Jordanien spielt wieder mit

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König Abdullah von Jordanien Foto: wikimedia

Auch wenn König Abdullah es während des vergangenen Jahrzehnts geschafft hat, durch das turbulente regionale Klima zu manövrieren, vergeht doch kaum ein Jahr, in dem Jordanier – ich zum Beispiel – sich nicht fragen müssten: Was hätte wohl sein Vater, König Hussein, getan?

Das Erbe des verstorbenen Monarchen besteht in seinem Streben nach einer friedlichen Lösung des arabisch-israelischen Konflikts ebenso sehr wie darin, Schöpfer des heutigen Jordaniens zu sein – in einem Mass, das ihn vielleicht mehr für Ersteres als für Letzteres bekannt gemacht hat. Während seiner Herrschaft war Jordanien niemals auf die Hinterbänke der Friedensgespräche verbannt; vielmehr stellte es ein aktives Rädchen im diplomatischen Getriebe dar, angetrieben von der Erkenntnis, dass die Geschehnisse westlich des Jordans, wie immer sie aussehen, auf sein Ostufer wohl genauso grosse Auswirkungen haben. Die Rolle des Königreiches im Friedensprozess hat sich über einen weiteren Teil des letzten Jahrzehnts deutlich verändert. Teilweise lag das an anderen Prioritäten, die den Staat veranlasst haben, sich mehr auf innenpolitische Fragen zu konzentrieren; aber natürlich auch an der Tatsache, dass es den Friedensprozess über einen längeren Zeitraum gar nicht gab; statt seiner bestimmte regionale Instabilität das Bild.

In den vergangenen Jahren hat Jordanien darum gekämpft, im Friedensprozess Boden zurückzugewinnen – und Zeit verloren. Von der unerwarteten Rede König Abdullahs vor dem US-Kongress im Jahr 2007, in der er auf „60 Jahre palästinensischer Enteignung und 40 Jahre Besatzung“ hinwies, die „ein bitteres Erbe der Enttäuschung und Verzweiflung hinterlassen“ hätten, bis hin zur Veröffentlichung seines Buches mit dem Titel „Our Last Best Chance“ („Unsere allerletzte Möglichkeit“), das sich fast ausschliesslich auf die Notwendigkeit für alle Parteien, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, konzentriert, ist diese Gewichtung greifbar gewesen. Nun, inmitten des Arabischen Frühlings, hat sie sich in den Gesprächen von Amman manifestiert.

Das Ergebnis war vorhersehbar und ganz und gar nicht überraschend. Es schien nicht länger als den Bruchteil eines Moments zu dauern, bis sich die palästinensischen und israelischen Delegationen gegenseitig beschuldigten und die Schuld einem Prozess zuwiesen, der nicht nur Risse bekommen hat, sondern auseinandergebrochen ist.

„Im Licht der Ergebnisse der Treffen von Amman hält das Exekutivkomitee der PLO die israelische Regierung und niemand anderes für alleinig verantwortlich für ihr Versagen“, meinte der Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation Yasser Abed Rabbo. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, er sei „jederzeit“ bereit, in sein Auto steigen „und nach Ramallah“ zu fahren, um sich mit der palästinensischen Führung zusammenzusetzen und zu verhandeln. „Aber Abu Mazen [Mahmud Abbas] ist noch nicht so weit“, sagte Netanjahu weiter. Selbst Ban Ki-moon von den Vereinten Nationen konnte bei seinem letzten Besuch in der Region wenig dafür tun, die Gespräche wiederzubeleben; seine Forderung nach einem Einfrieren aller Siedlungsbauaktivitäten Israels kam nicht gut an. Am besten zusammengefasst hat das ganze Unterfangen letztendlich die Jerusalem Post, die die Gespräche „eine weitere Übung in vergeblicher Diplomatie“ nannte.

Während die Gespräche in der Tat einerseits ein Beispiel für diplomatische Desintegration sind, veranschaulichen sie andererseits die Tatsache, dass Diplomatie der Sache nach unendlich ist. Und wenn es eine Sache gibt, an der die jordanische Führung in der Vergangenheit festgehalten hat, ist es der Glaube, dass Diplomatie niemals aussichtslos ist. Wenn das vergangene Jahr etwas gestärkt hat, dann den Glauben, dass der Friedensprozess weitergehen muss.

