Das palästinensische Einheitsabkommen von Doha

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Ismail Haniya (li.), Mahmud Abbas (re.)

Das in Doha bekannt gegebene Einheitsabkommen von Fatah und Hamas ist das jüngste in einer Reihe von nicht umgesetzten Abkommen zwischen den beiden palästinensischen Widersachern. Zum wiederholten Male kündigten beide Seiten an, ihre Bestrebungen vereinen und eine unabhängige Übergangsregierung bilden zu wollen. Somit könnten Palästinenser sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen zu Neuwahlen herangeführt werden. In einer Neuheit vereinbarten beide Seiten, dass Mahmud Abbas sowohl als Präsident als auch Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde PA dienen soll, was jedoch offenbar gegen das palästinensische Grundgesetz verstösst. Im Jahre 2003 wurde das Amt des Ministerpräsidenten in der PA geschaffen. Abbas wurde in dieses Amt ernannt, um die absoluten Machtbefugnisse der Präsidentschaft zu verkleinern, die damals in den Händen Jassir Arafats lagen. Ironischerweise ist es nun Abbas als Präsident, der versucht genau das zurückzufordern, was er einst wegzunehmen versuchte.

Die Ankündigung ist eher eine Absichtserklärung als ein vollwertiges Abkommen.

Wenn es um die palästinensischen Einheitsabkommen geht, von denen es bereits einige gegeben hat, ist die Bekanntmachung der einfache Teil. Man kann sich das Mekka-Abkommen im Februar 2007 und das Einheitsabkommen vom April 2011 in Erinnerung rufen – beide sind entweder recht schnell zusammengebrochen oder wurden nicht einmal umgesetzt. Das Einheitsabkommen vom vergangenen April hat viele wichtige Details offen gelassen. Dies ist auch heute der Fall. Wird es unter dem Einheitsabkommen gemeinsame Finanzen geben? Wird sich die Hamas zu ihrer Auslösung einverstanden erklären, geschweige denn, frühere PLO-Vereinbarungen anerkennen (einschliesslich der Anerkennung Israels)?

Eine andere Kernfrage lautet: Wie unabhängig wäre eine solche Übergangsregierung? Der im vergangenen April gewählte Ansatz forderte eine technokratische Regierung und gleichzeitig ein externes Steuerungsgremium, das sich aus der Hamas und Fatah zusammensetzen sollte und die Richtung der Regierung vorgeben würde. Eine solche Richtungskontrolle wäre für diese Regierung ausreichend gewesen, um von den USA und möglicherweise anderen Mitgliedern des Nahost-Quartetts als unantastbar angesehen zu werden. Diese kritischen Details müssen angesprochen werden, bevor die beiden Seiten erneut am 18. Februar in Kairo wie vereinbart zusammentreffen.

Doch vielelleicht lautet die interessantere Frage, warum die beiden Seiten mit der Zwangsankündigung zusammenkamen, nachdem erst in der vergangenen Woche Funktionsträger der Fatah die Hamas dafür kritisierten, nicht ernsthaft zu beratschlagen?  Zwei Formen von sich verschiebenden, miteinander zusammenhängenden regionalen Dynamiken sind hier im Spiel. Zunächst haben beide, Fatah und die Hamas, auf spürbare Weise ihren jeweiligen Gönner verloren – die Fatah Mubarak und die Hamas Assad. Dadurch wurde eine Art Vakuum geschaffen, das wiederum zu einem zweiten Phänomen geführt hat:  andere regionale Akteure greifen ein, um zu versuchen, palästinensische Entwicklungen voranzubringen. Im Laufe des vergangenen Monats hat Jordanien sich in Gesprächen mit Israel bemüht, beide Parteien an den Verhandlungstisch über den endgültigen Status zurück zu bringen. Inmitten der intensiven diplomatischen Bemühungen von Seiten Jordaniens wurden Abbas und Khaled Mashal nach Doha, Katar einberufen, und offensichtlich machten die Katarer ihnen ein Angebot, dass sie nicht ausschlagen konnten. Es bleibt abzuwarten, ob Abbas als höfliche Geste zusagte oder ob er es ernst damit meint, sich vorwärts zu bewegen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wollte Abbas vermutlich mit einer Zusage Optionen für sich selbst und zwei parallel verlaufende Wege schaffen ‒ eine von den Jordaniern und dem Nahost-Quartett vermittelte potenzielle Verhandlungsschiene und einen von Katar vermittelten Weg der Versöhnung. Viele in der Region werden solch einen Ansatz nicht begrüssen ‒ Israel hat bereits seinen starken Widerstand angemeldet ‒ und Andere, wie Jordanien und die USA, werden Abbas wahrscheinlich ebenfalls mitteilen, dass er nur einen Ansatz verfolgen kann: Verhandlungen mit Israel, die die Hamas nicht miteinschliessen. Dennoch wird sich Abbas seine Optionen offen halten wollen.

Doch möglicherweise ist dieses Mal alles anders und die Aufstände in der Region könnten die palästinensische Politik dahingehend verändert haben, dass es zu einer tatsächlichen Versöhnung kommen wird, die zu Neuwahlen zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr führen wird. Die Grundlagen sprechen noch immer dagegen: Die Fatah geniesst die alleinige Kontrolle über das Westjordanland und bekämpft die Hamas, damit es so bleibt; genauso widersetzt sich die Hamas jeglicher Beschneidung ihrer Vorherrschaft im Gazastreifen durch die Fatah, und es ist unvorstellbar, dass die militante islamistische Organisation auf die Kontrolle verzichten wird, sollte sie die Wahlen verlieren. Daher muss der PLO-Vorsitzende und Präsident der PA Mahmud Abbas nun einige schwierige Entscheidungen treffen: sich mit der Hamas zu versöhnen und damit eine grössere palästinensische Einheit zu etablieren, aber dadurch eine stärkere internationale (und möglicherweise regionale) Isolation auf sich zu nehmen und zu riskieren, die ihm und der Fatah verbleibende Kontrolle  in einer Region zu verlieren, die islamistische Parteien schnell aufsteigen lässt. Oder mit der vom benachbarten Jordanien gestarteten Initiative zu kooperieren und sich um Verhandlungen mit Israel bemühen, was er schon lange zu seiner Präferenz erklärt hat.

Vom CFR.org. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. Für weitere Analysen und Blogeinträge über den Nahen Osten und Aussenpolitik, besuchen Sie CFR.org.

Originalversion: The Doha Palestinian Unity Agreement: Now the Hard Part by Robert M. Danin © Council on Foreign Relations, February 6, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.