ist, werden er und seine Verbündeten sicherstellen, dass die Fatah im Gazastreifen keinen freien Wahlkampf führen kann.

Die geplanten PA-Wahlen werden niemals zustande kommen und das Abkommen zwischen der Hamas und der PA wird scheitern, voraussichtlich schon während der kommenden sechs Monate. Doch die ägyptische Muslimbruderschaft (unterstützt von ihrem jordanischen Zweig) und der Iran werden weiter um den Einfluss auf die Hamas kämpfen.

Kurz gesagt bleibt die Hamas als Ganze unnachgiebig, und die einzige Unstimmigkeit besteht darüber, wie Israel am besten ausgelöscht werden könnte. Es bleibt eine  tiefe Spaltung innerhalb der Palästinenser. Aus der Führungsriege kann niemand einen Frieden mit Israel anstreben, und keiner der Führer will den Frieden (und einen auf einer Zweistaatenlösung basierenden palästinensischen Staat) dringend genug, um die Kompromisse einzugehen, die für sein Erreichen notwendig sind.

Es gibt ein weiteres wichtiges Element in der palästinensischen Politik, dem fast keine Aufmerksamkeit geschenkt wird: die Frage nach der künftigen Führung der PA und der Fatah. Ministerpräsident Salam Fayyad ist ein vergleichsweise ehrlicher, relativ gemässigter Technokrat. In der Hamas verabscheuen ihn alle und bei der Fatah die meisten. Er hält sein Amt nur, weil ihn die westlichen Geldgeber dort haben wollen.

Das Problem ist, dass ein Abkommen zwischen der PA und der Hamas erfordert, dass entweder Abbas oder ein Hamas-Führer Ministerpräsident wird. Ursprünglich war der Posten des Ministerpräsidenten geschaffen worden, weil der Westen darauf beharrte, es müsse eine Position geben, von der aus Jassir Arafat, der Vorgänger Abbas’, davon abzuhalten war, das gespendete Geld zu stehlen.

Da ist Abbas selbst. Sein Gesundheitszustand ist schlechter geworden und sein Rücktritt nur eine Frage der Zeit. Es ist kaum anzunehmen, dass er die Fatah und die PA im Dezember 2013 noch anführen wird. Wer wird ihn ersetzen? Niemand hat auch nur die geringste Vorstellung. Es gibt keinen einzigen ernstzunehmenden Kandidaten. Vermutlich werden Fatah-Barone die Wahl treffen. Auch Abbas bekam den Posten aus dem Grund, dass er so schwach war. Ausserdem war von Vorteil, dass Abbas ein relativ gemässigter Fatah-Führer war, der das beste Image bei den westlichen Regierungen und in den Medien haben würde.

„Relativ gemässigt“ bezieht sich auf das Spektrum der Fatah-Führung. Abbas ist sich der Vorteile eines Friedenskompromisses mit Israel bewusster und schätzt die Unfähigkeit der Fatah, das Land auszulöschen, realistischer ein. Dennoch hat er sich in den Kopf gesetzt, dass es keinen Frieden geben kann, bevor Israel sich nicht bereit erklärt, jeden Palästinenser zurückzunehmen, der seine Herkunft auf einen Wohnsitz vor 1948 nachweisen kann.

Abbas‘ Nachfolger wird mit ziemlicher Sicherheit militanter sein. In der Fatah, und damit in der PA gibt es zwei Hauptfraktionen. Da sind die Arafat-Getreuen, die korrupter und mit dem jetzigen Zustand zufrieden sind, und die Radikalen der Fatah, die gerne eine weitere Kampfrunde sähen, weil sie noch immer an die revolutionäre Ideologie der Gruppe glauben. Zur zweiten Gruppe gehören Ältere und Jüngere  – und vor allem der 53-jährigen Marwan Barghuthi.

Kurz gesagt ist die palästinensische Politik ein einziges Chaos. Zu ihren Vertretern gehören weniger wirklich Gemässigte als in jedem anderen arabischen Staat, in dem es auch kleine Minderheiten gibt. Niemandem geht es um Frieden; keiner wird wirklich dafür kämpfen, ein Abkommen über einen Friedenskompromiss mit Israel zu erreichen.

Die internationale Illusion eines „Friedensprozesses“ beruht darauf, dass die politische Landschaft der Palästinenser nie wirklich geprüft wurde. Die Sehnsucht nach Frieden ist völlig verständlich; die Unterstützung für eine Zweistaatenlösung ist wunderbar. Doch sich selbst einzureden, dass es für ihr Zustandekommen irgendeine Grundlage gäbe, ist ziemlich unrealistisch.

 

Originalversion: The Hamas Split and the Palestinian Political Mess by Barry Rubin © GLORIA-Center, January 19, 2012.

1 Kommentar

  1. shalom. Für israel ist es ein Segen<< das sich die teroristische Hamas und die Fatah vom terrorist Abbas , davidnicht vertragen<<und einer dem andern die macht wegnehmen will.

Kommentarfunktion ist geschlossen.