Denn der Arabische Frühling hat in allen arabischen Nationen eine Fokussierung auf innenpolitische Fragen mit sich gebracht; und der Status Palästinas ist für Jordanien eine innere Angelegenheit. Die Auswirkungen des Themas waren durch das vergangene Jahr hindurch dauernd zu spüren. Jordaniens Islamistische Aktionsfront zum Beispiel ist nach dreijähriger Abwesenheit auf die öffentliche Bühne zurückgekehrt. Die Partei, die vermutlich hauptsächlich aus Jordaniern palästinensischer Abstammung besteht, spielte traditionell eine Rolle als führende politische Opposition des Landes. Und während ihre politische Rhetorik ausnahmsweise nationaler geworden ist, hält sie die Palästinenserfrage noch immer im Würgegriff. Im vergangenen Jahr hat sich bemüht, den schmalen Pfad zwischen jordanischen Fragen wie Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption und Selbstverwaltung und dem unterschwelligen Thema Palästina zu beschreiten; für ihre Basis war es immer ein Reizthema.

Die Rückkehr der Partei in die politische Landschaft hat auch den Anstieg dessen ausgelöst, was nur als gesteigerter jordanischer Nationalismus beschrieben werden kann; damit schürte sie die Angst, dass die Islamisten trotz ihrer Pro-Reform-Rhetorik heimlich auf einen Regimewechsel in Jordanien hoffen. Das wiederum könnte die schlimmsten Befürchtungen der Transjordanier Wirklichkeit werden lassen: eine alternative palästinensische Heimat auf jordanischem Boden. Die Aussagen rechtsgerichteter Israels zu diesem Thema in den vergangenen Monaten haben die Flammen im Inland nur weiter angeheizt.

Während die Mehrheit der Menschen im Königreich Reformen der Revolution vorgezogen haben, haben viele auch versucht, ihre Botschaft mithilfe einer nationalistischen Rhetorik zu steigern, die sich bisweilen als antipalästinensische Stimmung geäussert hat. Jordaniens pensionierte Militärveteranen, die dem Staat lange vorgehalten haben, zu vielen „Nichtjordaniern“ die Staatsbürgerschaft anzubieten, haben sogar eine politische Partei gegründet, um dem Aufstieg der Islamisten entgegenzuwirken.

Damit erklärt sich die Dringlichkeit der Gespräche von Amman vielleicht selbst. Das Schicksal Jordaniens und Palästinas war trotz räumlicher und auch politischer Trennungen schon immer miteinander verwoben. Der Arabische Frühling ist in dieser Gleichung zu einem reinen Katalysator geworden und zwingt es für den König und seine Regierung in den Vordergrund des Interesses. Fortschritte auf diesem Gebiet könnten erheblich dazu beitragen, politische Unzufriedenheit zuhause zu beseitigen, vor allem, wenn es gelänge, die Ängste um eine alternative Heimat auszuräumen, indem der Vorschlag dafür als eine legitime politische Karte, wie sie von verschiedenen politischen Parteien ausgespielt wird, vom Tisch wäre. Die Gespräche von Amman mögen für Jordanien ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber Amman muss eine führende Rolle in dem Prozess behalten, wenn es hofft, an der heimatlichen Front Fürchte seiner Bemühungen zu ernten.

Published 9/2/2012 © bitterlemons-international.org

Naseem Tarawnah ist Mitbegründer von 7iber und bloggt auf Black Iris.

Originalversion: Jordan re-enters the fray By Naseem Tarawnah Published 9/2/2012 © bitterlemons-international.org

February 10, 2012 Edition 6, This week’s edition is on: The Amman talks: Jordan’s role

Articles in this editionJordan re-enters the fray – Naseem Tarawnah • Jordan needs continued talks – Mohammad K. Shiyyab • Why has Jordan succeeded where others failed? – Oraib Al-Rantawi • A futile exercise? – Hassan A. Barari